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Der Geber muss dem Mandatsträger oder einem Dritten den ungerechtfertigten Vorteil „als Gegenleistung“ dafür anbieten, versprechen oder gewähren, dass dieser bei Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, es muss also gerade eine qualifizierte Unrechtsvereinbarung geschlossen werden. Der ungerechtfertigte Vorteil muss gerade deshalb zugewendet werden, damit das Mitglied sich in einer bestimmten Weise verhält, also „im Auftrag oder auf Weisung“ des Vorteilsgebers handelt. Der Mandatsträger soll gerade durch den ungerechtfertigten Vorteil dazu verleitet werden, im Auftrag oder nach Weisung des Auftraggebers zu handeln. Für die Strafbarkeit reicht es nicht aus, dass Vorteile nur allgemein für die Mandatsausübung zugewendet werden bzw. das Mitglied wegen der von ihm gemäß seiner inneren Überzeugung vertretenen Positionen einen Vorteil erhält. Die Grenze zur Strafbarkeit wird erst dann überschritten, wenn sich der Mandatsträger durch den Vorteil zu seiner Handlung bestimmen lässt und seine innere Überzeugung den Interessen des Vorteilsgebers unterordnet, er sich also „kaufen“ lässt.
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Von erheblicher Compliance-Relevanz ist § 108e Abs. 4 StGB, der das Merkmal des ungerechtfertigten Vorteils mittels einer nicht abschließenden Negativdefinition konkretisiert. Ein ungerechtfertigter Vorteil liegt danach insbesondere nicht vor, wenn seine Annahme im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mandatsträgers maßgeblichen Vorschriften steht. Mit dem Verweis auf die für die Rechtsstellung maßgeblichen Vorschriften wird für Mitglieder des Deutschen Bundestages auf das Abgeordnetengesetz (AbgG), die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages (Anlage 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages) sowie die dazu von dem Präsidenten des Deutschen Bundestages erlassenen Ausführungsbestimmungen Bezug genommen. Auch die Landtage haben entsprechende Gesetze und darauf basierende Verhaltensregeln für ihre Mitglieder erlassen. Ebenfalls in den Gemeindeordnungen der Länder finden sich Vorschriften für Mitglieder von Volksvertretungen der Gemeinden und Gemeindeverbände, die ihrerseits innerhalb ihrer Autonomie und entsprechend den Gegebenheiten vor Ort weitere Verhaltensregeln festlegen können. Schlussendlich kann damit etwa der Gemeinderat durch die Ausgestaltung der Ehrenordnung oder eines Ehrenkodex,101 die „für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften“ erlassen und damit die Reichweite des Straftatbestandes des § 108e StGB bestimmen. Ebenfalls kraft Gesetzes ausgenommen ist eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechenden Gesetzen zulässige Parteispende an die Partei oder den Mandatsträger (§ 108e Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StGB).102 Eine Spende, die allerdings „erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt“ wird, darf bereits nach § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG und § 4 Abs. 4 der Verhaltensregeln nicht angenommen werden und kann damit auch nicht mit den für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgebenden Vorschriften in Einklang stehen. Mit dem Zusatz „oder entsprechender Gesetze“ wird ferner mit Blick auf ausländische Mandatsträger klargestellt, dass auch ausländische Gesetze, welche Regelungen über die Zulässigkeit von Parteispenden treffen, zum Ausschluss der Strafbarkeit führen können.
