Gefährliche Liebschaften. Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750203433
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der Ihnen sein Leid klagte, nicht das Wort des Trostes versagt, sich nicht seinen Blicken entzogen, der keine andere Freude kennt als die, Sie zu sehen. Sie hätten nicht ein so grausames Spiel mit seinem Kummer gespielt, indem Sie ihm sagen ließen, Sie wären krank, ohne ihm zu erlauben, sich über Ihr Befinden zu erkundigen. Sie hätten in derselben Nacht, die für Sie nur zwölf Ruhestunden bedeuteten, gefühlt, daß sie für mich eine Ewigkeit der Schmerzen sein müßte. Wodurch, sagen Sie, habe ich diese trostlose Strenge verdient? Ich fürchte mich nicht davor, Sie zum Richter anzurufen – was habe ich getan? Was anderes als dem stärkeren Gefühle nachgegeben, das Ihre Schönheit entflammt hat und das Ihre Tugend rechtfertigt, das immer die Hochachtung zurückgehalten hat, und dessen unschuldiges Geständnis aus dem Vertrauen und nicht aus der Hoffnung kam? Werden Sie nun dieses Vertrauen mißbrauchen, das Sie selbst zu erlauben schienen und dem ich mich ohne Rückhalt hingab? Nein, ich kann es nicht glauben; denn das hieße Unrechtes an Ihnen entdecken, und der bloße Gedanke, an Ihnen Unrechtes zu suchen, widerstrebt meinem Herzen – ich nehme alle meine Vorwürfe zurück, die ich wohl schreiben, aber nicht denken konnte. Lassen Sie mich daran glauben, daß Sie vollkommen sind – es ist die einzige Freude, die mir bleibt. Und beweisen Sie es mir, indem Sie mir Ihre großmütige Gnade schenken. Welchem Unglücklichen haben Sie je geholfen, der Ihrer Hilfe bedürftiger gewesen wäre als ich? Verlassen Sie mich nicht in dieser Verzweiflung, in die Sie mich gebracht haben. Leihen Sie mir Ihre Vernunft, da Sie mich um die meine gebracht haben. Sie haben mich besser gemacht, nun vollenden Sie Ihr Werk, indem Sie mir Klarheit geben in meiner Verwirrung.

      Ich will Sie nicht täuschen. Es wird Ihnen nicht gelingen, mich von meiner Liebe abzubringen. Aber Sie werden mich lehren, sie zu mäßigen, indem Sie meine Schritte lenken, meine Worte leiten, und mich damit wenigstens vor diesem Unglück bewahren sollen, Ihnen zu mißfallen. Nehmen Sie mir wenigstens diese verzweifelte Angst, sagen Sie mir, daß Sie mir verzeihen, daß Sie mich bedauern, versichern Sie mich Ihrer Nachsicht. Sie werden ja nie diese Nachsicht haben, die ich ersehne, aber ich verlange die, derer ich bedarf – werden Sie sie mir versagen?

      Adieu, gnädige Frau, empfangen Sie mit Güte die Huldigung meiner Gefühle, die denen meiner Hochachtung nicht im Wege sind.

       den 20. August 17..

      25

      Fünfundzwanzigster Brief

      Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil

      Hier der Kriegsbericht von gestern:

      Um elf Uhr trat ich bei Frau von Rosemonde ein, und in ihrer Begleitung wurde ich bei der Scheinkranken eingelassen, die noch zu Bette lag. Sie hatte blaue Ränder unter den Augen, – ich hoffe, daß sie ebenso schlecht geschlafen hat wie ich. Ich benutzte einen Augenblick, da sich Frau von Rosemonde entfernt hatte, um meinen Brief zu übergeben; sie weigerte sich ihn anzunehmen, ich ließ ihn aber auf dem Bette liegen und rückte ganz artig den Fauteuil meiner alten Tante heran, die so nah wie möglich bei ihrem lieben Kinde sein wollte. Der Brief mußte wohl oder übel versteckt werden, um einen Skandal zu vermeiden. Die Kranke sagte sehr ungeschickt, daß sie glaube, etwas Fieber zu haben. Frau von Rosemonde veranlaßte mich, den Puls zu fühlen, indem sie meine medizinischen Kenntnisse sehr lobte. Meine Schöne hatte nun den doppelten Verdruss: sie mußte mir ihren Arm überlassen und dabei fühlen, daß ich ihre kleine Lüge entdecken würde. Und ich nahm also ihre Hand und drückte sie heftig in die meine, während ich mit der andern ihren frischen, vollen Arm befühlte; die schlechte Person antwortete auf nichts, weshalb ich, als ich mich zurückzog, sagte: es sei nicht die leiseste Spur auch nur der geringsten Erregung vorhanden. Ich war ihres strafenden Blickes so sicher, daß ich ihn, um sie zu strafen, gar nicht suchte. Einen Augenblick später sagte sie, sie wolle aufstehen, und wir ließen sie allein. Sie erschien beim Diner, das recht traurig war; sie kündete uns an, daß sie keinen Spaziergang machen werde, was mir zu verstehen geben sollte, daß ich keine Gelegenheit zur Aussprache haben würde. Ich fühlte, daß hier ein ganz leiser Seufzer und schmerzvoller Blick am Platze war, worauf sie zweifellos wartete; denn das war der einzige Moment am ganzen Tage, wo es mir gelang, ihren Augen zu begegnen. So klug sie auch ist, so hat sie doch ihre kleinen Schwächen wie jede andere. Ich fand einen günstigen Augenblick, in dem ich sie fragte, ob sie wohl die Güte gehabt hätte, mich über mein Schicksal zu beruhigen, und ich war etwas erstaunt über die Antwort: »Ja, ich habe Ihnen geschrieben.« Ich brannte danach, diesen Brief zu haben; aber aus Absicht oder Ungeschicklichkeit oder Schüchternheit – sie gab ihn mir erst am Abend, gerade als sie sich zurückzog. Ich schicke ihn Ihnen mit dem Konzept des meinen: Lesen und urteilen Sie. Beachten Sie, mit welcher vortrefflich gemachten Falschheit sie erklärt, daß sie keine Liebe fühlt, während ich doch das Gegenteil genau weiß, – und dann wird sie sich später beklagen, daß ich sie betrüge, während sie mich schon jetzt betrügt! Meine schöne Freundin, der geschickteste Mann kann sich kaum auf der Höhe der aufrichtigsten Frau halten. Man wird wohl noch so tun müssen, als ob man an all diese Worte glaubte, und sich in Verzweiflung ermüden, weil es der Gnädigen gefällt, die Spröde zu spielen! Das Mittel, sich an all dieser Bosheit zu rächen . . . Aber Geduld . . . Und Adieu, ich habe noch viel zu schreiben.

