Das Biest in Dir. Felix Hänisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Hänisch
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Год издания: 0
isbn: 9783967525793
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und sein Schopf schmerzhaft nach hinten gerissen, sodass er gezwungen war, geradeaus zu blicken.

      »Ja, haltet ihn fest!«, brüllte Drug mit vor Zorn bebender Stimme und fletschte die Zähne, während er mit weit ausgreifenden Schritten auf den Elfen zusetzte. Die eine Hand hielt er sich flach gegen sein linkes Ohr gedrückt, die andere war zur Faust geballt und hocherhoben. »Ich reiß dir deine Gedärme aus und stopf sie dir ins Maul, du elender Wurm.« Kleine, schaumartige Bläschen schienen sich an den Mundwinkeln des Ungeheuers zu bilden und einige Tropfen seines grünen Blutes liefen ihm von den Ohren auf die breiten Schultern hinab. Doch kaum, dass er nahe genug an Isolandòr heran war, um seine Drohung wahr zu machen, löste sich die klauenartige Hand aus den Haaren des Generals und ein anderer Ork stellte sich ihm mutig entgegen.

      »Lass ihn, Drug, er gehört dir nicht! Treibe du dein Spiel mit dem Menschen, aber die beiden Elfen gehören uns!«, knurrte der Grüngeschuppte, der für ein Wesen seines Volkes eine erstaunlich hohe Stimme aufwies. Der echsenartige Mann, dessen Schnauze nach vorne hin ein wenig spitz zulief, war ebenso groß wie sein Gegenüber, obwohl er diesem an Körperumfang weit unterlegen war und mehr an die Statur eines sehnigen Elfen erinnerte. Dennoch packte er Drug an dessen dreckig-brauner Keschfaserkutte und versuchte ihn wegzustoßen.

      »Was fällt dir ein, Varinez?«, erwiderte dieser lautstark und bemühte sich keinen Fingerbreit zurückzuweichen. Doch obwohl sich seine ohnehin schon von Furchen durchzogene Stirn noch weiter in Falten legte und er die kleinen, gelben Augen missbilligend zu Schlitzen verengte, schien sich seine Aggression im Angesicht eines Artgenossen etwas zu legen.

      »Der Elf gebührt uns«, wiederholte der schmale Ork und Isolandòr konnte von dem dritten Exemplar, welches ihm mit einem schraubstockartigen Griff die Arme auf dem Rücken festhielt, ein bestätigendes Grunzen an seinem Ohr vernehmen. Der Brechreiz erregende Gestank vom warmen Atem der Bestie raubte ihm indessen beinahe die Luft.

      »Ihr habt zu tun, was ich euch sage. Und ich sage, dass ich den Elfen jetzt töte! Wenn ihr ihn noch nicht einmal ruhig halten könnt, so wie ich es euch befohlen habe, sondern zulasst, dass er mir in die Quere kommt, dann muss ich mich seiner selbst annehmen.« Drug hatte sich nun vor Varinez aufgebaut und starrte ihm grimmig in die Augen, während er in einer demonstrativen Bewegung die Hand zur Faust ballte, so als wolle er eine Fliege zerquetschen. Doch so wie es aussah, schien er nicht sonderlich daran interessiert, seinen Landsmann anzugreifen. Tatsächlich strahlte der hagere Ork eine innere Ruhe und Stärke aus, die nicht in Worte zu fassen waren und sein schmächtiges Äußeres Lügen strafte.

      Der krachende Aufprall Isolandòrs auf dem Zellenboden und die beiden anderen Orks, die scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht waren, hatten selbst Therry aufblicken und das Leid von Darius für sie einen kurzen Moment lang in den Hintergrund treten lassen.

      Ganz im Gegensatz zu Amestris, die – nun da Drug nicht mehr in ihrer unmittelbaren Nähe war und keine Gefahr bestand, dass sie von ihm durch die Gitterstäbe hindurch gepackt werden könnte – ihren Blick einzig auf den schwer verletzten Iatas richtete. Die Elfin saß schon seit dem Abend in der Zelle und wusste deshalb um die zwei anderen Orks, welche sich im hinteren Bereich ihres Abteils verkrochen hatten und ohne Eile beratschlugen, was sie mit ihren Mitgefangenen tun sollten. Zwar tat es ihr leid um General Isolandòr und den anderen Elfen, den sie nicht kannte und der noch immer zusammengekauert in seiner Ecke saß, doch für die beiden gab es keine Hilfe mehr. Anders als bei Darius.

      Zielsicher fanden die schlanken Finger der heilkundigen Fürstentochter die lebenswichtigen Vitalpunkte des jungen Mannes. Der tobende Ork hatte seine Wirbelsäule stark beschädigt, sodass Amestris sich nicht sicher sein konnte, ob er jemals wieder würde laufen können. Doch sie spürte die ungeheuere Willenskraft des Menschen und vermochte ihm wenigstens für einen kurzen Moment einen Teil seiner Schmerzen zu nehmen.

      Noch immer hielt Therry den Kopf ihres Gefährten im Arm und hatte ihm zärtlich eine Hand auf die Wange gelegt. Ihr Blick wechselte stetig zwischen seinen halb geöffneten, leicht flatternden Augenlidern und dem elfischen General, der sich in einer ähnlich miserablen Situation befand. Auch für ihn empfand die junge Frau Mitleid, obwohl die Gefühle, welche sie Darius gegenüber hegte, weitaus stärker waren.

