Um vier Uhr früh öffnet der Wegerich seine Blüten. Ein Stündchen später ist dann der Löwenzahn an der Reihe, ihm leisten Mohn, Gänsedistel und Habichtskraut Gesellschaft. Die meisten Blüten aber haben im Sommer ihren Morgenappell zwischen sieben und acht Uhr, zu anderen Jahreszeiten entsprechend später. Das gilt für den Hahnenfuß, den Ackergauchheil, den Gartenlattich, das Steinkraut und sogar für die Kartoffel. Gäbe es die Langschläfer nicht, könnten uns die Blumen die weitere Zeit des Tages nicht verraten. Steinnelke und Ringelblume lassen sich bis neun Uhr Zeit. Weil sie prallen Sonnenschein brauchen, erwachen Lilien und Eisenkraut (Verbena) um zehn Uhr, die Küchenschelle und die Bibernelle um elf Uhr und die Herbstzeitlose erst um zwölf Uhr. Erst am Abend gegen zwanzig Uhr beginnt das Leimkraut zu blühen, gegen 21 Uhr die Kuckuckslichtnelke. Punkt acht Uhr am Abend öffnet der berühmteste, allerdings nur selten zu beobachtende Nachtschwärmer seine wunderschöne Blüten – die Königin der Nacht. Ebenfalls nachtblühend sind Taubenkropf und Storchenschnabel, die von Nachtfaltern aufgesucht werden.
Karl von Linné, der große schwedische Botaniker, auf den die Nomenklatur der Pflanzen zurückgeht, schuf in seinem Garten die „Blumenuhr“, die sich allerdings nach der Sonne richtet: Die Blumen, die sich zu verschiedenen Stunden öffnen und schließen, werden in der Reihenfolge und in der Form eines Zifferblattes gepflanzt. Nach ihrem Aufblühen kann man die Zeit ablesen.
Einen verlässlichen natürlichen Wecker, der sogar ohne Sonnenschein auskommen kann, liefern uns die Vögel. Ihr Gesang verrät frühmorgens die Zeit.
Neben der Nachtigall können auch andere Vögel den Tag nicht erwarten und lassen sich schon lange vor Morgengrauen vernehmen. Dazu gehören der Gartenrotschwanz (4 Uhr), der Hausrotschwanz (4.30 Uhr) und die Lerche (4.40 Uhr9. Wenn es dann richtig dämmert, singen Kuckuck und Amsel (4.50 Uhr), Buchfink und Kohlmeise (5.00 Uhr), Goldammer, Zaunkönig und Singdrossel (5.10 Uhr), Blaumeise, Rotkehlchen, Zilpzalp und Fitislaubsänger (5.20 Uhr). Mit Beginn der Helligkeit fangen Girlitz und Mönchsgrasmücke (5.30 Uhr), Zaungrasmücke (5.40 Uhr) und Grünfink (5.50 Uhr) an zu singen. Zeigt sich die Sonne, stimmen Spatz und Distelfink (6.00 Uhr) in den Gesang ein.
Der Hahn war für unsere Vorfahren nicht nur Wetterprophet, er war auch der pünktliche Wecker, nach dem der Bauer sein Tagewerk einteilte. Frühmorgens um drei Uhr kündet der Hahn den nahenden Tag an. Dann kräht er jede Stunde so pünktlich und zuverlässig, dass man annehmen könnte, schon seit Jahrtausenden wäre die Tageszeit nach seinem Krähen eingeteilt worden. Beim zweiten Hahnenschrei im Hochsommer stand der Bauer auf, beim ersten schon der Großknecht auf dem Hof. Der Hahn war auf dem Dorf der beliebteste Begleiter der Frühaufsteher, und die Wanderer zogen in die Welt hinaus: „Frühmorgens, wenn die Hähne krähn, ziehn wir zum Tor hinaus.“
Als Regenkünder zeigte sich der Hahn, wenn er „zu ungewöhnlicher Zeit“ krähte: „Wenn der Hahn nicht zur rechten Stund kräht, weint Petrus.“
WENN FRÖSCHE QUAKEN
Alljährlich im Frühjahr wiederholt sich das gleiche traurige Schauspiel, wenn die zu ihren angestammten Laichplätzen wandernden Kröten und Grasfrösche beim Überqueren der Straßen totgefahren werden. Die Wanderung findet fast ausschließlich nachts statt. Ein bestimmter Dämmerungsgrad – Ende März erst um 19.20 Uhr, Anfang März eine halbe Stunde später – löst die Wanderung aus. Wenn es um diese Zeit über fünf Grad Celsius warm ist und es noch regnet, wagen sich viele Kröten und Frösche gleichzeitig aus dem Wald ins offene Gelände hinaus, und wenn sie dabei eine Autostraße überqueren müssen, werden sie – jedes Jahr an der gleichen Stelle – zu Hunderten Opfer des Straßenverkehrs. Der bestimmte Laichplatz ist für die Erdkröte der wichtigste Punkt ihrer Existenz.
