90§ 34 a BVerfGG sieht zudem in Abs. 1 bei unbegründeten Grundrechtsverwirkungs- und Anklageverfahren gegen den Bundespräsidenten und Richter, aber nicht im Parteiverbotsverfahren zwingend die Erstattung der notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung vor. Ebenfalls zwingend vorgeschrieben ist in Absatz 2, dass bei begründeten Verfassungsbeschwerden dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten sind; die Möglichkeit, die Auslagen nur teilweise zu erstatten, dürfte auf Fälle partiellen Erfolgs der Verfassungsbeschwerde zu beschränken sein. In allen hiervon nicht erfassten Fällen gibt Abs. 3 dem BVerfG die Möglichkeit, Erstattung der Auslagen anzuordnen.
Fragen zu C. Allgemeine Verfahrensregeln:
1 Worin besteht der Unterschied in der Wirkung von Ausschluss und Ablehnung eines Richters des BVerfG?
2 Wer hat in den verfassungsgerichtlichen Verfahren die Stellung eines Beteiligten?
3 Sind Ton- und Fernsehaufnahmen während der mündlichen Verhandlung zulässig?
4 Stehen die Einleitung und die Beendigung des Verfahrens zur Disposition der Parteien?
5 Gilt hinsichtlich der Beweisaufnahme der Beibringungs- oder der Untersuchungsgrundsatz?
6 In welcher Vorschrift ist allgemein geregelt, wie das BVerfG seine Entscheidungen trifft? Welche Möglichkeit hat ein überstimmter Richter?
Die Lösungen finden Sie auf S. 194.
Literaturhinweise: Zähle, Kai, Die Ausschließung und Ablehnung eines Richters nach §§ 18, 18 BVerfGG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 137 (2012), 173; Aust, Helmut Philipp/Meinel, Florian, Entscheidungsmöglichkeiten des BVerfG, JuS 2014, 25.
|26|D. Sachentscheidungsvoraussetzungen im Überblick
I. Bedeutung der Sachentscheidungsvoraussetzungen
91Als Sachentscheidungsvoraussetzungen werden die Bedingungen bezeichnet, die nach dem Verfahrensrecht vorliegen müssen, damit eine Entscheidung in der durch den Antrag anhängig gemachten Sache getroffen werden kann. Nur wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben sind, ist das angerufene Gericht zu einer Entscheidung in der Sache befugt, nur dann ist es der „gesetzliche Richter“ i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
92Die Sachentscheidungsvoraussetzungen haben unter den verfassungsprozessualen Fragestellungen herausragende Bedeutung für die in Übungen und im Examen anzufertigenden Arbeiten. Denn die einschlägigen Aufgabenstellungen beziehen sich vielfach (aber nicht immer!) auf die Erfolgsaussichten eingelegter oder einzulegender Rechtsbehelfe, die auf ihre „Zulässigkeit“ und meist auf ihre „Begründetheit“ hin zu untersuchen sind. Die insoweit anzustellende Zulässigkeitsprüfung bezieht sich auf das Vorliegen der angesprochenen Sachentscheidungsvoraussetzungen. Von diesen kennt das Verfassungsprozessrecht – wie das Prozessrecht anderer Gerichtsbarkeiten auch – eine ganze Reihe.
Hinweis: Die Zulässigkeit eines Verfahrens muss grundsätzlich noch im Zeitpunkt der Entscheidung gegeben sein, s. zur Verfassungsbeschwerde BVerfGE 106, 210 (214). So darf etwa das zunächst gegebene Rechtsschutzbedürfnis nach Anhängigkeit des Verfahrens nicht wegfallen. Inwieweit es umgekehrt ausreicht, wenn zunächst fehlende Voraussetzungen bis zur Entscheidung oder doch bis zum Ablauf einer dafür gesetzten Frist herbeigeführt werden oder sonst eintreten (wie grundsätzlich im Verwaltungsprozessrecht), ist nicht abschließend geklärt. Für die Rechtswegerschöpfung ist der Wortlaut des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG wohl eindeutig, nach dem eine Verfassungsbeschwerde erst „nach Erschöpfung des Rechtswegs“ erhoben werden kann, sofern ein solcher gegeben ist. Begründen lässt sich dies damit, dass das BVerfG nur mit Beschwerden befasst werden soll, deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen bereits fachgerichtlich überprüft worden sind, vgl. BVerfGE 94, 166 (214); BVerfGK 11, 13 (20). Nach EGMR, NVwZ 2009, 1547, soll es für die auch dort vorgeschriebene Voraussetzung ausreichen, wenn der innerstaatliche Rechtsweg erst nach Einreichung der Beschwerde, aber vor Entscheidung des Gerichtshofes über die Zulässigkeit erschöpft wird. Vgl. zur Unzulässigkeit einer vor der Beschlussfassung des Bundesrates erhobenen Verfassungsbeschwerde gegen ein dann noch vor der Entscheidung des BVerfG zustande gekommenes Gesetz BVerfG (K), NJW 2009, 3778; offen lassend für eine vor Verkündung eines Gesetzes erhobene Verfassungsbeschwerde BVerfG (K), NVwZ 2010, 1289.