      »Kein Grund zum Heulen, noch bin ich nicht tot«, drang es auf einmal heiser an ihr Ohr. Vollkommen perplex wandte Therry den Blick nach unten und schaute zu Darius, der sie verschmitzt anlächelte.

      Es verging ein Moment, in dem sie ihm nur tief in die Augen sehen konnte, bevor ihr Verstand dazu in der Lage war, die Situation zu erfassen. Eine einzelne Träne, die der Iatas die Wange herabgeglitten war, ruhte auf der Nasenspitze ihres Gefährten und bildete dort einen klaren Tropfen. Erleichtert lachte sie auf und wollte Darius überglücklich um den Hals fallen.

      Da sein Kopf bereits in ihrer Armbeuge gebettet lag und sie befürchtete, ihn verletzen zu können, drückte die verheulte Kriegern jedoch lediglich ihre Wange gegen die seine. In dem kurzen Moment, als Darius die Geste erwiderte, ihr durch die Gitterstäbe hindurch beide Arme um die Schultern legte und sie gefühlvoll an sich zog, gelang es den zwei innig miteinander verbundenen Seelen alles um sich herum zu vergessen. Ein Atemzug des friedlichen Miteinanders, ein kurzer Augenblick des vergänglichen Glücks. All die Gefahren um sie herum schienen in diesem Moment nicht mehr zu existieren, das Gegrunze der sich streitenden Orks verkam zu einem steten Rauschen, welches sie sanft umflutete.

      »Seid vorsichtig«, ermahnte Amestris, drückte die Menschen behutsam auseinander und zerbrach somit die Traumwelt, in die sie sich für die Dauer einiger Herzschläge hatten flüchten können. »Du magst dich im Moment gesund fühlen, doch die kleinste Belastung kann dich dein Leben kosten«, sprach die Elfin weiter und wie zum Beweis fuhr sie mit dem Finger über einen Wirbel an Darius’ Rücken, sodass die schmerzbetäubende Wirkung, welche sie ihm hatte angedeihen lassen, kurz nachließ. Schlagartig spürte er, was sie meinte, als ein sengender Blitz seinen Rücken vom Steiß bis zum Schädel hinaufzujagen schien. An ein Aufstehen, geschweige denn an eine Revanche mit dem rasenden Ork, war nicht zu denken.

      »Das Gleiche gilt übrigens für dich«, fuhr Amestris fort und deutete mahnend mit dem Finger auf Therry, deren erblindetes Auge, nun, da sie den Verband nicht mehr trug, wieder zu bluten begonnen hatte. »Ich weiß nicht, welches Unglück dir armen Kind widerfahren ist, doch ohne heilende Kräuter, sauberes Wasser und Verbände werde ich die Wunde nicht reinigen können und dein Blut wird sich rasch vergiften.« Die Worte der Elfin waren hart gewählt, doch sie verkündeten die bittere Wahrheit.

      Behutsam tastete Therry nach dem, was einmal ihr rechtes Auge gewesen war. Allerdings wagte sie nicht, es direkt zu berühren, da der Schmerz – welcher einem Feuerball gleich in ihren ganzen Kopf abstrahlte und zusehends schlimmer wurde – bereits furchtbar an ihr zehrte. Langsam fuhr sie über die geschwollene Haut um die entsetzliche Verletzung und zuckte sogar unter der Berührung ihrer eigenen Finger zusammen.

      »Ich ... ich weiß auch nicht, wie das passiert ist«, sagte sie und verkniff sich ein Keuchen. »Als ich in den Armen der Alben wieder zu mir gekommen bin, hat die Stelle bereits wehgetan, aber jetzt wird es immer schlimmer. Außerdem kann ich, seitdem ich den Verband abgelegt habe, nur noch auf einer Seite etwas erkennen. Werde ich jemals wieder mit beiden Augen sehen können?« Ihre letzten Worte waren flehentlich und klangen beinahe so, als wollte sie die Antwort gar nicht wissen. Erst jetzt wurde ihr klar, was es bedeutete, die Hälfte ihres Augenlichtes verloren zu haben und in den nächsten Tagen oder Stunden womöglich an einer schmerzhaften Entzündung der ohnehin schon unerträglichen Wunde qualvoll zu verenden.

      Mitleidig blickte Amestris in das inzwischen vollständig blutunterlaufene Auge, das von einem haarfeinen Schnitt halb durchtrennt war, sodass von dem unteren Teil ein kleiner Lappen etwas nach vorne überhing. Sie brachte es nicht übers Herz, ihrer Mitgefangenen weiter ins Gesicht zu sehen, sodass sie den Blick senkte, während sie langsam mit dem Kopf schüttelte.

      Darius lag noch immer auf dem Boden und durch die Gitterstäbe hindurch hielt er die Hand seiner Freundin mit aller Kraft umklammert. Gerade wollte er ihr berichten, wie es zu der unverzeihlichen Verletzung gekommen war, an der er sich selbst einen nicht unerheblichen Teil der Schuld gab. Denn immerhin war er es gewesen, der Nemesta bis aufs Blut gereizt und sie somit