      Ja, noch etwas: Sie müssen mir den Brief der grausamen Dame zurückschicken, es könnte sein, daß sie später auf diese Kleinigkeiten Wert legte, und man muß immer korrekt sein.

      Ich spreche heute nicht über die kleine Volanges, aber nächstens davon.

       Schloß . . ., den 21. August 17..

      26

      Sechsundzwanzigster Brief

      Die Frau von Tourvel an den Vicomte von Valmont

      Sie hätten nie einen Brief von mir bekommen, wenn mich mein dummes Benehmen von gestern Abend nicht zu einer Erklärung zwänge. Ja, ich habe geweint, ich gestehe es und vielleicht sind mir auch jene zwei Worte entschlüpft, die Sie mir mit so vieler Sorgfalt zitieren. Tränen und Worte – Sie haben alles bemerkt, so muß ich Ihnen alles erklären.

      Gewöhnt, nur ehrbare Gefühle zu erwecken und nur Gespräche zu hören, die ich ohne zu erröten auch anhören kann, gebe ich mich einer Sicherheit hin, die ich wohl verdiene, und verstehe ich die Eindrücke, die ich empfange, weder zu verbergen noch zu bekämpfen. Die Überraschung, Verwirrung und ich weiß nicht welche Furcht, die die Situation in mir hervorrief, in die ich nie hätte geraten sollen, und dann dieser empörende Gedanke, mich mit den Frauen verwechselt zu sehen, die Sie verachten, und mich ebenso leichtfertig wie diese behandelt zu sehen – alles das verursachte meine Tränen und ließ mich mit Recht, wie ich glaube, sagen, daß ich unglücklich bin. Sie finden dieses Wort stark – es wäre noch viel zu schwach, wenn meine Tränen und Worte einen anderen Grund gehabt hätten, wenn ich, statt Gefühle, die mich beleidigen mußten, zu mißbilligen, sie zu teilen hätte befürchten müssen.

      Nein, mein Herr, ich habe diese Furcht nicht, denn wenn ich sie hätte, würde ich hundert Meilen weit von Ihnen gehen, würde ich in einer Wüste das Unglück beweinen, Sie jemals gekannt zu haben. Vielleicht hätte ich, trotz der Gewissheit, daß ich Sie nicht liebe, daß ich Sie nie lieben werde, besser daran getan, die Ratschläge meiner Freunde zu befolgen, Sie nicht in meine Nähe zu lassen.

      Ich glaubte, und das ist mein einziger Fehler, ich glaubte, Sie würden eine anständige Frau respektieren, die nichts sehnlicher verlangte, als auch Sie so zu finden, um Ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, eine Frau, die Sie bereits verteidigte, während Sie sie mit Ihren verbrecherischen Wünschen beschimpften. Sie kennen mich nicht, nein, Sie kennen mich nicht. Sonst hätten Sie nicht geglaubt, ein Recht auf Ihr Unrecht zu haben, weil Sie mit mir von Dingen sprachen, die ich nicht hätte anhören sollen; hätten Sie sich nicht für berechtigt gehalten, mir einen Brief zu schreiben, den ich nicht hätte lesen sollen. Und Sie verlangen von mir, daß ich Ihre Schritte lenken, Ihre Gespräche leiten soll! Nun gut: Stillschweigen und Vergessen, das sind die Ratschläge, die mir Ihnen zu geben geziemt, so wie Ihnen, dieselben zu befolgen; dann werden Sie allein das Recht auf meine Nachsicht haben, und es steht nur bei Ihnen, sogar das der Dankbarkeit zu gewinnen. Aber nein, ich richte an den keine Bitte,