Der Idiot. Fjodor Dostojewski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fjodor Dostojewski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754188651
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dieses eine Wort zu sagen! Ich erbitte dieses Wort nur als ein Zeichen Ihrer Teilnahme und Ihres Mitleids mit mir – nur in diesem Sinne! Weiter soll es nichts sein, nichts! Ich wage nicht, irgendwelche Hoffnung zu hegen, weil ich solcher Hoffnung nicht würdig bin. Aber wenn Sie dieses Wort gesprochen haben werden, werde ich von neuem meine Armut auf mich nehmen und meine verzweifelte Lage mit Freuden ertragen. Ich werde in den Kampf eintreten; ich werde mich seiner freuen und in ihm neue Kraft gewinnen!

      Senden Sie mir dieses Wort der Teilnahme (ich werde es nur als ein Wort der Teilnahme betrachten, das schwöre ich Ihnen!). Zürnen Sie nicht über die Kühnheit eines Verzweifelnden, Ertrinkenden, der eine letzte Anstrengung zu machen gewagt hat, um sich vor dem Untergang zu retten! G.I.«

      »Dieser Mensch versichert«, sagte Aglaja scharf, als der Fürst zu Ende gelesen hatte, »daß das Wort ›Brechen Sie alle Beziehungen ab!‹ mich nicht kompromittieren und zu nichts verpflichten solle, und er gibt mir, wie Sie sehen, hierin, in diesem Billett, eine schriftliche Garantie dafür. Beachten Sie, wie naiv er einige Worte unterstrichen hat und in wie plumper Weise seine geheime Absicht hervorschaut! Er weiß übrigens, daß, wenn er alle Beziehungen abbräche, aber von selbst, allein, ohne auf ein Wort von mir zu warten und ohne mit mir auch nur davon zu reden, und ohne jede Hoffnung auf meine Hand, daß ich dann meine Gefühle gegen ihn ändern und vielleicht seine Freundin werden würde. Das weiß er genau! Aber er hat eine niedrige Gesinnung: er weiß es und kann sich doch nicht entschließen; er weiß es und verlangt doch Garantien. Er ist nicht imstande, auf Treu und Glauben einen Entschluß zu fassen. Er möchte, daß ich ihm, als Ersatz für die hunderttausend Rubel, die Hoffnung auf meine Hand gäbe. Was aber jenes frühere Wort anlangt, von dem er in seinem Billett spricht und das angeblich sein Leben erhellt hat, so lügt er frech. Ich habe ihm einfach einmal meine Teilnahme ausgesprochen. Aber er ist dreist und unverschämt; ihm ist damals sogleich der Gedanke durch den Kopf gegangen, da sei für ihn eine Hoffnung möglich; ich habe das sofort bemerkt. Seitdem hat er angefangen, auf mich Jagd zu machen; und so sucht er mich auch jetzt zu fangen. Aber genug davon; nehmen Sie dieses Billett und geben Sie es ihm zurück, unmittelbar, nachdem Sie unser Haus werden verlassen haben, selbstverständlich nicht früher!«

      »Und welche Antwort soll ich ihm ausrichten?«

      »Natürlich gar keine. Das ist die beste Antwort. Sie wollen also in seinem Haus wohnen?«

      »Iwan Fjodorowitsch hat es mir vorhin selbst empfohlen«, antwortete der Fürst.

      »Dann nehmen Sie sich vor ihm in acht; ich warne Sie; er wird es Ihnen jetzt nicht verzeihen, daß Sie ihm sein Billett zurückbringen.«

      Aglaja drückte dem Fürsten leicht die Hand und ging hinaus. Ihr Gesicht war ernst und finster, und sie lächelte nicht einmal, als sie dem Fürsten zum Abschied zunickte.

      »Ich bin sogleich bereit; ich will nur mein Bündel holen«, sagte der Fürst zu Ganja. »Dann können wir gehen.«

      Ganja stampfte vor Ungeduld mit dem Fuß. Sein Gesicht wurde ganz dunkel vor Wut. Endlich traten beide auf die Straße, der Fürst mit seinem Bündel in der Hand.

      »Und die Antwort? Die Antwort?« bestürmte ihn Ganja. »Was hat sie Ihnen gesagt? Haben Sie ihr meinen Brief übergeben?«

      Der Fürst reichte ihm schweigend sein Billett hin. Ganja war wie versteinert. »Wie? Mein Billett!« rief er. »Er hat es ihr gar nicht einmal übergeben! Oh, das hätte ich mir im voraus sagen müssen! Oh, dieser ver-r-dammte ... Nun ist's erklärlich, daß sie vorhin nichts verstand! Aber wie kommt denn das, daß Sie es ihr nicht übergeben haben, Sie ver-r-dammter ...«

      »Entschuldigen Sie, es gelang mir im Gegenteil sogleich, Ihr Billett zu übergeben, unmittelbar, nachdem Sie es mir eingehändigt hatten, und genau in der Art, wie Sie es wünschten. Ihr Billett befindet sich jetzt deshalb wieder in meinen Händen, weil Aglaja Iwanowna es mir soeben wieder zurückgegeben hat.«

      »Wann? Wann?«

      »Als ich mit der Eintragung in das Album fertig war und sie mich aufforderte, mit ihr hinauszukommen. Sie haben es wohl gehört? Wir gingen in das Eßzimmer; dort gab sie mir das Billett und befahl mir, es durchzulesen und Ihnen zurückzugeben.«

      »Durch-zu-lesen!« schrie Ganja überlaut. »Durchzulesen! Und Sie haben es gelesen?«

      Er blieb von neuem wie erstarrt mitten auf dem Trottoir stehen und war dermaßen erstaunt, daß er sogar den Mund aufriß.

