3. Zulässigkeit des Zivilrechtswegs
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Englische Bürger haben es im Fall eines Rechtsstreits relativ leicht, das zuständige Gericht zu finden. Dort existiert ein „Einheitsgericht“, das für sämtliche Streitigkeiten zuständig ist. In Deutschland ist die Situation komplizierter. Hier gibt es fünf verschiedene Gerichtszweige, die für die unterschiedlichen Rechtsgebiete zuständig sind (vgl. Art. 95 GG).
a) Zuständigkeit der Zivilgerichte
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Nach § 13 GVG sind alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten den Zivilgerichten zugewiesen. Die Zivilgerichtsbarkeit umfasst die streitige (ZPO) und die freiwillige Gerichtsbarkeit (vgl. § 23a Abs. 2 GVG i.V.m. FamFG ab Buch 3). Ob eine „bürgerliche Rechtsstreitigkeit“ vorliegt, entscheidet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird.[31] Der Schwerpunkt muss im Privatrecht liegen. Zur Ermittlung wird der Tatsachenvortrag des Klägers zugrunde gelegt. Im Übrigen sind die Zivilgerichte aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Zuweisung auch für Streitigkeiten aus anderen Rechtsgebieten zuständig. Beispielsweise haben die Zivilgerichte über die Höhe der Entschädigung bei Enteignungen (Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG), über Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung (Art. 34 S. 3 GG) oder Ansprüche aus Aufopferung (§ 40 Abs. 2 VwGO) zu entscheiden, obwohl diese aus dem öffentlichen Recht stammen. Ist der Zivilrechtsweg eröffnet, entscheidet das zuständige Gericht den Rechtsstreit nach § 17 Abs. 2 S. 1 GVG unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten (zivilrechtliche, öffentlich-rechtliche, arbeitsrechtliche etc.).
Ausgangsfall
Mit ihrer Klage macht Mona Gewährleistungsansprüche wegen einer mangelhaften Kaufsache (§ 437 BGB) geltend. Es handelt sich eindeutig um einen zivilrechtlichen Anspruch, der vor die Zivilgerichte gehört. Das zuständige Zivilgericht wird den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten entscheiden (§ 17 Abs. 2 S. 1 GVG).[32]
Die Einordnung einer Streitigkeit unter die fünf Gerichtszweige fällt nicht immer leicht. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Zivilgerichtsbarkeit ist schwierig, wenn es um Mietstreitigkeiten gegen Kommunen oder um Subventionen geht.[33] Für die Klage gegen die (schlechte) Bewertung einer (juristischen) Hausarbeit durch eine Privat-Uni ist der Zivilrechtsweg eröffnet.[34] Besonders häufig streiten sich Arbeitsgerichte und ordentliche Gerichte um „ihr Klientel“. So vertreten etwa BGH und BAG konträre Meinungen zu der Frage, welches Gericht für Insolvenzanfechtungsklagen des Insolvenzverwalters bezüglich der Zahlung von Arbeitslohn zuständig ist.[35] Der BGH hatte das Verfahren ausgesetzt und dem GmS-OGB vorgelegt.[36]
b) Verweisung bei Fehlen des Zivilrechtswegs
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Den richtigen Rechtsweg zu finden, ist also gar nicht so leicht. Fehlt die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs, darf die Klage nicht als unzulässig abgewiesen werden. Das angegangene (falsche) Gericht muss vielmehr nach Anhörung der Parteien von Amts wegen an das zuständige Gericht verweisen (§ 17a Abs. 2 GVG). Diese (rechtskräftige) Entscheidung ist für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend (§ 17a Abs. 2 S. 3 GVG; hierzu BGH NJW 2014, 2125). Damit kann kein Gericht den Fall „im Kreisverkehr“ wieder zurückgeben oder an einen dritten Rechtsweg verweisen. Das zuständige Gericht entscheidet dann den Fall unter allen rechtlichen Gesichtspunkten (§ 17 Abs. 2 S. 1 GVG).
