3. Wirkungen der Klageerhebung
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Die Klageerhebung bewirkt die Rechtshängigkeit der Klage (§ 261 Abs. 1 ZPO). Mit der Klageerhebung sind weitreichende prozessuale und materiell-rechtliche Folgen verbunden.
a) Prozessuale Wirkungen
aa) Anderweitige Rechtshängigkeit
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Die Rechtshängigkeit der Klage bewirkt, dass dieselbe Streitsache nicht bei einem anderen Gericht zum zweiten Mal rechtshängig gemacht werden darf (§ 261 Abs. 3 S. 1 ZPO). Sind die Parteien und der Streitgegenstand im zweiten Prozess identisch, muss das zweite Gericht die Klage als unzulässig abweisen (siehe Rn. 137).[6] Diese Situation kommt in der Praxis selten vor.
bb) Perpetuatio fori
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Ist die Klage rechtshängig geworden, bleibt das Gericht zuständig, auch wenn sich die zugrunde liegenden Umstände ändern (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO), sog. perpetuatio fori (Weitergeltung des Forums). Aus Gründen der Prozessökonomie bleiben die örtliche, sachliche und internationale Zuständigkeit erhalten. Dies gilt sogar, wenn ein neuer ausschließlicher Gerichtsstand begründet wird.[7] Gleiches gilt für die Rechtswegzuständigkeit. Die Parteien sollen rasch zu einer Sachentscheidung gelangen können. Ein „Gerichte-Hopping“ während eines anhängigen Rechtsstreits ist nicht erwünscht.
Ausgangsfall
Mona erhebt ihre Klage am Sitz der V-GmbH in Köln (§ 17 ZPO). Verlegt die V-GmbH ihren Satzungssitz durch Änderung des Gesellschaftsvertrags nach Nürnberg, bleibt das angerufene Gericht weiterhin zuständig.
Hinweis
Bei der sachlichen Zuständigkeit gilt der Grundsatz der perpetuatio fori allerdings nur eingeschränkt. Ist das angerufene Landgericht sachlich zuständig, bleibt es zuständig, auch wenn der Streitwert unter die Zuständigkeitsgrenze von 5000 € fällt. Anders ist die Situation beim Amtsgericht bei einer Streitwerterhöhung (beachte § 506 Abs. 1 ZPO). In diesem Fall ist die Sache auf Antrag einer Partei an das Landgericht zu verweisen (siehe Rn. 89).
cc) Klageänderungen
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Die Klage legt die Parteien und den Streitgegenstand fest. Mit Eintritt der Rechtshängigkeit kann der Streitgegenstand der Klage nur noch unter erschwerten Voraussetzungen geändert werden. Grund ist, dass der Beklagte nicht gezwungen werden soll, sich ständig gegen einen neuen Streitgegenstand verteidigen zu müssen. Die Voraussetzungen der Klageänderung sind in §§ 263, 264 ZPO geregelt (hierzu näher Rn. 235 ff.).
dd) Veräußerung der streitbefangenen Sache
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Der Kläger darf auch nach Rechtshängigkeit seine Forderung an einen Dritten abtreten (§ 265 Abs. 1 ZPO). Allerdings wird der Prozess ohne Rücksicht auf die Veräußerung fortgesetzt. Der Veräußerer bleibt nach § 265 Abs. 2 ZPO in seiner Klägerrolle verhaftet (näher Rn. 128).
b) Materiell-rechtliche Wirkungen
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Lesen Sie die zitierten Vorschriften aus dem BGB und der ZPO. Nutzen Sie insbesondere die Gelegenheit, die Höhe der Verzugszinsen für Verbraucher und Unternehmer zu wiederholen.