93|27|In der nach Feststellung der Zulässigkeit (bei unzulässigen Anträgen hilfsgutachtlich) vorzunehmenden Begründetheitsprüfung geht es dann darum, ob die Voraussetzungen für das mit einem Antrag erhobene Begehren vorliegen oder nicht, ob der Antragsteller also (im Ergebnis) „Recht hat“. In einigen Verfahrensarten des BVerfGG geben die Anträge nur den Anstoß zur Klärung einer Rechtsfrage, ohne dabei auf ein bestimmtes Ergebnis abzuzielen.
Beispiel: Im Rahmen eines zulässigen Normenverifikationsverfahrens (→ Rn. 259ff.) bezieht sich nach Art. 100 Abs. 2 GG, § 83 Abs. 1 BVerfGG die Sachprüfung auf die im Ausgangsrechtsstreit zweifelhafte Frage, ob eine bestimmte Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt.
94In solchen Fällen geht es beim Inhalt der Sachentscheidung streng genommen nicht um die „Begründetheit“ eines Antrags, sondern um das Vorliegen einer bestimmten Rechtslage. Dementsprechend sollte dann bei Fallbearbeitungen auch formuliert werden; als Abschnittsüberschrift kommt etwa „Sachprüfung“ in Betracht.
95Im Rahmen des BVerfGG lassen sich allgemeine und besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen unterscheiden. Die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen sind in den Vorschriften über die einzelnen Verfahrensarten, in denen das BVerfG zu entscheiden hat, enthalten, finden sich also in den §§ 36ff. BVerfGG. Daneben gibt es eine Reihe allgemeiner, d.h. für alle Verfahren des BVerfG einschlägiger Anforderungen, von denen in allen Verfahrensarten gleichermaßen die Möglichkeit einer Sachentscheidung abhängt (dazu sogleich → Rn. 96ff.). Für die Zulässigkeit eines bestimmten, an das BVerfG gerichteten Antrags müssen sowohl die allgemeinen als auch die für die jeweilige Verfahrensart einschlägigen besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben sein.
Hinweis: Bei Fallbearbeitungen sind im Rahmen der „Zulässigkeit“ eines Antrags alle einschlägigen Sachentscheidungsvoraussetzungen nebeneinander zu berücksichtigen; zu behandeln sind sie allerdings nur, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist. Die (oft leidvollen) Erfahrungen bei der Bewertung verfassungsrechtlicher Fallbearbeitungen in Übungen wie im Examen geben Anlass zu dem nachdrücklichen Hinweis, dass es keinesfalls erforderlich oder auch nur akzeptabel ist, bei jeder einschlägigen Fallbearbeitung die Gesamtheit der theoretisch in Frage kommenden Sachentscheidungsvoraussetzungen für eine Verfahrensart zu behandeln. Anzusprechen sind vielmehr stets nur die Sachentscheidungsvoraussetzungen, für deren Prüfung der konkrete Sachverhalt dadurch Anlass gibt, dass er Angaben enthält, die unter die entsprechenden rechtlichen Kriterien subsumiert werden können. Sachentscheidungsvoraussetzungen, für deren Vorliegen der zu bearbeitende Sachverhalt nichts hergibt, sollen aus Sicht des Aufgabenstellers offenbar keine Rolle spielen und sind deswegen auch nicht zu behandeln. Dennoch gemachte Ausführungen tragen, auch wenn sie höchst kenntnisreich sein sollten, zur Lösung der gestellten Aufgabe nichts bei und sind deshalb als verfehlt zu bewerten. Umgekehrt dürfen gutachtliche Bearbeitungen von Übungs- oder Examensfällen die Zulässigkeit nicht einfach offen lassen, und zwar auch dann nicht, wenn sich das BVerfG selbst als zu einem solchen Vorgehen berechtigt sehen würde, wie namentlich unter den Voraussetzungen des § 24 BVerfGG (etwa BVerfGE 124, 267 [274f.] m.w.N.).
|28|II. Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
96Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen spielen im Verfassungsprozessrecht neben den für die einzelnen Verfahrensarten geregelten Anforderungen nur eine untergeordnete Rolle. Dies gilt insbesondere für die Lösung von Übungs- oder Examensfällen.
1. Eröffnung des „Rechtswegs“