So kehrte sie also auch jetzt von ihnen heim und, wie wir schon gesagt haben, in nachdenklicher, trüber Stimmung. In dieser trüben Stimmung lag auch eine gewisse Portion spöttischer Bitterkeit. Ptizyn bewohnte in Pawlowsk ein unansehnliches, aber geräumiges Holzhaus, das an einer staubigen Straße gelegen war und demnächst in seinen vollen Besitz übergehen sollte, so daß er schon seinerseits es wieder einem Dritten zum Kauf angeboten hatte. Als Warwara Ardalionowna die Freitreppe hinanstieg, hörte sie oben im Haus einen ungewöhnlichen Lärm und unterschied die schreienden Stimmen ihres Bruders und ihres Vaters. In den Salon eintretend, sah sie Ganja, der, ganz blaß vor Wut, im Zimmer auf und ab lief und sich beinah die Haare ausriß; sie runzelte bei diesem Anblick die Stirn und ließ sich mit müder Miene auf das Sofa sinken, ohne den Hut abzunehmen. Sie wußte ganz genau, daß, wenn sie noch ungefähr eine Minute lang schwieg und ihren Bruder nicht fragte, warum er so umherlaufe, dieser mit Sicherheit darüber in Zorn geraten werde; daher beeilte sie sich schließlich, in Form einer Frage zu sagen:
»Immer noch die alte Geschichte?«
»Ach was, die alte Geschichte!« rief Ganja. »Die alte Geschichte! Nein, weiß der Teufel, was jetzt hier vorgeht! Etwas Neues! Der Alte ist ganz rasend geworden ... die Mutter heult. Wahrhaftig, Warja, rede, was du willst, aber ich werde ihn aus dem Haus jagen oder ... oder selbst von euch wegziehen«, fügte er hinzu, wahrscheinlich weil ihm einfiel, daß man aus einem fremden Haus niemand wegjagen kann.
»Man muß doch Nachsicht haben«, murmelte Warja.
»Nachsicht womit? Mit wem?« fuhr Ganja auf. »Mit seinen Gemeinheiten? Nein, da kannst du reden, was du willst, aber das geht so nicht länger! Unmöglich, unmöglich, unmöglich! Und was ist das für eine Manier: er hat sich vergangen und trumpft dabei noch auf. Wie ein störrisches Tier: ›Ich will nicht ins Tor, reiß den Zaun nieder!‹ Warum sitzt du so da? Was machst du denn für ein Gesicht?«
»Mein Gesicht ist wie immer«, erwiderte Warja mißvergnügt. Ganja sah sie genauer an. »Bist du dort gewesen?« fragte er plötzlich.
»Ja.«
»Warte, da schreit er wieder! Es ist eine Schande, und noch dazu in einer solchen Zeit!«
»Was meinst du damit: ›in einer solchen Zeit?‹ Es ist doch keine besondere Zeit.«
Ganja betrachtete seine Schwester noch aufmerksamer.
»Hast du etwas erfahren?« fragte er.
»Nein, wenigstens nichts Unerwartetes. Ich habe erfahren, daß das alles seine Richtigkeit hat. Mein Mann hat gegen uns beide recht behalten; es ist so gekommen, wie er es gleich von Anfang an vorhergesagt hat. Wo ist er denn?«
»Er ist nicht zu Hause. Was ist denn also geschehen?«
»Der Fürst ist regulärer Bräutigam; die Sache ist entschieden. Die beiden älteren Schwestern haben mir gesagt, Aglaja habe eingewilligt; sie verheimlichen es nicht einmal mehr, während dort bisher eine arge Geheimniskrämerei stattfand. Adelaidas Hochzeit wird von neuem verschoben, damit beide Hochzeiten gleichzeitig gefeiert werden können, an demselben Tag – sehr romantisch! Es mutet einen ganz poetisch an. Du solltest lieber ein Hochzeitsgedicht verfassen, statt so unnütz im Zimmer umherzulaufen. Heute abend wird die alte Bjelokonskaja bei ihnen sein; sie ist gerade zur rechten Zeit angekommen; es werden auch noch mehr Gäste da sein. Sie werden ihn der alten Bjelokonskaja vorstellen, wiewohl er schon mit ihr bekannt ist; es scheint, daß die Verlobung bekanntgegeben werden soll. Sie fürchten nur, daß er irgend etwas hinfallen läßt oder zerschlägt, wenn er zu den Gästen ins Zimmer kommt, oder auch daß er selbst hinplumpst; denn dessen kann man sich bei ihm versehen.«
Ganja hörte sehr aufmerksam zu; aber zur Verwunderung seiner Schwester übte diese ihrer Meinung nach für ihn überraschende Nachricht anscheinend auf ihn gar nicht eine besonders überraschende Wirkung aus.
»Nun gut; das war ja schon lange klar«, sagte er nach kurzem Nachdenken. »Also nun ist das zu Ende!« fügte er mit einem eigentümlichen Lächeln hinzu, indem er seiner Schwester verschmitzt ins Gesicht sah und immer noch fortfuhr, im Zimmer auf und ab zu gehen, wiewohl jetzt weit langsamer.
»Es ist nur gut, daß du es mit philosophischer Ruhe aufnimmst; ich freue mich darüber wirklich«, sagte Warja.
»Nun sind wir eine Last von den Schultern los; wenigstens du.«
»Ich glaube, dir aufrichtig gedient zu haben, ohne mein eigenes Urteil hineinzumischen und ohne dich mit Fragen zu belästigen; ich habe dich nicht gefragt, welches Glück du an Aglajas Seite zu finden hofftest.«
»Aber habe ich denn überhaupt ... ein Glück an Aglajas Seite zu finden gehofft?«
»Na,