162
Neben der selbstständigen Einziehung, wenn keine bestimmte Person wegen der Tat verurteilt werden kann (§ 76a Abs. 1 StGB), hat der Gesetzgeber mit der erweiterten selbstständigen Einziehung gem. § 76a Abs. 4 StGB ein gänzlich neues Abschöpfungsinstrument eingeführt. Gleichsam dem US-amerikanischen Institut der „non conviction based confiscation“ kann so Vermögen völlig unklarer Herkunft unabhängig vom Nachweis einer konkreten rechtswidrigen Tat eingezogen werden. Voraussetzung ist lediglich, dass der (Vermögens-)Gegenstand in einem Verfahren wegen einer in § 76a StGB benannten Katalogtat (überwiegend sog. organisierte Kriminalität) beschlagnahmt wurde und dieser aus (irgendeiner) rechtswidrigen Tat herrührt. Da der Straftatenkatalog aber auch die Delikte der Steuerhinterziehung, des Schmuggels und der Geldwäsche enthält, kann auch dieses Institut im Unternehmensbereich durchaus zur Anwendung kommen.
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Um eine Vereitelung der drohenden Einziehung im Rahmen von mitunter jahrelang andauernden Strafverfahren zu verhindern, sichern die Ermittlungsbehörden regelmäßig bereits im laufenden Ermittlungsverfahren entsprechende Vermögenswerte (des Unternehmens) mittels der strafprozessualen Institute der Beschlagnahme (§§ 111b–111d StPO) sowie des Vermögensarrests (§§ 111e–111h StPO) zur Sicherung der späteren Einziehung von Wertersatz. Vollzogen werden derartige Arreste in der Regel durch die Pfändung von (Firmen-)Konten. Bereits hier zeigt sich, dass nicht nur die endgültige Einziehung, sondern auch bereits die vorläufige Pfändung von Unternehmensvermögen zu erheblichen Problemen, sei es wegen der dadurch entstehenden Außenwirkung oder aufgrund einer angespannten Liquiditätslage, führen kann, die existenzgefährdend sein und Worst Case in die Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit führen können.
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Neben der Festsetzung einer Unternehmensgeldbuße (§ 30 OWiG) kann eine Einziehung nicht erfolgen (§ 30 Abs. 5 OWiG). Hinsichtlich derselben Tat darf die Einziehung auch nicht etwa kumulativ angeordnet werden, wenn eine Gewinnabschöpfung durch das festgesetzte Bußgeld nicht erfolgt sein sollte.219
c) Das Unternehmen als Nebenbeteiligter im Strafverfahren
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Da sich das Strafverfahren ausschließlich gegen natürliche Personen richtet, die Einziehung jedoch gemäß §§ 73ff. StPO regelmäßig auch Unternehmenswerte betrifft, ordnet das Gericht gemäß der §§ 424ff. StPO an, dass der Dritte (das Unternehmen) an dem Strafverfahren beteiligt wird. Im strafrechtlichen Hauptverfahren entsprechen die Befugnisse des Einziehungsbeteiligten gem. §§ 427ff. StPO denjenigen des Angeklagten.
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Nach den §§ 422ff. StPO kann die Einziehung auch im selbstständigen Verfahren gegen das Unternehmen betrieben werden, wenn wegen der Straftat aus tatsächlichen Gründen (etwa wenn ein Täter nicht ermittelt werden konnte oder sich dem Einfluss der deutschen Justiz entzogen hat) keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann, ansonsten aber die materiellen Voraussetzungen der Einziehung vorliegen.
2. Ordnungswidrigkeitenrecht
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Die in der Praxis größten Compliance-Risiken, jedenfalls die finanziell schmerzhaftesten (abgesehen von der Einziehung gem. § 73 StGB), finden sich de facto im Ordnungswidrigkeitenrecht. Neben der bereits angesprochenen Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG, die gem. § 130 Abs. 3 OWiG mit einer Geldbuße von bis zu 1 Mio. EUR sowie im Ausnahmefall darüber hinaus geahndet werden kann, ist hier in erster Linie die Unternehmens- oder auch Verbandsgeldbuße gem. § 30 OWiG zu nennen.
