C. Das Prinzip der Verschuldenshaftung
Nur bei einer zu vertretenden Pflichtverletzung räumt § 280 BGB eine Schadensersatzpflicht ein, wobei sich der genaue Umfang nach §§ 276–278 BGB definiert:
§ 276 Verantwortlichkeit des Schuldners
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
§ 277 Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten
Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit.
§ 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
Die Begriffe „Vertretenmüssen“ und „Verschulden“ sind hiernach nicht gleichzusetzen, sondern der erweiterte Umfang des „Vertretenmüssens“ hervorzuheben94. Zu vertreten kann nach § 276 Abs. 1 S. 2 auch eine verschuldensunabhängige Pflichtverletzung (wie z.B. bei vertraglicher Abgabe einer Garantie) sein, wobei dieser Betrachtungsgegenstand für den Gegenstand dieser Arbeit außen vor bleibt, nachdem Garantien als eigenständige Haftungsregime nicht die Beschränkung, sondern Ausweitung von Verantwortlichkeiten zum Ziel haben (vgl. hierzu später). Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass eine gesetzliche verschuldensunabhängige Haftung insbes. auch im B2B-Bereich nur sehr versprengt zu finden ist. Hierzu zählt z.B. die Haftung des Schuldners bei Verzug auch bei Zufall (§ 287 S. 2 BGB) oder auch, für Geschäftsraummietverträge geltend, die Haftung des Vermieters für alle zum Mietbeginn vorliegenden Mietmängel (§§ 536a, 536 BGB). Auf typische Beispiele für Gefährdungshaftung infolge geduldeter Gefahrschaffung (wie § 1 ProdHaftG) wird später noch eingegangen.
Nach § 276 BGB sind Vorsatz und Fahrlässigkeit, zusammengefasst unter dem Begriff des Verschuldens, zu vertreten, sofern keine strengere oder mildere Haftung bestimmt ist. Der Vorsatz, der das Wissen und Wollen um die objektiven Tatbestandsmerkmale aufweist, wird dabei wie im Strafrecht in verschiedene Vorsatzformen untergliedert, wobei die Abgrenzung der verschiedenen Vorsatzgrade vertragsrechtlich keine Rolle spielt95. Das gesetzliche Verbot des vertraglichen Haftungsausschlusses im Voraus für den Fall des Vorsatzes (§ 276 III BGB) belegt jedoch die Notwendigkeit der Abgrenzung von Vorsatz (mit dolus eventualis als niedrigste Vorsatzart) zur groben Fahrlässigkeit96. Im Fall des Vorliegens eines dolus eventualis hält der Schädigende die Tatbestandsrealisierung für möglich und nimmt die damit verbundenen Folgen billigend in Kauf97. Für den Fall grober Fahrlässigkeit (vgl. § 277 BGB), die eine besonders schwere Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraussetzt, besteht das wesentliche Abgrenzungskriterium zum dolus eventualis darin, dass der Schädiger hierbei die Folgen zwar für möglich hält, jedoch auf das Nichteintreten im Sinne eines „wird schon gutgehen“ vertraut98. Die zuletzt noch verbleibende einfache Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn es keine Gründe für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit gibt und man sich im Rahmen des Regelfalles nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB befindet99.
Bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes kann im Rahmen einer Individualvereinbarung nach §§ 278 S. 2, 276 Abs. 3 BGB die Haftung für eingeschaltete Erfüllungsgehilfen abbedungen werden. Auf die AGB-rechtlichen Grenzen wird später näher einzugehen sein.
Wie bereits erläutert nutzt das CISG die Möglichkeiten der Haftungslimitierung durch das Ansetzen eines Verschuldenserfordernisses genauso wenig (sog. Garantiehaftungsmodell) wie weitere Kausalitätshürden und setzt deshalb einschränkend im Bereich der Vorhersehbarkeit des Schadens an100.
94 NK-Dauner-Lieb, § 276 Rn. 4; BAMBERGER/ROTH-Unberath, § 276 Rn. 5.