Würde die Transaktionskomplementarität nicht berücksichtigt und würde stattdessen die Marktabgrenzung bei einer einzelnen Komponente des Bündels ansetzen, dann bestünde die Gefahr einer zu engen Marktabgrenzung. Würde der Preis einer Komponente erhöht, die Preise der anderen Komponenten jedoch konstant gehalten, dann würden die Konsumenten nicht unmittelbar auf Substitute ausweichen. Anders ausgedrückt: Die Preiselastizität der Nachfrage nach den einzelnen Komponenten innerhalb des Bündels ist geringer als die Preiselastizität der Nachfrage nach dem Bündel. Dies liegt daran, dass die Konsumenten in der Regel die Wirkung der Preiserhöhung einer Komponente auf den Gesamtpreis betrachten. Ist der Anteil des Preises dieser Komponente jedoch im Verhältnis zum Preis des gesamten Bündels gering, dann wird die Preiserhöhung zu keinem erheblichen Nachfragerückgang führen. Man würde daher vermuten, dass aufgrund der geringen Nachfragereduktion den Konsumenten keine Ausweichmöglichkeiten offenstehen und würde einen eigenständigen relevanten Markt für diese Komponente abgrenzen. Würde man jedoch weitere Komponenten aus dem Bündel in die Betrachtung einbeziehen, dann würde die Preiselastizität der Nachfrage zunehmen. Dies liegt daran, dass andere Bündel zunehmend attraktiver werden. Dies unterscheidet sich von dem Fall ohne Transaktionskomplementarität, bei dem mit zunehmender Zahl von Produkten die Preiselastizität der Nachfrage sinkt. Dies macht deutlich, dass die Nichtberücksichtigung einer Transaktionskomplementarität in der Regel zu einer zu engen Marktabgrenzung führt.
Das Konzept des Sortimentsmarktes wird in der wirtschaftstheoretischen Literatur jedoch auch heftig kritisiert, da derartige Bündel Güter und Dienstleistungen enthalten, zwischen denen keine Angebots- oder Nachfragesubstitution besteht. Sortimentsmärkte könnten daher höchstens zur Vereinfachung der Analyse herangezogen werden. So muss keine große Anzahl separater Märkte z.B. für verschiedene Pflege- oder Bankdienstleistungen definiert werden, wenn die Marktanteile und die Marktzutrittsbedingungen für jede Dienstleistung ähnlich sind oder wenn bei fehlenden Daten z.B. die Zahl der Krankenhausbetten als Grundlage für die Ermittlung der Marktanteile herangezogen wird. Sortimentsmärkte können jedoch zu fehlerhaften Einschätzungen führen, wenn der Wettbewerb von Anbietern eines Teils der Produkte den Preissetzungsspielraum der Anbieter beschränkt, die das gesamte Bündel anbieten.123
ι) Zweiseitige Märkte
Wendet man den hypothetischen Monopolistentest auf zweiseitige Märkte an, so ist zu berücksichtigen, dass sowohl die absolute Preishöhe als auch die Preisstruktur, d.h. die Preise, die von den jeweiligen Marktseiten erhoben werden, bei der Beurteilung einer profitablen Preiserhöhung von zentraler Bedeutung sind. Es stellt sich die Frage, was bei einem zweiseitigen Markt unter einer kleinen, aber signifikanten und nicht nur vorübergehenden Preiserhöhung verstanden werden soll. In diesem Zusammenhang sind mehrere Möglichkeiten denkbar: Eine Preiserhöhung des Gesamtpreises ohne Änderung der Preisstruktur oder eine optimale Erhöhung des Gesamtpreises mit oder ohne Anpassung des anderen Preises.124
In diesem Zusammenhang wurde vorgeschlagen, zwischen zweiseitigen Märkten mit beobachtbaren Transaktionen (wie z.B. bei Zahlungen mit Kreditkarten oder anderen Zahlungssystemen) und solchen mit nicht beobachtbaren Transaktionen (wie z.B. werbefinanzierten Medien) zu unterscheiden. Im ersten Fall ist es sinnvoll, den Gesamtpreis zu erhöhen und gleichzeitig die Preisstruktur optimal anzupassen. Im zweiten Fall wäre die Erhöhung eines Preises bei Anpassung des anderen vorzuziehen, da bei einer solchen sequentiellen Vorgehensweise die Substitutionsmöglichkeiten der Konsumenten besser berücksichtigt werden können.125 Ungeachtet der beiden unterschiedlichen Markttypen wird eine Preiserhöhung zu Wechselwirkungen zwischen den Nachfragergruppen führen, die eine solche Maßnahme unprofitabel machen können. Diese Effekte müssen bei der Anwendung des hypothetischen Monopolistentests berücksichtigt werden. Weiterhin muss in Rechnung gestellt werden, dass Konsumenten auf Substitute ausweichen werden, die entweder von anderen Plattformen oder von „einseitigen“ Unternehmen angeboten werden.126 In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, dass beide Marktseiten berücksichtigt werden. Die Wechselwirkungen zwischen den beiden Nachfragergruppen können so erheblich sein, dass das Substitutionsverhalten einer dieser Gruppen bereits ausreicht, um eine solche Preiserhöhung unprofitabel zu machen. Es kann jedoch auch der Fall eintreten, dass eine Preiserhöhung sich erst dann als unprofitabel erweist, wenn das Substitutionsverhalten beider Nachfragergruppen in Rechnung gestellt wird.