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Aufgrund der Vielzahl der Möglichkeiten einer jeweils unterschiedlichen Gestaltung in Bund, Ländern und Kommunen entzieht sich der Tatbestand der Bestechung von Mandatsträgern damit quasi einer Positivliste, in welchen Fällen und in welchem Rahmen Zuwendungen ohne Compliance-Risiko möglich sind, wie sie häufig etwa in einer Antikorruptionsrichtlinie Niederschlag findet. Best practice kann insoweit lediglich äußerste Zurückhaltung und eine dezidierte Prüfung des Bestehens eines Compliance-Risikos im Einzelfall sein.
d) Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB)
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Nach § 299 Abs. 2 StGB ist auch die Bestechung von Nicht-Amtsträgern, also Privatpersonen, unter bestimmten Voraussetzungen mit Strafe bedroht. Die Strafbarkeit der Bestechung (und Bestechlichkeit) von Nicht-Amtsträgern ist strafrechtlich allerdings keine neue Entwicklung, sie hat allerdings fast einhundert Jahre lang im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 12 UWG a.F.) ein Schattendasein gefristet. Wurde dem § 299 StGB von der Rechtsliteratur noch im Jahr 2008 attestiert, „keine nennenswerte Rolle“103 zu spielen, so erfreut sich die Anwendung des § 299 StGB in der Rechtswirklichkeit bei den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten zwischenzeitlich größter Beliebtheit, verwiesen sei hier nur auf die Urteile des LG Darmstadt104 und des BGH105 in dem Auslandsbestechungsverfahren „Siemens/ENEL“, das Verfahren um die „Allianz-Arena“,106 das sog. ratiopharm-Verfahren sowie auf den Streit in der Rechtsprechung um die Anwendbarkeit des § 299 StGB auf niedergelassene Ärzte als „Beauftragte“ der Krankenkassen.107
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§ 299 Abs. 2 StGB bedroht das Anbieten oder Gewähren von Vorteilen an Angestellte oder Beauftragte eines Unternehmens als Gegenleistung für die unlautere Bevorzugung beim Bezug von Waren oder gewerblichen Dienstleistungen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb mit Strafe (das sog. „Wettbewerbsmodell“). Aufgrund einer am 26.11.2015 in Kraft getretenen Erweiterung des § 299 StGB durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption macht sich nunmehr auch derjenige strafbar, der einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens einen Vorteil als Gegenleistung dafür anbietet, dass der Empfänger seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt (das sog. „Geschäftsherrenmodell“).
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Als Unternehmen im Sinne der Vorschrift werden nicht nur Handels- oder Gewerbebetriebe, sondern auch gemeinnützige, kulturelle oder soziale Einrichtungen sowie freiberufliche Tätigkeit (str.) erfasst, das Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich.
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Entscheidend ist jedoch zunächst die Qualifikation des Empfängers als „Angestellter“ oder „Beauftragter“. Angestellter i.S.d. § 299 StGB ist, wer in einem mindestens faktischen Dienstverhältnis zum Geschäftsherrn steht und dessen Weisungen unterworfen ist. Eine dauerhafte oder entgeltliche Tätigkeit ist nicht erforderlich, es muss aber ein gewisser Einfluss auf die Geschäftstätigkeit genommen werden können.108 Dies sind insbesondere die Mitglieder des Vorstandes oder der Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft, Mitarbeiter mit einem bestimmten Handlungsspielraum, etwa im Vertrieb oder im Einkauf, aber auch der gebundene Handelsvertreter.109 Eine rein untergeordnete Tätigkeit, etwa als Hilfskraft, reicht allerdings nicht aus.110 Beauftragter ist, wer, ohne Angestellter oder Inhaber eines Betriebes zu sein, befugtermaßen für einen Geschäftsbetrieb tätig wird und aufgrund seiner Stellung berechtigt (oder verpflichtet) ist, auf Entscheidungen, die den Waren- bzw. Leistungsaustausch des Betriebes betreffen, unmittelbar oder mittelbar Einfluss zu nehmen.111 Der Begriff des Beauftragten bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen,112 ihm kommt daher in der Praxis eine gewisse Auffangfunktion zu. Nicht vom Tatbestand erfasst wird lediglich der Geschäftsherr bzw. der Betriebsinhaber selbst, da die Annahme eines Vorteils durch den selbstständigen Unternehmer