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Umstritten ist jedoch die Frage, inwieweit dem Aufsichtsrat eine Garantenstellung für die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch den Vorstand zukommt, er also für strafrechtlich relevante (Fehl-)Entscheidungen des Vorstandes zur Verantwortung gezogen werden kann. Da der Aufsichtsrat im Rahmen seiner überwachenden Tätigkeit keinen eigenen unternehmerischen Entscheidungsprozess durchführt, ist er jedenfalls grundsätzlich auch kein Garant für die Ordnungsmäßigkeit des unternehmerischen Handelns des Vorstandes schlechthin und kann dies auch mangels umfassender Entscheidungs- und Beurteilungsgrundlagen nicht sein. Der Aufsichtsrat ist aber Garant für die Verhinderung von gesellschaftsschädlichen Handlungen des Vorstandes, die ihm im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit bekannt werden.192 Erfährt der Aufsichtsrat – beispielsweise aus dem Bericht des Wirtschaftsprüfers über die Prüfung des Jahresabschlusses –, dass das Risikomanagement der Gesellschaft mangelhaft ist oder das Risikofrüherkennungssystem ineffektiv, so hat er bei dem Vorstand auf Abhilfe zu drängen. Verschließt sich der Aufsichtsrat diesen Erkenntnissen und bleibt er untätig, so verstößt er gegen seine Garantenpflicht, was beim Hinzutreten der weiteren Tatbestandsmerkmale, so etwa eines Schadenseintrittes, wiederum den Vorwurf der Untreue gem. § 266 StGB nach sich ziehen kann.193 Nichts anderes gilt grundsätzlich auch für die Unterhaltung eines Compliance-Management-Systems. Wird ein solches nicht unterhalten oder besitzt das betriebene System gravierende Mängel, so ist der Aufsichtsrat zum Handeln gegenüber dem Vorstand verpflichtet. Bleibt er untätig oder unterlässt er es, die Einrichtung bzw. Verbesserung des Compliance-Management-Systems zu bewirken, und kommt es hierdurch zu einem unmittelbaren Vermögensnachteil für die Gesellschaft oder etwa auch einem Schadenseintritt, hinsichtlich dessen Abwendung eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit besteht, so kann auch dies eine strafrechtliche Haftung der Aufsichtsratsmitglieder auslösen.
2. Innerbetriebliche Anweisungen/Täterschaft kraft Organisationsherrschaft
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Neben der unmittelbaren Täterschaft eines Mitgliedes eines Leitungsorganes eines Unternehmens, entweder weil das Organmitglied selbst gehandelt hat oder aufgrund der Zurechnung einer Kollegialentscheidung, stellt sich häufig die Frage der Zurechnung von Handlungen der Mitarbeiter am unteren Ende einer hierarchischen Struktur gegenüber dem Geschäftsherrn, der üblicherweise die strategischen und unternehmerischen Entscheidungen selbst trifft. Handelt der Mitarbeiter im Rahmen einer hierarchischen Struktur aufgrund konkreter Arbeitsanweisungen sowie standardisierter Arbeitsabläufe, so ergibt sich eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung grundsätzlich nur, wenn die Anweisungen bereits auf ein strafrechtlich relevantes Handeln ausgerichtet waren. In einem solchen Fall kann entweder ein mittäterschaftliches Handeln oder jedenfalls eine Anstiftung durch den Geschäftsherrn vorliegen.194
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Schwieriger ist die Annahme einer Täterschaft des Geschäftsherrn jedoch, wenn die Anweisungen zweideutig sind, etwa um gerade einen (auch strafrechtlichen) Haftungsdurchgriff in die Geschäftsleitung zu verhindern, oder wenn der unmittelbare Täter (der Mitarbeiter) in Kenntnis der strafrechtlichen Relevanz seines Tuns auch aus eigenem Interesse, etwa einem Provisionsinteresse, handelt. Hier hat die Rechtsprechung eine weitere Möglichkeit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung entwickelt, die „mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“. War es lange Zeit so, dass hinter einem vorsätzlich handelnden Täter, etwa einem Vertriebsmitarbeiter des Unternehmens, ein „Hintermann“ lediglich wegen Anstiftung oder Beihilfe belangt werden konnte, so hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der sog. „2. Mauerschützen-Entscheidung“ nunmehr jedoch grundlegend entschieden, dass es auch einen „Täter hinter dem Täter“ geben könne, wenn dieser Hintermann durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen mit regelhaften Abläufen ausnutze. Dies, so der BGH, habe es nicht nur bei den Grenztruppen der ehemaligen DDR gegeben, dies komme insbesondere auch bei „unternehmerischen oder geschäftsähnlichen Organisationsstrukturen“ in Betracht.195 Bei einer solchermaßen begründeten Tatherrschaft des Hintermannes, also hier des Geschäftsführers bzw. Vorstands, kommt es dann auf eine etwaige Gut- oder Bösgläubigkeit des die Tat weisungsgemäß unmittelbar Ausführenden gar nicht mehr an. Hiermit kann innerhalb einer unternehmerischen Struktur eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung begründet werden, ohne dass (umständlich) eine vorsätzlich rechtswidrige Handlung des unmittelbar Handelnden bewiesen werden muss. Auf Basis einer solchen Zurechnung kann eine täterschaftliche Verantwortlichkeit nicht nur bei Mitgliedern des Geschäftsführungsorganes, sondern letztlich auch bei jedem anderen Vorgesetzten begründet werden.196 Konkret auf ein Wirtschaftsunternehmen angewandt hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung erstmalig im Jahre 2003 in einem Verfahren wegen der Durchführung sog. Einlagegeschäfte, hier dem Vertrieb von Unternehmensbeteiligungen, über (hier gutgläubige) freie Handelsvertreter.197 Die Täterschaft der Geschäftsführer ergab sich hier aus der Leitungsmacht infolge durchgeführter Schulungen, in deren Rahmen die Geschäftsführer das Verkaufsverhalten und die Art und Weise des Umgangs mit dem Kunden vorgaben, die Handelsvertreter aber gleichzeitig im guten Glauben hielten. Anwendung gefunden hat diese Rechtsprechung unlängst auch in einem Fall des unerlaubten Erbringens von Finanzdienstleistungen.198
3. Fahrlässigkeitshaftung (sog. Organisationsverschulden)
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Unter dem aus dem Zivilrecht stammenden Begriff des „Organisationsverschuldens“ versteht man die schuldhafte Unterlassung der Wahrnehmung der die Geschäftsleitung treffenden Organisationspflichten bzw. schuldhaft begangene Fehler bei der Organisation des Unternehmens. Da eine solche Vernachlässigung von Organisationspflichten regelmäßig nicht vorsätzlich begangen wird, führt ein solches Unterlassen im Strafrecht „lediglich“ zu einer Fahrlässigkeitshaftung der Unternehmensleitung, wenn aufgrund einer solchen Fahrlässigkeit ein zum Tatbestand eines Deliktes gehörender „Erfolg“, etwa eine Körperverletzung, ein Todesfall oder ein Umweltschaden eintritt. Zu dem relativ unbestimmten Begriff des Organisationsverschuldens haben sich zwischenzeitlich verschiedene Fallgruppen entwickelt, so insbesondere das Auswahlverschulden, das Anweisungsverschulden sowie das Kontroll- bzw. Überwachungsverschulden.
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Da es bei den klassischen Compliance-Verstößen, etwa im Bereich der Korruption, der Untreue oder des Betruges, keine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gibt, ist die Begründung einer strafrechtlichen (Fahrlässigkeits-)Haftung über die Rechtsfigur des Organisationsverschuldens