Nun könnte man argumentieren, dass eine unbegrenzte Haftung dem gesetzlichen Leitbild entspreche und somit Haftungsbeschränkungen an sich für unzulässig erklärt werden sollten. Allerdings bildet der Gedanke der Privatautonomie einen wesentlichen Baustein der deutschen Rechtsordnung und erlaubt, in gewissen Grenzen, vertragliche Risiken zu begrenzen. Dabei kann die Haftungsbeschränkung nicht nur vom Individuum, sondern explizit auch vom Gesetzgeber eingeräumt worden sein (vgl. nachfolgende Kapitel).
111 Ebenso, mit dem Hinweis, dass AGB-feste Klauseln wie eine Beschränkung auf den vertragstypischen vorhersehbaren Schaden bereits mangels rechnerischer Kalkulierbarkeit diesem Erfordernis nicht Genüge tun: Kessel, AnwBl 4/2012, S. 293ff. (293). Ansonsten eine Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG bejahend: Graf v. Westphalen, BB 2013, S. 67ff. (68, 69). Ebenfalls das Risiko des Vorwurfs von Sorgfaltspflichtverletzungen sehend: Leuschner, NJW 2016, S. 1222ff. (1223). Aus praxisorientierter Sicht verschiedener Anlagenbauer wie SIEMENS oder SMS Demag: Voight, Risikomanagement im Anlagenbau, S. 91, 138. 112 Zum Meinungsstand von Rechtsprechung und Literatur vgl. m.w.V.z.B. ULMER/HABERSACK/WINTER-Paefgen, § 43 Rn. 52ff.; MICHALSKI-Haas/Ziemons, § 43 Rn. 75c. 113 ULMER/HABERSACK/WINTER-Paefgen, § 43 Rn. 52; MüKo/GmbHG-Fleischer, § 43 Rn. 66; MICHALSKI-Haas/Ziemons, § 43 Rn. 68f.. 114 ULMER/HABERSACK/WINTER-Paefgen, § 43 Rn. 70f.; SCHOLZ-Schneider, § 43 Rn. 93; i.E. zustimmend, aber differenzierend: MüKo/GmbHG-Fleischer, § 43 Rn. 94f.; a.A. ROWEDDER/SCHMIDT-LEITHOFF-Koppensteiner/Gruber, § 43 Rn. 18. 115 Auf die Risikoneigung der Gesellschafter abstellend: MüKo/GmbHG-Fleischer, § 43 Rn. 75. 116 ULMER/HABERSACK/WINTER-Paefgen, § 43 Rn. 71. 117 SCHOLZ-Schneider, § 43 Rn. 94; MüKo/GmbHG-Fleischer, § 43 Rn. 94; MICHALSKI-Haas/Ziemons, § 43 Rn. 77b. 118 Statt vieler zur Üblichkeit von Haftungsbeschränkungsklauseln in AGBs im B2B-Geschäft: Niebling, Allgemeine Geschäftsbedingungen – Allgemeiner Teil/Grundlagen, S. 127; MÜNCHNER VERTRAGSHANDBUCH Bd. 2/I-Kratzsch, S. 384 (Rn. 63); zur praktischen Bedeutung des Risikomanagements und dessen Handhabung aus Sicht des Unternehmensjuristen: Hagel, SchiedsVZ 2011, S. 65ff. (65ff.); Lischek/Mahnken, ZIP 2007, S. 158ff. (158). 119 Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1234). 120 Vereinfachend wirkt z.B. die vertragliche Verschuldensvermutung nach § 280 I S. 2 BGB im Vergleich zur Beweispflicht des Geschädigten für das Verschulden des vorgelagerten Unterlieferanten/Herstellers bei gesetzlichen Ansprüchen nach § 823 BGB. Daneben existieren auch praktische Erleichterungen, weil der Geschädigte davon ausgehen kann, dass sein unmittelbarer Vertragspartner zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehung eher geneigt sein dürfte, bei der Aufklärung und zügigen Schadensabwicklung zu unterstützen. 121 Argumentationsansatz ist, dass derjenige, der die Vorteile arbeitsteiligen Handelns nutzt, auch die damit einhergehenden Risiken mitzutragen habe, vgl. NK-Dauner-Lieb, § 278 Rn. 1. Zur Einstufung selbständiger Unternehmer als Erfüllungsgehilfe siehe auch NK-Dauner-Lieb, § 278 Rn. 5. Zu beachten ist, dass dies je nach Schadensart und eigener schuldhafter Pflichtverletzung des B unterschiedlich zu beurteilen ist, vgl. BGH, Urt. v. 02.05.2014 – VIII ZR 46/13. Allerdings ist der vorhandene Betrachtungsgegenstand auf Wertschöpfungsketten mit komplexen Fertigungsgütern fokussiert, bei denen – nach eigener Erfahrung des Verfassers – hohe Anforderungen durch über die gesamte Lieferkette hinweg verpflichtende Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) bestehen, die sehr konkrete Vorgaben zu Verantwortungsübernahmen für Zulieferanten, Ein- und Ausgangskontrollen, Materialzertifizierungen, lfd. Qualitätsprüfungen und Nachweisdokumentationen beinhalten. Hierdurch wird ein vom Zulieferanten defekt geliefertes Produkt kaum ohne eigene schuldhafte Pflichtverletzung des Abnehmers bis zum Endkunden gelangen können.
