20./21.3.2019: Premierministerin May stellt den Antrag auf Fristverlängerung beim Präsidenten des Europäischen Rates Tusk, worauf der Europäische Rat die Frist bis zum 12.4.2019 verlängert, was eine eventuelle Teilnahme des Vereinigten Königreichs an den Wahlen zum EP im Mai ermöglicht. Falls das Unterhaus das Austrittsabkommen bis Ende März genehmigen sollte, wird eine Fristverlängerung bis zum 22.5.2019 in Aussicht gestellt.
25.–27.3.2019: Das Unterhaus zieht den Brexit an sich und kündigt Alternativen zum vorgelegten Austrittsabkommen an.
29.3.2019: Das Unterhaus lehnt das Austrittsabkommen zum dritten Mal mit 344 Nein- gegenüber 286 Ja-Stimmen ab.
1.4.2019: Das Unterhaus lehnt vier Alternativvorschläge zum Austrittsabkommen ab und verwirft abermals die Möglichkeit eines „harten Brexit“.
[S. 62]
5./11.4.2019: Premierministerin May beantragt eine erneute Fristverlängerung, dieses Mal bis zum 30.6.2019. Der Europäische Rat optiert dagegen für eine „Flextension“, wonach der Brexit spätestens zum 31.10.2019 oder frühestens mit Annahme des Austrittsabkommens erfolgen soll. Das Vereinigte Königreich wird verpflichtet, an den Wahlen zum EP im Mail teilzunehmen.
23.5.2019: Die Brexit-Partei von Nigel Farage wird mit 30% stärkste Kraft in den Europawahlen im Vereinigten Königreich und erhält 29 der 73 britischen Sitze im EP, während die Konservativen um Premierministerin May nur 4 Sitze erringen.
24.5.2019: Premierministerin May erklärt ihren Rücktritt zum 7.6.2019.
23.7.2019: Boris Johnson tritt die Nachfolge als Premierminister an.
28.8.2019: Premierminister Johnson kündigt seine Absicht an, das britische Parlament für die Zeit vom 9.9. bis zum 14.10.2019 zu suspendieren.
4.9.2019: Das Unterhaus beschließt einen Text, der es Premierminister Johnson untersagt, einen „harten Brexit“ zu provozieren und verlangt die Beantragung einer weiteren Verlängerung, falls es zu keinem Einverständnis über das Austrittsabkommen kommt.
1.10.2019: Premierminister Johnson legt seinerseits einen Entwurf für ein Austrittsabkommen vor, der jedoch vom Europäischen Rat abgelehnt wird, allerdings mit dem Hinweis, dass durchaus Fortschritte in der britischen Haltung zu erkennen seien.
17.10.2019: Premierminister Johnson und Kommissionspräsident Juncker kündigen die Einigung über den Austrittsvertrag an, der insbesondere eine neue Lösung des Problems der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland enthält47.
19.10.2019: Das Unterhaus lehnt auch diesen Kompromiss in einem beschleunigten Verfahren ab. Premierminister Johnson ist gezwungen, in Brüssel um eine erneute Fristverlängerung zu beantragen.
28.10.2019: Der Europäische Rat gewährt eine Fristverlängerung bis zum 31.1.2020.
29.10.2019: Nach dieser Fristverlängerung beschließt das Unterhaus mit den Stimmen der oppositionellen Labour Partei Neuwahlen für den 12.12.2019, die Premierminister Johnson relativ klar gewinnt.
9.1.2020: Das Unterhaus stimmt dem Austrittsabkommen mit 330 Ja- und 231 Nein-Stimmen endgültig zu. Das Oberhaus schließt sich diesem Votum an.
24.1.2020: Der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für die EU in Brüssel und Premierminister Boris Johnson für das Vereinigte Königreich in London unterzeichnen das Austrittsabkommen.
[S. 63]
29.1.2020: Das Europäische Parlament erteilt seine Zustimmung zum Austrittsabkommen (621 Ja – 49 Nein – 13 Enthaltungen).
30.1.2020: Der Rat nimmt den Beschluss über den Abschluss des Austrittsabkommens im schriftlichen Verfahren an.
31.1.2020 23h GMT/24h MEZ: Das Vereinigte Königreich verlässt die EU.