a) Unternehmensgeldbuße gem. § 30 OWiG
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Ist eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit aus einem Unternehmen heraus oder im Interesse des Unternehmens begangen worden, so kann dies zur Verhängung einer Unternehmensgeldbuße gem. § 30 OWiG führen.220 § 30 OWiG ermöglicht die Festsetzung einer Geldbuße gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen unter der Voraussetzung, dass deren Repräsentanten (Organe, Vorstände, Vertreter oder sonstige Leitungspersonen) eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen haben, durch die entweder Pflichten des Verbandes (Unternehmens) verletzt worden sind oder die zu dessen Bereicherung geführt haben oder führen sollten. § 30 OWiG umschreibt keinen eigenen Ordnungswidrigkeitentatbestand, sondern knüpft die Folge einer Geldbuße an eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die sog. Anknüpfungstat, des Vertreters einer juristischen Person. Die Anknüpfungstat kann nicht nur eine beliebige Straftat oder Ordnungswidrigkeit sein (durch die wie gesagt allerdings betriebsbezogene Pflichten verletzt wurden oder das Unternehmen bereichert wurde oder werden sollte), sondern auch eine Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG, die damit die Verhängung einer Unternehmensgeldbuße auch dann ermöglicht, wenn die (nicht verhinderte) betriebsbezogene Zuwiderhandlung unterhalb der Organ- oder Vertreterebene begangen worden ist. Die Aufsichtspflichtverletzung selbst muss allerdings der Betriebsinhaber oder ein Vertreter i.S.v. § 9 OWiG begangen haben. Betriebliche Aufsichtspflichtverletzungen können auch dann vorliegen, wenn Korruptionsstraftaten im Unternehmen nicht unterbunden bzw. verhindert werden. Das mangelnde strafrechtliche Risikomanagement, mithin ein unzureichendes Compliance Management des Unternehmens wird damit regelmäßig zu einem Problem i.S.d. §§ 30, 130 OWiG.221
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Die Höhe der Geldbuße hängt davon ab, ob als Anknüpfungstat eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit vorliegt (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 OWiG). Bei vorsätzlichen Straftaten beträgt die Unternehmensgeldbuße bis zu 10 Mio. EUR, bei fahrlässigen Straftaten „lediglich“ bis zu 5 Mio. EUR. Bei Ordnungswidrigkeiten bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße grundsätzlich nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß (§ 30 Abs. 2 Satz 2 OWiG), ist also regelmäßig deutlich geringer. Zu beachten ist allerdings, dass zahlreiche Vorschriften des Nebenstrafrechts Ordnungswidrigkeitentatbestände enthalten, die mit ganz erheblichen Bußgeldrahmen ausgestattet sind. So können beispielsweise bestimmte Ordnungswidrigkeiten nach dem Bundesdatenschutzgesetz gem. § 43 Abs. 3 BDSG mit einer Geldbuße von bis zu 300.000,00 EUR pro Fall geahndet werden. Für die Bemessung der Höhe der Geldbuße im Falle einer Aufsichtspflichtverletzung i.S.v. § 130 OWiG gilt zunächst § 130 Abs. 3 Satz 1 OWiG (§ 30 Abs. 2 Satz 2 OWiG). Die Geldbuße beträgt demnach bis zu einer Mio. EUR. Nach § 17 Abs. 2 OWiG kann fahrlässiges Handeln im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten Höchstbetrages der Geldbuße geahndet werden, also mit 500.000,00 EUR.
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§ 30 Abs. 3 OWiG erklärt darüber hinaus die Regelung des § 17 Abs. 4 OWiG, die sog. Mehrerlösabschöpfung, für entsprechend anwendbar. Danach soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil übersteigen, den das Unternehmen aus der Tat gezogen hat. Zu diesem Zweck darf das gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße gem. § 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG sogar überschritten werden. Aus diesen gesetzlichen Vorgaben folgt, dass der wirtschaftliche Vorteil, welcher dem Unternehmen aus der Tat zugeflossen ist, rechnerisch die unterste Grenze der Geldbuße darstellt (sog. „Abschöpfungsanteil“). Der Begriff des wirtschaftlichen Vorteils bezeichnet dabei die erzielten Erlöse, aber auch mittelbare Vorteile wie Marktvorteile. Zusätzlich ist der Abschöpfungsteil der Geldbuße um den sog. „Ahndungsteil“ zu erhöhen. Zumessungsgrundlage ist hierbei analog § 17 Abs. 3 OWiG die Bedeutung der Straftat, also Gewicht und Ausmaß der Pflichtverletzung, deren Häufigkeit, die Schwere des Schadens und die Auswirkungen des Verstoßes.
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Bei der Höhe der Gewinnabschöpfung findet Berücksichtigung, so etwa in der causa Siemens, wenn ausländische Behörden, wie etwa die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC, das US-Justizministerium Department of Justice (DOJ) oder die britische Finanzaufsicht Financial Conduct Authority (FCA), wegen des gleichen Sachverhalts bereits eine vergleichbare Maßnahme durchgeführt haben oder eine