Hinweis
Bei falschem Rechtsweg wird die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, sondern es ergeht Verweisungsbeschluss von Amts wegen.
4. Sachliche Zuständigkeit
a) Allgemeines
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Die sachliche Zuständigkeit betrifft die Frage, welches Gericht in erster Instanz als Eingangsgericht für den Rechtsstreit zuständig ist. In Betracht kommen Amtsgericht (AG) oder Landgericht (LG). In diesem Zusammenhang ist es zunächst hilfreich, die ordentlichen Gerichte sowie den Instanzenzug zu kennen. Die ordentliche Gerichtsbarkeit umfasst vier Gerichte: die Amtsgerichte (§§ 22 ff. GVG), die Landgerichte (§§ 59 ff. GVG), die Oberlandesgerichte (§§ 115 ff. GVG) und den Bundesgerichtshof (§§ 123 ff. GVG). Der Instanzenzug betrifft die Frage, welches Gericht für die Überprüfung der gerichtlichen Ausgangsentscheidung zuständig ist. Die erste Instanz ist entweder das AG oder das LG. Die zweite Instanz nach dem AG ist das LG (Ausnahme: bei den Familiensachen ist es das OLG). Die zweite Instanz nach dem LG ist das Oberlandesgericht (OLG). Die dritte Instanz ist der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.
b) Streitwert
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Die sachliche Zuständigkeitsverteilung zwischen AG und LG als Eingangsgerichte der ersten Instanz ist im GVG näher geregelt. Grundsätzlich bestimmt die Höhe des Streitwerts die Zuständigkeit. Die Amtsgerichte sind für Streitigkeiten mit einem Streitwert bis exakt 5000 € oder weniger zuständig (§ 23 Nr. 1 GVG), die Landgerichte für Streitwerte über 5000 € (§ 71 Abs. 1 GVG).
c) Spezialzuweisungen
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Darüber hinaus gibt es Sonderzuweisungen in §§ 23 Nr. 2, 23a, 71 Abs. 2 GVG, die vorrangig gelten. Die Amtsgerichte sind beispielsweise in Familiensachen sachlich ausschließlich zuständig (§ 23a GVG) oder für Miet- und Wohnungseigentumsstreitigkeiten (§ 23 Nr. 2 GVG). Für die Landgerichte finden sich die Spezialzuweisungen in § 71 Abs. 2 GVG. So ist das LG beispielweise für Klagen aus Amtshaftung (Nr. 2), aus fehlerhaften Kapitalmarktinformationen (Nr. 3) und ab 1.1.2018 für Änderungsanordnungen des Bestellers beim Bauvertrag (Nr. 3 i.V.m. §§ 650b, 650c BGB) ausschließlich zuständig. Um eine höhere Spezialisierung bei den Landgerichten zu erreichen, werden ab 1.1.2018 Zivilkammern für bestimmte Sachgebiete (Bankrecht, Baurecht, Arztrecht, Versicherungsrecht) gebildet (§ 72a GVG).[37] Daneben existieren bei den Landgerichten Kammern für Handelssachen (§§ 93, 105 GVG), die mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt sind, deren Bedeutung aber drastisch sinkt (50% weniger Eingangszahlen). Ganz ausnahmsweise ist das OLG (bzw. der BGH) das erstinstanzlich ausschließlich zuständige Gericht, soweit es um Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer oder Musterprozesse geht (§§ 118, 201 Abs. 1 GVG). Auch bei den Oberlandesgerichten wird auf Spezialisierung gesetzt. So gibt es die Kartellsenate (§ 91 GWB). Ab 1.1.2018 sind Zivilsenate für bestimmte Sachgebiete (Bankrecht, Baurecht, Arztrecht, Versicherungsrecht) einzurichten (§ 119a GVG).
Ausgangsfall
Mona klagt