»Einer Bitte um Verzeihung ...? Wie bin ich nur heute dazu gekommen, Sie für einen Idioten zu halten! Sie bemerken vieles, was andere Menschen niemals beachten. Ich könnte mit Ihnen etwas besprechen; aber ... es ist doch wohl besser, wenn ich es nicht tue!«
»Da ist noch jemand, bei dem Sie sich entschuldigen sollten«, sagte der Fürst, auf Warja weisend.
»Nein, die sind nun einmal meine Feinde. Glauben Sie mir, Fürst, ich habe oft versucht, unser Verhältnis zu bessern; aber aufrichtige Verzeihung sucht man da vergebens!« rief Ganja heftig.
Er wandte sich von Warja ab, so daß er ihr die Seite zukehrte.
»Nicht doch, ich verzeihe dir«, sagte Warja plötzlich.
»Und wirst du heute abend zu Nastasja Filippowna kommen?«
»Wenn du es verlangst, werde ich hinkommen; aber überlege selbst, ob ich nach dem Vorgefallenen überhaupt eine Möglichkeit habe, dort zu erscheinen.«
»Sie ist ja doch nicht so, wie sie sich gab. Du siehst ja, sie will einem immer Rätsel aufgeben! Spiegelfechterei!«
Ganja lächelte boshaft.
»Ich weiß selbst, daß sie nicht so ist und daß sie Spiegelfechterei treibt; aber was für welche! Und dann bedenke noch eines, Ganja: wofür hält sie dich selbst? Mag auch vieles an ihrem Benehmen nur Spiegelfechterei sein, und mag sie auch Mama die Hand geküßt haben: aber sie hat sich doch über dich lustig gemacht! Das wird durch die fünfundsiebzigtausend Rubel nicht aufgewogen, Bruder, wahrhaftig nicht! Du bist noch anständiger Empfindungen fähig; darum sage ich dir das. Fahre du doch auch selbst nicht hin! Hüte dich vor ihr! Das kann nicht gut ausgehen!«
Nach diesen Worten verließ Warja schnell in großer Aufregung das Zimmer.
»So sind meine Mutter und meine Schwester immer!« sagte Ganja lächelnd. »Ob sie wirklich denken, daß ich das nicht auch selbst weiß? Ich weiß es sogar weit besser als sie.«
Als Ganja das gesagt hatte, setzte er sich auf das Sofa mit dem offensichtlichen Wunsch, seinen Besuch noch länger auszudehnen.
»Wenn Sie das selbst wissen«, fragte der Fürst recht schüchtern, »warum haben Sie sich dann zu einer solchen Marter entschlossen, von der Sie selbst glauben, daß sie durch fünfundsiebzigtausend Rubel tatsächlich nicht aufgewogen wird?«
»Davon möchte ich nicht reden«, murmelte Ganja. »Aber apropos, sagen Sie mir doch, wie Sie selbst darüber denken; ich möchte gern Ihre Meinung darüber kennenlernen: wird diese ›Marter‹ durch fünfundsiebzigtausend Rubel aufgewogen oder nicht?«
»Meiner Ansicht nach nicht.«
»Nun, das ließ sich denken. Und unter solchen Umständen zu heiraten, muß man sich schämen?«
»Allerdings, sehr.«
»Nun, dann mögen Sie wissen, daß ich sie heiraten werde, jetzt ganz sicher. Vorhin war ich noch schwankend, aber jetzt nicht mehr. Sagen Sie kein Wort! Ich weiß, was Sie sagen wollen ...«
»Ich will nicht über denjenigen Punkt reden, von dem Sie annehmen, daß ich mich über ihn äußern wolle; ich wundere mich nur über Ihre außerordentliche Zuversicht ...«
»Zuversicht worauf? Was für eine Zuversicht?«
»Daß Nastasja Filippowna Sie bestimmt heiraten wird und die ganze Sache bereits feststeht, und zweitens, auch wenn sie Ihre Frau werden sollte, daß die fünfundsiebzigtausend Rubel dann so ohne weiteres geradeswegs in Ihre Tasche gelangen werden. Übrigens ist mir natürlich vieles von den Verhältnissen nicht bekannt.«
Ganja machte eine heftige Bewegung nach dem Fürsten hin.