Noch problematischer ist eine Marktabgrenzung in Situationen, in denen die Nutzer auf einer Marktseite die Leistungen unentgeltlich, d.h. zu einem Preis von Null, erhalten, wie das beispielsweise bei Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken der Fall ist.127 Hier ist nicht klar, wie der hypothetische Monopolistentest sinnvoll angewandt werden kann – eine Preiserhöhung von 5 % bis 10 % eines Preises von Null ist ebenfalls Null. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass eine Marktabgrenzung mittels des hypothetischen Monopolistentests preisbasiert ist – dadurch bleiben andere Dimensionen des Wettbewerbs, wie z.B. die Qualität, die Breite des Angebots oder die Innovationstätigkeit, unberücksichtigt. Alternative Vorschläge zur Marktabgrenzung in zweiseitigen Märkten mit unentgeltlichen Leistungen stellen allerdings auch keine überzeugenden Lösungen dar. Hier ist beispielsweise der SSNIC-Test (Small but Significant Nontransitory Increase in Cost) zu nennen, bei dem nicht der Preis erhöht wird, sondern andere Kosten für den Nutzer, wie z.B. eine größere Werbefläche oder eine längere Darstellung der Werbung.128 Alternativ wurde der SSNDQ-Test (Small but Significant Non-transitory Decrease in Quality) vorgeschlagen, bei dem die Qualität des Angebots reduziert wird.129 Allerdings ist Qualität nur schwer zu messen und ist häufig subjektiv. Außerdem ist nicht klar, wie eine Veränderung in der Qualität des Ergebnisses einer Suchanfrage quantifiziert werden könnte. Zudem stellt sich bei allen genannten Tests das Problem der Datenverfügbarkeit. Diese Vorschläge, auch wenn sie auf konzeptioneller Ebene ökonomisch sinnvoll sein mögen, sind daher in der Praxis äußerst schwierig umzusetzen.
Insbesondere in der digitalen Ökonomie ist seit einigen Jahren eine Entwicklung zu verzeichnen, die es schwer macht, klar definierte traditionelle Märkte zu identifizieren, auf denen mehr oder weniger homogene Güter wie Zement, Glas oder Stahl gehandelt werden. Digitale Unternehmen haben ihre Angebote zu ganzen „Ökosystemen“ ausgebaut, die eine Vielzahl von komplementären Produkten umfassen. Diese Unternehmen haben ein Interesse daran, Kunden in ihrem Ökosystem zu halten und zu verhindern, dass sie zu einem anderen System wechseln. Häufig gibt es verschiedene Ökosysteme, in denen Plattformen mit Produktbündeln konkurrieren, wie z.B. bei den Betriebssystemen für intelligente mobile Geräte und den jeweiligen App-Stores. A priori ist dies nicht notwendigerweise problematisch, denn es lässt sich zeigen, dass unter bestimmten Bedingungen der Wettbewerb zwischen Unternehmen, die mit Produktbündeln konkurrieren, intensiver sein kann, als wenn die Unternehmen ihre Produkte jeweils separat anbieten würden.130 Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass unter anderen Bedingungen der Wettbewerb durch solche Bündelungs- und Kopplungsstrategien verringert würde und dass dadurch auch erhebliche Marktzutrittsschranken entstehen.
Im wissenschaftlichen Schrifttum ist vorgeschlagen worden, in der digitalen Ökonomie statt sachlich und räumlich relevanter Märkte im üblichen Sinne einen Markt für die knappe Ressource der Aufmerksamkeit der Nutzer zu definieren.131 In einem solchen Markt konkurrieren alle Arten von Medien um die Aufmerksamkeit der Nutzer und Plattformen agieren dort als „Aufmerksamkeitsbroker“. In Fusionsfällen könnte sich ein solches Marktkonzept als hilfreich erweisen, da viele Zusammenschlüsse als horizontal aufgefasst werden müssen, da sie im gleichen relevanten Markt, dem für Aufmerksamkeit, stattfinden. Andererseits dürfte die Verwendung eines so weit gefassten Konzepts eines relevanten Marktes zu so geringen Marktanteilen der Unternehmen führen, dass selbst Plattformen wie Facebook oder