Ein kunterbunter Streifzug durch den Jahreskreis. Dieter Kremp. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dieter Kremp
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Год издания: 0
isbn: 9783960085560
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Volksmund auch heißt, werden die Stämme mit der Zeit hohl. Zwischen den Aststummeln sammelt sich auf ihren „Köpfen“ Regenwasser. Im Winter gefriert es und reißt den Stamm auf. Das weiche Weidenholz wird morsch, Vertiefungen entstehen. Blätter fallen hinein und vermodern. Baumpilze siedeln sich an. Auch immergrüne Misteln bohren sich in den Stamm und fühlen sich als Halbschmarotzer hier „sauwohl“.

      Die Vögel finden in der rissigen Weidenrinde viele Raupen und Insekten. Auf einer Kopfweide können die Raupen von 25 verschiedenen Schmetterlingsformen leben, 183 Insektenarten und all jene Vogelarten, die in Höhlen brüten. In alten, mehrfach geköpften Weidenstämmen entstehen viele Höhlungen, die je nach Größe von Gartenrotschwanz bis zum Turmfalken benutzt werden.

      Auch Fledermäuse richten sich hier ein Zuhause ein, Iltisse, Steinmarder und Siebenschläfer. Je mehr die Kopfweide von innen heraus abstirbt, um so mehr Tiere finden ihren Unterschlupf darin. Bei den Kopfweiden wird deutlich, wie Leben und Tod ineinander übergehen. Somit war sie auch gleichzeitig zwei Göttinnen geweiht: Demeter, die antike Göttin der Ähren, des Wachstums und der Fruchtbarkeit wohnte im Weidenbaum, und manchmal tauchte ihre Tochter Persephone auf, die Göttin des Todes und der Wiedergeburt.

      Die gekrümmten Gestalten, in zottige Fetzen gehüllt, mit aufgedunsenen Köpfen und wild zu Berge stehenden Haaren haben schon so manchem Wanderer einen furchtbaren Schrecken eingejagt. Zur Zeit der Hexenverfolgungen wähnte man unter den Weiden die Hexen, denn jeder wusste, dass diese ihre Zauberbesen mit Vorliebe aus den Ruten der Weiden fertigten. Die Kopfweide war der Hexenbaum.

      Die knorrigen Kopfweiden sind meist geköpfte Silberweiden (Salix albe). Ihre biegsamen Ruten werden gewässert und auch heute noch zum Flechten verwendet. Mit ihrem recht weichen Holz brachte es die Silberweide nur zu bescheidenem Ruhm: es waren daraus Holzschuhe, Kricketschläger und Zündhölzer hergestellt. Doch früher machten sich die Weiden auch anders nützlich: Schafe, Ziegen und Pferde wurden „zu den Weiden getrieben“. Nachdem die Bäume kahlgefressen waren, wuchsen sie mit unbändiger Kraft wieder nach. Aus den größten ausgehöhlten Baumstämmen wurden Backtröge.

      Warum so viele Kopfweiden früher entlang von Wiesengräben standen? Unsere Vorfahren zersägten hier Weidenäste und schlugen sie als Zaun ein. Wo der Untergrund feucht genug war, schlug der „Weidenzaun“ Wurzeln. Aus Pfählen wurden Bäume! Die Weide liebt das Wasser und einen nassen Fuß.

      Heute erlebt die alte Kopfweide eine Renaissance. Im Zuge der Renaturierung von Bächen wird sie verstärkt wieder an Bachufern gepflanzt, ökologisch doppelt wirksam: Mit ihren Wurzeln hält sie die Uferböschung zusammen, im Alter „geköpft“ wird sie zu einem Eldorado für Tiere.

      Winterarbeiten unserer bäuerlichen Vorfahren

      Zu den bäuerlichen Winterarbeiten unserer Vorväter gehörten früher neben dem Flechten von Körben, Stühlen und Kuchendeckeln und dem Binden von Besen auch das Herrichten des Geschirrs und der Zugseile, das Ausbessern der Wagen und Wagenräder, das Schärfen der Äxte und Beile und das Anspitzen der Bohnenstangen. Das Besenbinden war eine der wichtigsten Winterarbeiten auf dem Bauernhof. In der Regel begann die Arbeit des Bindens von Besen am letzten Donnerstag im November, das konnte der Katharinentag sein. Die Arbeiten erstreckten sich über den ganzen Winter.

      Unsere Vorfahren kehrten mit Besen („Hexenreisern“) die Winterunholde, bösen Geister, Hexen und Dämonen aus dem Haus, und der gesellig wachsende Besenginster war im Mittelalter ein wirksamer Schutz gegen Hexerei. Seine harten, zweigähnlichen Stängel wurden auch als Kaminbesen genutzt, wodurch verständlich wird, dass die Hexen nach dem endgültigen Sieg des Frühlingsgottes über die Mächte der Finsternis auf einem Besen reitend das Haus durch den Schornstein verlassen: Hexennacht – Walpurgisnacht.

      Bei den mexikanischen Indianern wurden aus den gelben Blüten des Besenginsters aphrodisierende Liebestränke gekocht. Die Yaqui-Zauberer stellten aus der Samenkapsel einen Trank her, der ihnen die Möglichkeit gibt, wahrzusagen, in die Vergangenheit und Zukunft zu reisen und ihre Heilkräfte zu stärken. In sexualmagischen Zirkeln werden Ginsterblüten mit Hanf vermischt als Aphrodisiakum geraucht.

