6. Weitere besondere Organteile des BVerfG
44Als weitere Organteile des BVerfG mit besonderen Befugnissen kennt das BVerfGG den Präsidenten des BVerfG und den Vizepräsidenten, die zu den Richtern des BVerfG zählen und verschiedenen Senaten angehören müssen. Sie werden nach Maßgabe der §§ 9, 10 BVerfGG abwechselnd vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt und vom Bundespräsidenten ernannt. Wie erwähnt (→ Rn. 33), führen beide den Vorsitz in ihrem jeweiligen Senat. Darüber hinaus hat der Präsident des BVerfG die typischen Aufgaben eines Behördenleiters, zu denen insbesondere die Außenvertretung des Gerichts, die Ausübung des Hausrechts und die Leitung der Verwaltung des Gerichts gehören. Der Vizepräsident ist an erster Stelle zur Vertretung des Präsidenten berufen.
7. Richter des BVerfG
45Alle Spruchkörper und sonstigen Untergliederungen des BVerfG sind mit dessen Mitgliedern, den Richtern des BVerfG, besetzt. Die Rechtsstellung dieser Richter wird im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben (→ Rn. 3) durch Bestimmungen des BVerfGG näher ausgeformt.
|14|a) Bestellung der Richter
46Besondere Bedeutung kommt – wie entsprechend bei allen Verfassungsorganen – der Frage zu, unter welchen Voraussetzungen eine Person die Stellung eines Richters des BVerfG erlangt. Unmittelbar geschieht dies nach § 10 BVerfGG dadurch, dass der Bundespräsident die Gewählten ernennt.
47Die entscheidende Voraussetzung hierfür ist die in Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG vorgeschriebene Wahl. Die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass die Mitglieder des BVerfG je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt werden sollen, setzt § 5 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG dahin um, dass die Richter jedes Senats je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt werden. Gleichzeitig muss aber die Vorgabe des § 2 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG berücksichtigt werden, wonach drei Richter jedes Senats aus der Zahl der Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes gewählt werden müssen. Da sich diese ungerade Zahl nicht gleichmäßig auf Bundestag und Bundesrat verteilen lässt, musste in § 5 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG eine recht komplizierte Regelung getroffen werden, um den angestrebten Proporz richterlicher Mitglieder und die Hälftigkeit der Wahl durch beide obersten Bundesorgane sicherzustellen.
48Die Durchführung der Wahl ist für Bundestag und Bundesrat getrennt geregelt. Dabei ist für beide Organe gleichermaßen vorgesehen, dass die Wahl mit 2/3-Mehrheit zu erfolgen hat (§ 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5, § 7 BVerfGG). Das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit soll sicherstellen, dass nicht eine zufällige Mehrheit die Gelegenheit zur Besetzung der Positionen der Richter des BVerfG in politisch einseitiger Weise ausnutzt. Idealerweise würde die Notwendigkeit einer qualifizierten Mehrheit sich dahingehend auswirken, dass nur solche Personen gewählt würden, von deren optimaler Eignung für diese Aufgabe das jeweilige Wahlorgan mit großer Mehrheit überzeugt ist. Die Schwierigkeiten, insoweit zu einer einmütigen Einschätzung zu kommen, führen allerdings in der Praxis eher dazu, dass zwischen den maßgeblichen politischen Kräften Absprachen über eine Besetzung der Richterstellen nach Maßgabe eines parteipolitischen Proporzes stattfinden. Trotz dieser Probleme kann auf das qualifizierte Mehrheitserfordernis kaum verzichtet werden.
49Auch verfassungsrechtlich problematisch war die ursprünglich in § 6 BVerfGG a.F. getroffene Regelung über die Wahl der vom Bundestag zu berufenden Richter. Für diese sah § 6 Abs. 1 BVerfGG vor, dass sie „in indirekter Wahl gewählt“ werden. Dazu wählte der Bundestag gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nach den Regeln der Verhältniswahl einen Wahlausschuss für die Richter des BVerfG, der aus zwölf Mitgliedern des Bundestages besteht. Dieser Wahlausschuss nahm bis 2015 die Wahl der Richter des BVerfG vor, wozu mindestens acht der zwölf Stimmen erforderlich waren. Nach jahrzehntelangem Schweigen hat BVerfGE 131, 230 (234ff.) diese Regelung als verfassungsgemäß qualifiziert; die Begründung mit dem Umstand, dass trotz der verbreiteten Kritik keine korrigierende Verfassungsänderung erfolgt war, ist allerdings kaum überzeugend.