Erinnerungen werden wach, wenn wir an das „Märchen vom Froschkönig“ denken. Im richtigen Leben können Frösche und Kröten sich nicht wie im Märchen in Prinzen verwandeln, um die Sympathie der Menschen zu gewinnen. Im Mittelalter wurden sie als Teufelswesen verdammt und zu geheimnisvollen Salben und Tinkturen verarbeitet. Vor allem die Kröte galt in den volkstümlichen Vorstellungen unserer Vorfahren als Unglücksbringer. Sie war das verfluchte Tier schlechthin, das Tier der Schatten, das Tier des Satans, der sich den Menschen häufig in dieser „hässlichen“ Gestalt präsentierte. Das Bild von der „hässlichen Kröte“, vor der man sich „ekelte“, ist zum Teil bis in unsere heutige Zeit erhalten geblieben.
Die Kröte war zum einen wichtiger Bestandteil der unheilvollen Absude und Tränke der Hexen, zum anderen aber auch – und das seit frühesten Zeiten bis nach der Jahrhundertwende um 1900 – bedeutsam für die Behandlung von Rheuma oder Geschwüren. Man band sie lebend auf das erkrankte Körperteil. Zur Fieberbekämpfung schloss man sie in einem kleinen Säckchen ein, das man um den Hals trug.
Den Fröschen ging es bei uns ganz besonders „an den Kragen“: Sie galten als Delikatesse in der Landbevölkerung. Noch vor etwa fünf/sechs Jahrzehnten hat man die Teich – und Wasserfrösche im Frühjahr zur Zeit der Laichwanderungen massenhaft gefangen, ihnen bei lebendigem Leibe die Schenkel ausgerissen, um sie zu verspeisen. Der obligatorische Feuerlöschteich im Dorf war immer der Froschteich. Hier vor allem trieb man das grausame Spiel.
Heute stehen alle Frösche und Kröten unter Schutz; trotzdem werden die Froschlurche immer seltener, und manche Arten verschwinden sang- und klanglos: „Froschkonzerte“ gehören der Vergangenheit an. „Wo Frösche sind, da sind auch Störche“, heißt es in einem alten Sprichwort. Das war einmal! Und da im Volksglauben „der Storch die kleinen Kinder bringt“, muss man sich nicht wundern, dass die Geburtsrate bei uns so niedrig ist.
Seiner leuchtend smaragdgrünen Hautfarbe und seines „netten“ Gesichtsausdrucks wegen war der Laubfrosch früher der Liebling unter den Fröschen. Der Klettermaxe rutscht auch auf glatten Fensterscheiben nicht ab und springt mit einzigartiger Geschicklichkeit durchs Blättergewirr. Als Wetterpropheten siechten früher unzählige Laubfrösche in Einweckgläsern vor sich hin. Ein Leiterchen war die einzige Ausstattung. Das Geheimnis ihrer Wetterfühligkeit ist einfach zu lüften: Sie stiegen in die Höhe, wenn es ihnen im engen Behälter zu heiß wurde und sie unten keine Luft mehr bekamen. Dann sollte „schönes“ Wetter kommen. Blieben sie im Glas unten sitzen, sollte Regen im Anmarsch sein. Und eine alte Bauernregel besagt: „Wenn im Mai Laubfrösche knarren, magst du wohl auf Regen harren.“
Das Verhalten der Frösche und Kröten spielte bei unseren Vorfahren als Wetterprophezeiung eine große Rolle. Besonders im Frühjahr, wenn Frösche und Kröten als „Frühaufsteher“ aus ihrer Winterstarre erwachten, wurden diese Amphibien als Wetterkünder angesehen, wobei häufig zwischen Fröschen und Kröten kein Unterschied gemacht wurde. Dies beweist auch die Redensart „einen Frosch im Hals haben“, vielfach bei uns abgewandelt „eine Kröte (Krott) im Hals haben“, wenn einer heiser spricht und nur noch „quaken“ kann.
Unsere Vorfahren aber bauten auf die „Wetterfühligkeit“ der Kröten und Frösche ihre Wetterregeln auf: „Wenn die Frösche des Morgens und die Laubfrösche des Nachts sehr quaken, wenn die Kröten hervorkriechen, so deutet dies auf Regen und Ungewitter.“ Auch soll es Regen geben, „wenn Salamander, Kröten und Frösche eine trockene Haut haben“. Die „Regenregeln“ werden fortgesetzt: „Wenn die Kröten fleißig laufen, wollen sie bald Wasser saufen“. „Sieht man Molche beim Mähen, so gibt es Regen.“ „Frösche auf Stegen und Wegen, deuten auf baldigen Regen.“
Schönes Wetter aber wird angesagt, wenn die Frösche nachts quaken: „Quaken die Wasserfrösche bis tief in die Nacht, so folgt trockenes Wetter danach.“ „Wenn die Frösche im Frühling gegen den Abend quaken und schreien, so verkünden sie ein warm und trocken Wetter.“
Auf alle Fälle ist „der Frösche Lied himmlisch“, denn „Frösche sprechen vom Frühling“. Und Frösche können auch das Wetter des Sommers voraussagen: „Viele Frösche im Frühling,