„Außerdem bin ich nicht die Bäuerin. Ich helfe nur ein paar Wochen aus, bis meine Eltern aus dem Krankenhaus kommen... “
Dinah unterbrach sich und blinzelte maliziös zu ihm hinüber.
„... nach einem Autounfall mit einem Besucher aus der Stadt!“
Beim Einschwenken auf den Hof erfuhr Herold dann noch aus erster Hand, dass es ihr Bruder war, der bald den Hof übernehmen werde.
IV.
Von dem Bruder selbst aber gab es keine Spur auf dem ganzen Hofgelände.
„Es sieht ja beinahe so aus, als hätten Sie den nur erfunden, damit ich keine Angst bekomme, hier mit Ihnen allein zu sein!“ versuchte er, sie zu ärgern.
Da läutete das Telefon; sie lauschte eine Weile und legte den Hörer dann achselzuckend auf.
„Der hat sich mal wieder freigenommen und feiert mit seinen Freunden Werweißwas bis morgen früh“, berichtete sie.
„Schon wieder dieser ominöse Bruder! Schon wieder kein Beweis, dass es ihn wirklich gibt!“ legte er nach.
Sie winkte lachend ab. Mit herabgesenkten Lidern ließ Dinah ihren Blick noch einmal über das schlammüberzogene Exemplar von Mann gleiten, das ihr für heute erhalten blieb. Alle Unsicherheit wich von ihr; eine Leichtigkeit kehrte ein, wie sie sie lange nicht gekannt hatte.
„Das ist ein ganz Lieber!“ dachte sie. „Der kann ruhig noch bleiben!“
„Und jetzt zurück in die Zivilisation!“ machte sie ihm Dampf. „Die Dusche ist links hinten.“
Bevor er sich auf den Weg machte, warf er ihr von der Tür aus einen langen Blick zu, den sie zurückgab, ohne die Augen niederzuschlagen.
Als er nach dem Duschen herein spazierte, nur mit einem Badetuch um die Hüften, zeigte sie keine Befangenheit, obwohl er es offensichtlich darauf anlegte, sie herauszufordern. Sie gab sich interessiert, aber ruhig.
In Wirklichkeit wurde ihr aber der Atem doch ein wenig knapp. Die feinporige und noch leicht vor Feuchtigkeit glänzende Haut seiner Schultern war zum Greifen nahe.
Danach greifen! Genau diese Versuchung spürte Dinah einen Moment lang. Als sie diesen Wunsch nur mühevoll unterdrücken konnte, wusste sie, dass ihre Zurückhaltung bei diesem Mann in größte Gefahr geriet.
Hinzu kam, dass Herold so lange an seinem Badetuch herumzupfte, bis sie spürbar unruhig wurde, den alten weißen Bademantel ihres Vaters heraussuchte und ihm diesen regelrecht aufdrängte.
Als Herold ihre Aufgeregtheit bemerkte, wurde ihm nach und nach deutlich, welch großen Appetit er inzwischen auf sie bekommen hatte.
Mittlerweile ahnte er auch, was alles unter ihrem groben Arbeitskittel verborgen war. Leichtfüßig und nach einem herben Parfüm duftend, tänzelte sie durch die Küche. Der weiße Leinenkittel, der sie eng umschloss, regte Herolds Vorstellungskraft gewaltig an.
Aber kurz darauf schwappten seine Fantasiebilder ins Leere und seine Hoffnungen für diesen Abend erhielten einen deutlichen Dämpfer. Sie zeigte ihm eilig das ehemalige Zimmer ihrer älteren Schwester und wünschte ihm eine gute Nacht. Das nannte er eine Verurteilung zur Einzelhaft nach vorheriger Aussicht auf Bewährung.
V.
Am nächsten Morgen holte Herold ein energisches Klopfen aus dem Schlaf. Noch im Halbschlaf trottete er zur Tür und öffnete.
Bevor ihm klar wurde, dass seine einzige Bekleidung während der Nacht die Bettdecke gewesen war, stand er vollkommen entblößt in der offenen Zimmertür und erblickte gerade noch seine Gastgeberin, die sich am Absatz der Treppe zu ihm herumdrehte.
