Das Biest in Dir. Felix Hänisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Hänisch
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783967525793
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erblickte und sein Name der erste, der ihr über die bebenden Lippen kam, als sie entsetzt zu ihm aufsah. Starr blickte er sie mit seinen blaugrauen Augen an, während sein von Schlägen zerbeultes Gesicht gegen eine Wand aus quer und senkrecht verlaufenden Gitterstäben gepresst wurde. Als Nächstes richtete sich ihr Blick auf das riesige Ungeheuer hinter ihm, welches ihren Gefährten an Körperbreite gut um die Hälfte übertraf und dessen raue Stimme bereits zuvor seltsam bekannt in ihren Ohren geklungen hatte.

      »Du«, hauchte sie nur, nachdem ihr bewusst geworden war, um wen es sich handelte. Groß und bedrohlich baute sich einer jener Orks, die Darius und sie damals – kurz nachdem sie sich das erste Mal begegnet waren – am Rande des Albewaldes angegriffen hatten, vor ihr auf.

      »Ja, ich«, grunzte der Ork, diesmal so intensiv, dass man ihn kaum verstehen konnte und sie seine Worte deshalb mehr von den wulstigen Lippen ablesen musste. »Sag mir doch bitte, dass wenigstens du dich an mich und meinen Bruder erinnern kannst, dessen Leben du so kaltherzig genommen hast. Ansonsten sollte ich wohl besser dafür sorgen, dass man mich nicht mehr allzu schnell vergisst«, sprach er hämisch, obwohl seine Worte von einer gewissen Bitterkeit durchdrungen waren.

      Kaum hatte Drug den Satz beendet, drückte er Darius’ Kopf mit einem Ruck noch stärker gegen die Metallstreben, welche die beiden Zellen voneinander trennten. Obwohl der junge Krieger kräftig gebaut war und sich mit aller Macht von dem Gitter wegzudrücken versuchte, versagten seine Muskeln im Angesicht der rohen Stärke des Orks. Ein Hilfe suchendes, schmerzgepeinigtes Aufstöhnen hallte von den Wänden des modrigen Kerkers wider, als sich eine der Querstangen durch seine Stirn zu drücken drohte.

      »Hör auf!«, kreischte Therry und wollte aufspringen, um zu Darius zu Hilfe zu kommen. Doch kaum, dass sie sich erhoben hatte und ihre Beine zum ersten Mal seit Beendigung der Ohnmacht das Gewicht des Körpers aus eigener Kraft tragen mussten, begann sich alles in ihrem Kopf zu drehen. Therry wurde gleichzeitig heiß und kalt, während sie trocken zu würgen begann. Das dumpfe Pochen in ihrer rechten Augenhöhle wurde schlagartig stärker und schwarze Flecken tauchten unvermittelt in ihrem Sichtfeld auf. Schon sank sie wieder in Richtung Boden und erst im allerletzten Moment gelang es ihr, sich mit den Händen abzustützen.

      Auf allen vieren kroch die sonst so stolze Iatas-Kriegerin über die steinernen Fliesen auf ihren Freund zu, während ihr gesamter Körper von der kurzen Anstrengung noch immer bedrohlich zitterte. Nach wie vor galt ihr Auge und all ihre Aufmerksamkeit einzig und allein Darius.

      »Halte durch«, hauchte sie und während ihre Blicke sich kreuzten, konnte Therry spüren, dass ihr eine einzelne Träne über die zerkratzte Wange lief. »Bitte halte durch.« Die letzten Worte gingen jedoch beinahe in ihrem eigenen Schluchzen unter, als der Ork den Druck auf Darius’ Genick ohne eine Spur von Mitleid noch weiter erhöhte und ein erstes unheilvolles Knacken an ihre Ohren drang.

      Der Kopf ihres Gefährten war inzwischen unnatürlich weit nach hinten gebogen, während das Gitter sich weiterhin gnadenlos gegen seine Stirn drückte. Therry überlegte krampfhaft, wie sie ihm, der nur wenige Armlängen vor ihr stand und dennoch unerreichbar war, helfen konnte.

      Drug schien sich indessen bei der Auslebung seiner Rache bestens zu amüsieren, denn wieder ließ er ein hämisches Grunzen vernehmen und bellte: »Sieh dir genau an, was ich mit deinem Bruder mache! Dasselbe erwartet dich, wenn ich dich erst einmal in die Finger bekomme.« Darius’ Augenlider begannen inzwischen wild zu flattern und Blut lief ihm in einem schmalen Rinnsal aus der Nase. Als zudem noch seine Glieder zu erschlaffen drohten, begann Therry haltlos zu weinen. Sie schämte sich ihrer Tränen nicht, geschweige denn dass sie versuchte, sie zurückzuhalten, obschon ihr blindes Auge wie Feuer brannte.

      »Hör auf zu flennen, elende Menschin. Spitz lieber deine Ohren, denn es braucht nur noch einen winzig kleinen Stoß und das Rückgrat deines Bruders bricht entzwei, wie ein morsches Stück Holz!«, kläffte Drug mit gefletschten Zähnen und grinste böse.