»Natürlich ist Ihnen nicht alles bekannt«, sagte er. »Warum würde ich denn sonst diese ganze Bürde auf mich nehmen?«
»Ich meine, es ist ein sehr häufiger Vorgang, daß jemand um des Geldes willen heiratet und das Geld in den Händen der Frau bleibt.«
»N-nein, bei uns wird es anders sein ... Hier ... hier liegen Umstände vor ...«, murmelte Ganja, in unruhigem Nachdenken befangen. »Und was ihre Antwort anlangt, so ist an der kein Zweifel mehr möglich«, fügte er schnell hinzu. »Woraus schließen Sie, daß sie mir einen Korb geben wird?«
»Ich weiß nichts als das, was ich gesehen habe. Aber auch Warwara Ardalionowna hat soeben gesagt ...«
»Bah, das reden die Weiber so hin, ohne zu wissen, was sie sagen. Aber über Rogoschin hat sie sich lustig gemacht; das können Sie glauben; das ist mir klargeworden. Das war deutlich zu merken. Ich hatte vorhin meine Besorgnisse; aber jetzt ist mir die Sache klargeworden. Oder meinen Sie vielleicht, wie sie sich gegen die Mutter, den Vater und Warja benommen hat?«
»Und gegen Sie.«
»Es mag sein; aber das war nur die gewöhnliche weibliche Rachsucht, weiter nichts. Sie ist ein schrecklich reizbares, argwöhnisches, eitles Weib. Wie ein bei der Beförderung übergangener Beamter! Sie wollte sich zeigen und ihnen ihre ganze Geringschätzung beweisen ... na, und mir auch; das ist ja richtig, das bestreite ich nicht ... Aber trotzdem wird sie mich heiraten. Sie ahnen gar nicht, welchen Täuschungen die menschliche Eitelkeit unterworfen ist: da hält sie mich nun für einen Schuft, weil ich sie, die Geliebte eines andern, so offen ihres Geldes wegen nehme, und weiß nicht, daß ein anderer sie in noch gemeinerer Weise betrügen würde: er würde sich an sie heranmachen und sie mit liberalen, fortschrittlichen Redereien überschütten und allerlei Frauenfragen erörtern, so daß sie ihm schließlich wie ein Faden durchs Nadelöhr geht. Er würde der eitlen Närrin einreden (und das ist so leicht!), daß er sie nur ›wegen ihres edlen Herzens und wegen ihres Unglücks‹ nehme, würde sie aber dabei doch um des Geldes willen heiraten. Ich gefalle ihr nicht, weil ich zum Schwanzwedeln keine Lust habe, was doch nützlich wäre. Aber was tut sie denn selbst? Tut sie nicht ganz dasselbe? Also, wenn dem so ist, warum verachtet sie mich dann und treibt ein solches Spiel mit mir? Deswegen, weil ich selbst mich nicht unterwerfe, sondern meinen Stolz herauskehre. Nun, wir werden ja sehen!«
»Haben Sie sie denn früher wirklich geliebt?«
»Anfangs habe ich sie geliebt. Aber genug davon ... Es gibt eben Frauen, die nur zu Geliebten taugen und zu weiter nichts. Ich sage nicht, daß sie meine Geliebte gewesen wäre. Wenn sie friedfertig leben will, werde ich auch friedfertig leben; aber wenn sie sich auflehnt, werde ich mich sofort von ihr lossagen und das Geld für mich behalten. Lächerlich will ich mich nicht machen; das am allerwenigsten.«
»Es will mir doch scheinen«, bemerkte der Fürst vorsichtig, »daß Nastasja Filippowna ein ganz kluges Weib ist. Wozu sollte sie, wenn sie solche Marter voraussieht, in die Falle gehen? Sie könnte ja doch auch einen andern heiraten. Ich wundere mich, daß Sie diese Möglichkeit nicht in Betracht ziehen.«
»Das hat schon seine Gründe! Sie wissen in dieser Angelegenheit nicht alles, Fürst ..., und außerdem glaubt sie fest, daß ich sie wahnsinnig liebe; das schwöre ich Ihnen. Und wissen Sie, ich vermute stark, daß auch sie mich liebt, das heißt, auf ihre Art; Sie kennen die Redensart: ›Wen ich liebe, den prügle ich‹. Sie wird mich ihr ganzes Leben lang für einen Gauner halten (und darin hat sie ja auch vielleicht recht) und mich doch auf ihre Art lieben; sie trifft dazu schon ihre Anstalten; das liegt einmal so in ihrem Wesen. Sie ist eine echte Russin, kann ich Ihnen sagen; na, und ich bereite eine Überraschung für sie vor. Die Szene von vorhin mit Warja ereignete sich ja ganz zufällig; aber sie wird mir von Vorteil sein: sie hat jetzt gesehen und sich überzeugt, daß ich ihr treuer Anhänger bin und um ihretwillen alle Bande zerreiße. Ich bin nämlich auch gerade kein Dummkopf, das können Sie mir glauben. Apropos, Sie denken doch hoffentlich nicht, daß ich ein arger Schwätzer bin? Ich habe vielleicht tatsächlich übel daran getan, liebster Fürst, daß ich mich Ihnen so ganz decouvriere. Aber das kommt daher, daß Sie der erste anständige Mensch sind, auf den ich seit langem gestoßen bin, und da habe ich mich denn auf Sie gestürzt, das heißt, nehmen Sie dieses ›ich habe mich auf Sie gestürzt‹ nicht im physischen Sinne. Sie zürnen mir doch nicht mehr wegen meines Benehmens von vorhin?