„Verkühlen Sie sich bloß nicht, sonst muss ich noch auf Krankenschwester umschulen!“ rief Dinah ihm frech zu und eilte lachend die Treppe hinunter.
Jetzt erst entdeckte er an einer Hängeleiste neben der Tür seine komplette Kleidung, gewaschen und getrocknet.
Beim Frühstück sprühte sie vor guter Laune und war ganz um sein Wohl bemüht. Während er in seinem Kaffee herumrührte, ließ er keinen Blick von ihr.
Sie verzichtete aber auch auf keine Gelegenheit seine Nähe zu suchen, stützte sich flüchtig auf seine Schulter, während sie den Brotkorb auffüllte.
Ihr Pullover rutschte dabei soweit hinauf, dass ein Streifen ihrer hellen Haut in Reichweite seines Mundes geriet.
Er zögerte zu lange. Seine Lippen hätten ohne Mühe die kleine Hautfalte an ihrer Hüfte erreicht.
„Ich habe mich heute Nacht sehr einsam gefühlt!“ klagte er stattdessen und versuchte, ihren Arm zu sich heranzuziehen. Aber sie entkam ihm.
„In Einzelzimmern geht es vielen hin und wieder mal so“, beruhigte sie ihn.
Dabei hatte sie sich aber hinter seinem Rücken an ihn herangeschlichen und ihre Lippen berührten fast sein Ohr, in das sie flüsterte.
„Das kommt davon, wenn man nicht rechtzeitig ein Doppelzimmer reserviert.“
Gerade als er mit beiden Händen zugreifen wollte, öffnete sich die Tür.
Ein magerer Bursche stapfte herein und brummte einen kaum verständlichen Gruß.
Dinahs Bruder griff nach einem Becher mit Kaffee, sammelte drei Brötchen ein und war schon wieder auf dem Weg zur Tür.
„So ist er“ rief sie ihm hinterher, „charmant, gastfreundlich und gesprächig wie der neue Futter-Automat!“ Sie wandte sich Herold zu.
„Der am Frühstückstisch bekommt aber auch nicht die Zähne auseinander.“
Herold überlegte, ob er sie nicht vielleicht doch schon viel besser kannte, als sie ahnte; er bot ihr als Vorschuss ein verführerisches Lächeln an.
„Du ärgerst dich doch nur, weil er jetzt glauben wird, dass du die Nacht mit mir verbracht hast!“ sagte er ihr auf den Kopf zu.
Und ... hatte ins Schwarze getroffen.
Diesmal war sie es, die im ersten Moment schwieg, dann aber umso temperamentvoller loslegte.
„Na, und wenn schon! Soll er’s doch glauben! Wir beide wissen’s besser! Da ist bisher doch noch gar nichts passiert!“
Herold sah an ihren Augen, dass sie bemerkt hatte, was beim letzten Satz schief gelaufen war.
„Stimmt!“ sagte er ruhig. „Ganz richtig! Noch nicht!“ Er stand auf.
„Bist du sicher, dass dein Bruder nicht vielleicht hellseherische Kräfte hat? Vielleicht schaut er nur eine weitere Nacht voraus!“
Sie stand mit dem Rücken zur Tür und stützte sich dort mit einer Schulter ab.
Als er zielstrebig auf sie zu ging, zögerte sie zuerst, tat dann einen Schritt auf ihn zu und wieder einen Schritt zurück, worauf er mitten im Raum stehen blieb.
Dinah hielt seinen Blick jetzt aus, setzte mehrmals zum Sprechen an und öffnete schließlich die Tür.
„Hab ich dir eigentlich schon das Haus gezeigt?“ sagte sie im plaudernden Tonfall der stolzen Gastgeberin.
Er antwortete nicht und sie reagierte so, als hätte er in überschwänglicher Begeisterung diese Einladung angenommen.
„Das Erdgeschoss kennst du ja schon ein wenig; dann beginnen wir am besten bei den Räumen oben.“
Auf dem Weg zur Treppe war sie ihm immer drei Schritte voraus und drehte sich erst am Treppenansatz zu ihm um.
„Soll ich vorausgehen?“ fragte sie ihn. Er schaute sie fragend an.
„Du wirst dich aber zu nichts hinreißen lassen!“ forderte sie ultimativ und lenkte seinen Blick hinunter auf das kurze