F. Zwischenfazit
Nachdem einige wesentliche Grundprinzipien der Haftung und die rechtshistorische Entwicklung weg von der unbeschränkten Haftung hin zur Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung kurz angerissen wurden, stellt sich die Frage, welche gesetzlichen und vertraglichen Grenzen diesen Prinzipien gesetzt sind bzw. durch Parteivereinbarung gesetzt werden können. Es geht also darum, das rechte Maß vertraglicher Haftungsbeschränkungen aus dem bestehenden gesetzlichen Leitbild und dem derzeitig zugelassenen Abweichungsspielraum als Ausdruck der Vertragsfreiheit abzuleiten.
A. Schranken der Schadenszurechnung
Grundsätzlich existieren also nach dem Grundsatz der Totalreparation keine Ausschlüsse oder Zumutbarkeitsschwellen für einzelne Schadensarten122. Dem damit verbundenen Risiko, eine „unendliche Haftungskette“123 zu generieren, wird – außerhalb des CISG124 – dogmatisch im Bereich der Kausalität, d.h. der Zurechnung der Schadensverursachung, durch verschiedene Theorien begegnet:
Die an die Äquivalenztheorie anschließende Adäquanztheorie rechnet Schäden, welche auf gänzlich unwahrscheinliche Kausalverläufe zurückzuführen sind, nicht dem Schädiger zu125. Es handelt sich somit, vereinfacht ausgedrückt, um eine auf einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung beruhenden Bewertung der Gesamtumstände126. Wie bereits oben dargestellt, liegen Folgeschäden bei komplexen technischen Projekten jedoch nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, sondern sind geradezu typisch127.
Auch die hierauf folgende wertende Schranke, die Schutzrechtslehre (auch Schutzzwecklehre genannt), welche auf den Schutzzweck der verletzten Norm und eine fehlende Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos abstellt128, geht fehl. Denn bereits aus dem Inhalt und Zweck eines Exportvertrages lässt sich in aller Regel die Bedeutung des Liefergegenstandes für den Käufer herauslesen: Insbesondere im Anlagenbau ist es üblich, die zu liefernden (Einzel-)Komponenten auf die (Gesamt-)Anlage oder anschließende Prozesse abzustimmen – und sei es durch die Angabe des beabsichtigten Verwendungszweckes oder nur konkludent durch die Definition von Schnittstellen und Übergabeleistungen129. Die zumeist explizit vorhandenen Gewährleistungspflichten und Garantiezusagen konkretisieren die Schadensvermeidungspflicht für Folgeschäden nur noch130.
Grundsätzlich findet auf dieser Zurechnungsebene also keine generelle Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Schäden statt131. Auch mittelbare Schäden unterliegen in aller Regel in dem hier gewählten Betrachtungsfeld keinen Beschränkungen.
122 Zum Stand der Diskussion aus verfassungsrechtlicher Sicht siehe MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 14f.. 123 Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2454). 124 MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 25. 125 NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 66; PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 26; MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 104ff.. 126 NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 66f.. Die Eingliederung in ein (kombiniertes) Schutzzweckmodell befürwortend: MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 114. 127