      Einzelne Besenruten lagen früher auf dem Küchenschrank und die Buben hatten einen Heidenrespekt davor. Das war der Schlagbesen des Vaters, der damit den Ungehorsam der Kinder bestrafte. Doch die strafende Rute des Nikolaus war ursprünglich das Reis, das Symbol der Fruchtbarkeit, durch dessen Berührung mitten im Winter die Hoffnung auf das Licht der Sonne wachgerufen wurde: Das Reis war die Lebensrute.

      Das früher geflügelte Wort aus dem deutschen Sprachschatz stammt aus Freidanks „Spruchdichtesammlung“ (um 1230), betitelt „Bescheidenheit“: „Der niuwe beseme kert vil wol, e daz er stoubes werde vol“: „Der neue Besen kehrt sehr wohl, eh dass er Staubes werde voll.“ Daraus wurde das sprichwörtlich gebrauchte „Neue Besen kehren gut“. Der Besen, das „Zusammengebundene“, war der „Staubsauger“ unserer Vorfahren.

      Auf den Bauernhöfen standen früher neben den Obstgärten gewöhnlich an den Grenzen zu den Nachbargrundstücken so genannte „wilde“ Bäume: Birken zur Erlangung der nötigen Besenreiser, ein paar Weiden für Körbe, Stühle, Mulden, Schippen und Tröge, dazu Eschen, die jährlich geköpft wurden, so dass man die schlanken Zweige binden und zum Trocknen an Zäunen aufrichten konnte. Im Winter wurden sie den Schafen auf die Hilte gegeben. Die Tiere fraßen Blätter, kleine Zweige und die Rinde. Von den dicken Astteilen nagten sie den Bast ab. Mit diesen angenagten Ästen wurden Zäune repariert und gebaut. Zwei bis drei Eichen standen auf dem Hof. Sie gaben Futter für die umherlaufenden Schweine. Schließlich gab es da noch den Walnussbaum und den Holunderstrauch, letzterer dicht an der Hauswand zur Abwehr von winterlichen Dämonen, von Gewittern und zur Bereitung von heilenden Wintertees.

      Ferne Erinnerungen an Groß- und Urgroßvaters Zeiten werden wach, Erinnerungen an die heimelige Atmosphäre in der gemütlich warmen Besenbinderstube. In mehreren Reihen lagen dicke Birkenreiser-Bündel mit Ruten verschiedener Länge auf den Dielen. Im November wurden die Besenreiser draußen geschnitten, an Ort und Stelle die abstehenden Seitentriebe um die innere Rute aufgedreht und die Nebenästchen am Reiseranfang ausgeputzt. Über Winter wurden die Besenreiser auf dem Speicher getrocknet.

      Am besten waren Reiser von sieben- bis achtjährigen Birken, weil sie noch schlanker und biegsamer sind als Ruten von älteren Bäumen. Diese sind meist zu storzig und brechen leichter. In der Besenbinderstube wurden die Reiser der Länge nach sortiert. In jede Hand kamen sieben lange Ruten, wurden nach unten fest zusammengedreht, über dem Knie mit einem Ring gespannt, die beiden Bündeln überkreuzt und zum „Geißfuß“ zusammengesteckt. Weitere Ringe aus Draht oder Seil – sechs bis sieben an der Zahl – wurden nach und nach um die gedrehten und gespannten Reiserbündel gesetzt. In einem der mittleren Ringe steckte man dann kürzere, etwas angespitzte Ruten rundum ein, bis der Besen eine bestimmte Handlichkeit hatte und die Kehrseite „bauschig“ wurde. Der Griff wurde „bündig“ geschnitten, noch vorhandene Stielreste glatt abgeschnitten, damit die Finger beim Kehren nicht aufrissen. Zum Schluss wurden die überstehenden Rutenspitzen an der bauschigen Kehrseite des Besens abgeschnitten.

      Für die Herstellung der Besenringe haben früher die Besenbinder keinen Draht verwandt – der war zu teuer – sondern „Hassele-Stecke“ (Haselstrauch), die „Scheenstecke“. „Hassele“ waren etwa 1,50 m lang und so dick wie Flaschenköpfe. Die „Stecke“ wurden am Ende eingekerbt, von den Kerben aus die Rinde in ½ cm breiten Riemen (Schalen oder Schienen) abgeschält. Die abgeschälte Rinde war das Flechtmaterial für das Zusammenbinden der Besenreiser.

      Jeder Hof hatte früher ein ganzes Sortiment von Besen, zumeist aus Birkenreisern gebunden. Seltener waren Strohbesen, ganz selten Ginsterbesen. Letztere waren kurz und mit einem Stock versehen.

      Die Besen fanden eine vielfältige Anwendung. Die Häuser wurden gekehrt, der Stall, der noch ungepflasterte Hof, die Scheune, die Wege, der Misthaufen, Laub im Herbst und Schnee im Winter.

      „Nichts wurde unter den Tisch gekehrt“ bei unseren Vorfahren. Doch den „Dorfbesen“ gab es überall. Doch auch diese Zeiten sind längst vergangen. „Damals auf dem Dorfe war vieles anders.“^