      »Ja, ich habe es gelesen, jetzt eben.«

      »Und sie selbst, sie selbst hat es Ihnen zum Durchlesen gegeben? Sie selbst?«

      »Ja, sie selbst; Sie können mir glauben, daß ich es ohne ihre Aufforderung nicht gelesen hätte.«

      Ganja schwieg eine Minute lang und überlegte etwas mit qualvoller Anstrengung; aber plötzlich rief er:

      »Es ist unmöglich! Sie konnte Sie nicht auffordern, den Brief zu lesen. Sie lügen! Sie haben ihn ohne Erlaubnis durchgelesen!«

      »Ich sage die Wahrheit«, antwortete der Fürst in dem früheren, völlig ruhigen Ton »und seien Sie überzeugt: es tut mir sehr leid, daß dies auf Sie einen so unangenehmen Eindruck macht.«

      »Aber, Sie Unseliger, sie hat Ihnen doch wenigstens etwas dabei gesagt, etwas geantwortet?«

      »Ja, gewiß.«

      »So sprechen Sie doch, sprechen Sie doch, zum Teufel!« Ganja stampfte mit dem in einem Überschuh steckenden rechten Fuß zweimal auf das Trottoir.

      »Als ich den Brief durchgelesen hatte, sagte sie zu mir, Sie suchten sie zu fangen; Sie wünschten, sie zu kompromittieren, um Hoffnung auf ihre Hand zu erhalten, damit Sie dann, auf diese Hoffnung gestützt, eine andere Hoffnung auf hunderttausend Rubel ohne Verlust fahrenlassen könnten. Wenn Sie das täten, ohne mit ihr eine Art von Handelsgeschäft zu machen, und alle jene Beziehungen auf eigene Hand abbrächen, ohne von ihr vorher eine Garantie zu verlangen, dann würde sie vielleicht Ihre Freundin werden. Das ist alles, glaube ich. Ja, noch eins: als ich den Brief bereits zurückerhalten hatte und fragte, was für eine Antwort ich bestellen solle, da sagte sie, keine Antwort werde die beste Antwort sein. Ich meine, so war es; entschuldigen Sie, wenn ich den genauen Wortlaut vergessen habe; ich habe es Ihnen so mitgeteilt, wie ich es selbst verstanden habe.«

      Ein grenzenloser Zorn bemächtigte sich Ganjas, und seine Wut kam unhemmbar zum Ausbruch.

      »Ah! So steht es!« rief er zähneknirschend. »Also meine Briefe werden aus dem Fenster geworfen! Ah! Auf Handelsgeschäfte will sie sich nicht einlassen – nun, so werde ich es tun! Wir wollen einmal sehen! Ich habe noch viele Hilfsmittel ... wir wollen einmal sehen ...! Ich will sie schon kirre machen!«

      Sein Gesicht verzerrte sich; er wurde ganz blaß; sein Mund schäumte; er drohte mit der Faust. So gingen sie einige Schritte. Vor dem Fürsten legte er sich nicht den geringsten Zwang auf; er benahm sich so, als wäre er in seinem Zimmer und ganz allein; den Fürsten betrachtete er geradezu als eine Null. Aber auf einmal fiel ihm etwas ein, und er kam zur Besinnung.

      »Aber wie geht es zu«, wandte er sich plötzlich an den Fürsten, »wie geht es zu, daß Sie« (»so ein Idiot!« fügte er im stillen hinzu) »auf einmal eine solche Vertrauensstellung einnehmen, zwei Stunden nach der ersten Bekanntschaft? Wie geht das zu?«

      Bei all seinen Qualen hatte nur noch der Neid gefehlt, der nun auf einmal sein Herz schmerzhaft packte.

      »Das weiß ich Ihnen allerdings nicht zu erklären«, antwortete der Fürst.

      Ganja warf ihm einen grimmigen Blick zu.

      »Da hat sie Sie wohl ins Eßzimmer gerufen, um Ihnen ihr Vertrauen zu schenken? Denn daß sie Ihnen etwas schenken wolle, hatte sie ja vorher gesagt.«

      »Ich kann es nicht anders auffassen als in dieser Weise.«

      »Aber zum Teufel, wodurch haben Sie denn das verdient? Was haben Sie denn so Dankenswertes dort getan? Wodurch haben Sie so gefallen? Hören Sie einmal«, sagte er hastig (in seinem Geist war zur Zeit alles gleichsam bunt durcheinandergeworfen und befand sich in ärgster