50Kurze Zeit nach der Senatsentscheidung hat der Gesetzgeber aufgrund eines interfraktionellen Gesetzentwurfs unter Hinweis auf die andauernde Kritik im Schrifttum das Wahlverfahren reformiert. Der neue § 6 Abs. 1 BVerfGG von 2015 |15|sieht nun die Wahl der Richter des BVerfG durch den Bundestag (im Plenum) vor; diese sei „jedenfalls verfassungspolitisch […] vorzugswürdig“ (BT-Dr. 18/2737, Begründung A.I., S. 4). Die Wahl ist ohne Aussprache mit verdeckten Stimmzetteln durchzuführen. Erforderlich ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestags. Der Wahlausschuss bleibt unverändert bestehen; die Wahl erfolgt auf seinen mit mindestens acht Stimmen zu beschließenden Vorschlag hin (§ 6 Abs. 1, 5 BVerfGG).
51§§ 7a, 8 BVerfGG treffen gewisse Vorkehrungen dafür, dass die erforderlichen Wahlen der Richter des BVerfG auch realisiert werden können, was nicht zuletzt wegen der Erfordernisse der qualifizierten Mehrheit keineswegs selbstverständlich ist. Bemerkenswert ist dabei die Regelung, dass im Falle solcher Schwierigkeiten ein Vorschlag des Plenums des BVerfG einzuholen ist, der freilich keine Einschränkung der wählbaren Personen zur Folge hat.
52Neben der Wahl bestehen nur wenige persönliche Voraussetzungen für die Bestellung zum Richter des BVerfG. Namentlich müssen die Richter das 40. Lebensjahr vollendet haben, zum Bundestag wählbar sein und ihre Bereitschaft, Mitglied des BVerfG zu werden, erklärt haben (§ 3 Abs. 1 BVerfGG). Außerdem müssen sie nach § 3 Abs. 2 BVerfGG die Befähigung zum Richteramt besitzen und dürfen nach § 4 Abs. 2 BVerfGG nicht bereits Richter des BVerfG sein oder gewesen sein.
53Hinsichtlich der Inkompatibilität mit der Zugehörigkeit zu Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und entsprechenden Landesorganen gemäß Art. 94 Abs. 1 Satz 3 GG (→ Rn. 27) enthält § 3 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG eine Lösung dahingehend, dass die Ernennung zum Richter des BVerfG das Ausscheiden aus solchen Organen zur Folge hat. Eine entsprechende Regelung hinsichtlich der Inkompatibilität mit dem Amt des Bundespräsidenten, die sich aus Art. 55 Abs. 2 GG ergibt, enthält das BVerfGG nicht. Eine Lösung müsste hier durch Rücktritt bzw. Entlassung aus einer der beiden Stellungen gefunden werden.
Hinweis: Die Wahl eines amtierenden Bundespräsidenten zum Mitglied des BVerfG ist wenig wahrscheinlich. Demgegenüber hat sich der umgekehrte Fall bei der Wahl des Präsidenten des BVerfG Roman Herzog am 23.5.1994 zum Bundespräsidenten bereits zugetragen.
b) Beendigung des Richteramtes
54Die Beendigung des Amts eines Richters des BVerfG tritt nach § 4 Abs. 1 BVerfGG entweder durch Ablauf der zwölfjährigen Amtszeit oder durch Erreichen der Altersgrenze ein, die nach § 4 Abs. 3 BVerfGG mit der Vollendung des 68. Lebensjahres erreicht ist. Auf Antrag sind Richter unter den Voraussetzungen des § 98 Abs. 3 BVerfGG auch früher in den Ruhestand zu versetzen. Um Probleme mit der Beschlussfähigkeit bei Ausscheiden eines Richters infolge von Verzögerungen bei der Ernennung des Nachfolgers zu vermeiden, sieht § 4 Abs. 4 BVerfGG, auf den § 98 Abs. 4 BVerfGG verweist, vor, dass die ausgeschiedenen Richter ihre Amtsgeschäfte nach Ablauf der Amtszeit zunächst fortführen.
55Abgesehen von diesen regelmäßigen Fällen des Ausscheidens besteht die Möglichkeit der Entlassung eines Richter durch den Bundespräsidenten, die von dem Richter jederzeit mit bindender Wirkung beantragt werden kann (§ 12 Satz 1 und 2 BVerfGG). Zudem ist eine Entlassung mit Ermächtigung des BVerfG nach § 105 |16|Abs. 1 BVerfGG bei erheblichen Pflichtverletzungen des Richters ebenso zulässig wie eine Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit; über die Einleitung dieses Verfahrens und die Erteilung der Ermächtigung entscheidet das Plenum des BVerfG.
c) Persönliche Rechtsstellung der Richter
56Regelungen über die persönliche Rechtsstellung der Richter des BVerfG finden sich in den Schlussvorschriften der §§ 98ff. BVerfGG; ergänzend greifen nach § 69 DRiG die