      »Nein ...«, wimmerte Therry und ballte ihre Fäuste, bis die Knöchel weiß hervortraten und sämtlicher Wundschorf auf ihren Handrücken wieder aufriss. »Bitte nicht.« Verzweifelt kroch sie auf Händen und Knien über den dunklen Boden auf Darius zu. Ihr ganzes Sein drehte sich einzig und allein darum, ihm irgendwie helfen zu können – auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie das anstellen sollte. Dabei bemerkte die sonst so durchdacht handelnde Kriegern noch nicht einmal, dass sie dem Grüngeschuppten direkt in die Falle ging.

      Innerlich wie äußerlich lachte der Ork auf, als er feststellte, dass sein Plan aufging und ihn nur noch wenige Handbreit davon trennten, den Schopf der einfältigen Menschin zu packen und mit einem Ruck an sich heranzuziehen.

      »Nur noch ein kleines Stück«, flüsterte er, wobei sich seine dicken, ledrigen Lippen, die von länglichen Furchen durchzogen waren, kaum bewegten. Lauter und an die vor ihm im Dreck kriechende Frau gewandt, grunzte er provokativ: »Ich mag eure Gesetze vielleicht nicht kennen, doch acht meiner Männer haben durch die Hand dieses Menschen den Tod gefunden. Ist es euren Ansichten nach etwa nicht recht und billig, dass ich ihn jetzt dafür ebenfalls töte?« Dabei deutete er mit einer kleinen Bewegung an, seine Pranke noch ein Stück weiter in Darius’ Nacken zu drücken, was dieser nicht überleben würde.

      Sichtlich erregt nahm er das erschrockene Aufkeuchen Therrys wahr und fuhr fort: »Und du, du hast meinen Bruder vor meinen Augen ermordet. Entspricht es nicht der Ehre von euch Menschen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten?« Therry hatte keine Ahnung, was er damit meinte und es war ihr auch egal. Das Einzige, was ihr in diesem Moment wichtig erschien, war, dafür zu sorgen, dass Drug weitersprach. Denn solange wie sie ihn am Reden hielt – da war sie sich sicher – würde er das Leben von Darius zumindest vorerst verschonen.

      »Ich habe deinen Bruder nicht ermordet«, erwiderte sie deshalb mit vor Tränen bebender Stimme. Ungeachtet dessen versuchte sie ihren Worten dennoch einen selbstsicheren und möglichst glaubhaften Klang zu verleihen. Innerhalb von nur einem Lidschlag schien sich der komplette nächtliche Kampf, welcher vor etwas über einem Mond zwischen Darius, ihr und den Orks am Rande des Albewaldes stattgefunden hatte, vor dem geistigen Auge der Iatas abzuspielen. »Er hat mich zuerst angegriffen. Ich habe mich nur verteidigt«, sprach sie wahrheitsgemäß und blickte herausfordernd zu ihrem Gegenüber hinauf.

      »Was hat denn das damit zu tun?«, brüllte Drug sichtlich entrüstet über die Dreistigkeit ihres offenbar willkürlich gewählten Argumentes, mit dem sie nicht nur die Ehre seines toten Bruders, sondern auch die eines jeden anderen tugendhaften Orks in den Schmutz zog.

      Just in diesem Augenblick erkannte Therry, dass sie sich getäuscht hatte. Der Versuch, das grüngeschuppte Ungeheuer am Sprechen zu halten, hatte nicht das Geringste genützt.

      »Jetzt stirb endlich, du elendige Made«, war das Einzige, was sadistisch hinter den breiten Hauern hervorkam. Für die Dauer eines Herzschlages konnte die schluchzende Frau in den stechend gelben Augen ablesen, dass sie mit ihrer Rechtfertigung das Leben von Darius verspielt hatte. Hasserfüllt und scheinbar unendlich langsam verzog sich das ohnehin schon hässliche Gesicht des Orks zu einer Grimasse, während er sein gesamtes Körpergewicht in Bewegung zu bringen versuchte.

      Doch dann, urplötzlich, überschlugen sich die Ereignisse. Ein langgezogener, erschrockener Schrei, dicht gefolgt von einem kurzen Aufstöhnen, hallten an den Kerkerwänden wider, ohne dass sich deren Ausgangsort feststellen ließ. Gleichzeitig schien Drug mitten in der Bewegung zu erstarren. Damit jedoch nicht genug. Therry konnte ihrem in Tränen schwimmenden Auge kaum glauben, als sie sah, dass eine unsichtbare Kraft die Klaue des Grüngeschuppten langsam, Stück für Stück, nach hinten zog.

      Drug schien darüber genauso perplex, denn mit einem gegrunzten: »Was zum ...«, wandte er den Kopf und blickte verwirrt auf sein massiges Handgelenk. Erst jetzt fiel Therry auf, dass ein dicker Stahlring daran befestigt war, an dem eine straff gespannte Kette in den hinteren, dunklen Teil der Zelle führte.

      Ihr verbliebenes linkes Auge war, von dem Moment an, da sie den Verband abgelegt hatte, an wenig Licht gewöhnt. Somit fiel es ihr nicht schwer, in dem düsteren Kerkergewölbe etwas zu erkennen. Dennoch hatte sich ihr Blick bisher einzig und allein auf Darius und seinen monströsen Peiniger gerichtet. So sehr, dass sowohl der restliche Teil ihrer als