2.3.2020: Beginn der Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU, die bis zum 31.12.2020 abgeschlossen sein müssen, wenn keine Fristverlängerung für die Übergangszeit beantragt wird.
1.7.2020: Letzte Möglichkeit der Beantragung einer Fristverlängerung für die Übergangszeit um maximal zwei Jahre.
Kernstück des Austritts ist das Austrittsabkommen (dazu unter a)), mit dem die Grundlagen des Austritts geregelt werden. Es wird ergänzt durch eine Politische Erklärung (dazu unter b), die den Rahmen der Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU vorzeichnet (dazu unter c)).
a) Austrittsabkommen
• Anwendung des EU-Rechts während der Übergangszeit
Bis zum 31. Dezember 2020 (verlängerbar um 1 oder 2 Jahre, Art. 126, Art. 132 EUVK-Abkommen) gilt das Unionsrecht auch für das Vereinigte Königreich grundsätzlich wie bisher (Art. 127A VK-EU-Abkommen). Ausgenommen hiervon sind nur die institutionellen Bestimmungen (Art. 7, Art. 128 VK-EU-Abkommen).
• Das Problem der irischen Grenze
Nachdem der von der EU verlangte „Backstop“, der zur Vermeidung einer fühlbaren Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland praktisch das gesamte Vereinigte Königreich in eine Zollunion mit der EU gezwungen hätte, enthält das Austrittsabkommen nun eine auch für das Vereinigte Königreich akzeptable Regelung.
Ein Protokoll zum Austrittsabkommen stellt unmissverständlich klar, dass Nordirland Teil des Zollgebiets des Vereinigten Königreichs ist. Die Handelsabkommen, die das Vereinigte Königreich nach Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2020 (soweit keine Verlängerung vereinbart wird) und dem Verlassen der Zollunion der EU schließen kann, gelten auch uneingeschränkt in Nordirland. Nordirland wird deshalb eine Grenze mit der Republik Irland und damit mit dem Binnenmarkt und der Zollunion der EU haben, was theoretisch auch Warenkontrollen an dieser Grenze verlangen würde. Dies widerspräche aber dem Friedensabkommen von Belfast aus dem Jahre 1998 (auch bekannt als Good Friday Agreement), das nach 30 Jahren Bürgerkrieg zwischen dem Vereinigten Königreich, der Republik Irland und Unionisten sowie Nationalisten in Nordirland geschlossen wurde.
[S. 64]
Deshalb wurde im Austrittsabkommen vereinbart, die Zollgrenze zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ins Meer zwischen dem Vereinigten Königreich und Nordirland zu verlegen. Nordirland bleibt dabei allen relevanten Zoll- und Marktregelungen der EU unterworfen, insbesondere den Warenverkehrsregelungen, den Gesundheitsstandards, den Produktionsstandards, den Verkaufsmodalitäten für Agrarprodukte, den Mehrwert- und Verbrauchssteuerregeln sowie den Regelungen über die staatliche Beihilfenaufsicht. Die in Nordirland hergestellten Waren können so ohne jede Grenzkontrolle in die Republik Irland (und von dort an jeden Ort der EU) verbracht werden.
Alle anderen Waren und Produkte, die nach Nordirland eingeführt werden, werden von den britischen Zollbehörden in den Schiffs- und Flughäfen kontrolliert. Dabei muss vor allem festgestellt werden, ob diese Waren und Produkte allein für einen der britischen Märkte bestimmt sind, oder ob sie das „Risiko“ in sich bergen, über die Republik Irland in das Marktgebiet der EU verbracht zu werden. Ein Gemeinsamer Ausschuss wird auf der Grundlage bestimmter Kriterien (Natur und Wert des Produkts, Verwendung zum Direktverbrauch oder zur weiteren Verarbeitung, Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs, etc.) das „Risiko“ einzugrenzen versuchen und Ausnahmen vorsehen. Die zollrechtliche Behandlung richtet sich dann nach der Zuordnung zum jeweiligen Zollgebiet: sofern die Ware für den Markt in Nordirland vorgesehen ist, finden die britischen Zollregeln vollumfänglich Anwendung; besteht hingegen das „Risiko“, dass sich diese Waren auf dem Binnenmarkt der EU wiederfinden, gelten die zollrechtlichen Vorschriften der EU.
Nach