Die wichtigste Wirkung der Klageerhebung betrifft die Verjährung. Die Klageerhebung hemmt die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche (§§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 209 BGB). Da der Kläger auf die Zustellung der Klage und damit die Rechtshängigkeit keinen Einfluss hat, bestimmt § 167 ZPO, dass die Hemmung schon mit dem Eingang des Antrags eintritt, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Die Hemmung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder der anderweitigen Beendigung des Prozesses (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB). Bedeutung hat die Klageerhebung auch für den Schuldnerverzug. Nach § 286 Abs. 1 S. 2 BGB steht der Mahnung die Erhebung der Klage gleich. Außerdem ist eine Geldschuld vom Eintritt der Rechtshängigkeit zu verzinsen, selbst wenn der Schuldner nicht in Verzug ist (§ 291 S. 1 Hs. 1 BGB).[8] Die Höhe der Zinsen ergibt sich aus § 288 BGB, der zwischen Verbraucher (§ 13 BGB) und Unternehmer (§ 14 BGB) unterscheidet. Verschiedene Vorschriften im BGB zur Haftungsverschärfung knüpfen ebenfalls an die Rechtshängigkeit an (z.B. §§ 292, 818 Abs. 4, 987, 989, 994 Abs. 2, 996 BGB).
2. Teil Erkenntnisverfahren › D. Ablauf eines Zivilprozesses › IV. Entscheidung über den weiteren Prozessablauf
1. Entscheidungsmöglichkeiten
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Nach § 272 Abs. 1 ZPO soll der Prozess in einem einzigen Termin erledigt werden. Damit dies realisiert werden kann, muss das Gericht, noch bevor es die Klage zustellen lässt, über die weitere Vorgehensweise entscheiden. Dem Richter stehen nach § 272 Abs. 2 ZPO zwei Wege zur Verfügung. Er kann entweder einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen (§ 275 ZPO) oder ein schriftliches Vorverfahren anordnen (§ 276 ZPO).
Der weitere Verfahrensablauf hängt davon ab, für welchen Weg sich der Richter entscheidet. Die Entscheidung liegt in seinem freien Ermessen. In der Praxis ist das schriftliche Vorverfahren die Regel. Hier bekommt das Gericht die Gegenauffassung des Beklagten vor dem „ersten gemeinsamen Treffen“ schriftlich vorgelegt, so dass es in Ruhe die unterschiedlichen Standpunkte der Parteien prüfen und würdigen kann. Auf dieser Grundlage kann das Gericht dann die Festlegung des Haupttermins planen.
Ausgangsfall
Die Klage von Mona betrifft Gewährleistungsansprüche und damit eine „komplexe Materie“. Das Gericht wird sich hier für die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens entscheiden, um die (ausführlichen) Gegenargumente der V-GmbH schriftlich übermittelt zu bekommen. Gegebenenfalls wird Mona Gelegenheit gegeben, auf die schriftliche Klageerwiderung der V-GmbH zu antworten (sog. Replik).
2. Früher erster Termin
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Wählt der Richter den frühen ersten Termin (§ 275 ZPO), muss er unverzüglich den Termin bestimmen (§ 216 Abs. 2 ZPO), also ein Datum festlegen. Da jeder mündlichen Verhandlung ein Gütetermin vorausgehen muss (§ 278 Abs. 2 ZPO), ist dieser zeitgleich zu datieren. Als nächstes muss das Gericht die Klage dem Beklagten zustellen und beide Parteien zum Termin laden. Außerdem muss der Richter dem Beklagten eine Frist zur (schriftlichen) Klageerwiderung setzen (§ 275 Abs. 1 S. 1 ZPO) oder ihn auffordern, die Verteidigungsmittel unverzüglich mitzuteilen (§ 275 Abs. 1 S. 2 ZPO). In jedem Fall muss dem Beklagten mindestens zwei Wochen Zeit gegeben werden (§ 274 Abs. 3 S. 1 ZPO).[9] Diese Frist heißt „Einlassungsfrist“. Bei Zustellungen im Ausland (§ 183 ZPO) beträgt die Frist sogar einen Monat (§ 274 Abs. 3 S. 2 ZPO). Der frühe erste Termin ist ein vollwertiger Termin zur mündlichen Verhandlung, so dass der Rechtsstreit sogleich entschieden werden kann. Kann eine Entscheidung noch nicht ergehen (z.B. weil Zeugen geladen