„Der gutaussehende Puerto Ricaner hat es dir angetan, hm?“
Sie sah ihre Mutter nicht an, aber sie nickte.
„Ich weiß, dass du dich verliebt hast, und ich weiß, wie weh das tun kann.“
Julia sah ihre Mutter erstaunt an.
„Ja, ob du es glaubst oder nicht, aber auch ich habe meine Erfahrungen gemacht, ehe ich deinen Vater kennenlernte. Ich weiß auch, wie sich Liebeskummer anfühlt und glaube mir, es wird irgendwann besser. Du wirst dich irgendwann wieder verlieben und vielleicht ist es dann einfacher.“
Na toll, so was wollte in so einer Situation hören. Sie wollte sich nie wieder verlieben, und an einen anderen als Marcos wollte sie schon gar nicht denken.
„Du siehst müde aus. Habt ihr überhaupt geschlafen?
„Nein.“
Eine Zeitlang schwieg ihre Mutter, und Julia hoffte, dass sie das Thema jetzt endlich fallen ließ. Sie wollte nicht reden. Sie wollte eigentlich nur allein sein. Doch das war in einem Flugzeug nicht ganz so einfach und nach einer Weile fragte Susanne:
„War es heute Nacht dein erstes Mal?“
Julia sah überrascht auf. Konnte man es ihr ansehen, dass sie Sex gehabt hatte oder ging ihre Mutter einfach davon aus, dass sie in dieser Hinsicht noch keine Erfahrung gemacht hatte? Sie wollte es erst abstreiten, doch dann entschied sie sich dagegen.
„Ja.“
„War es schön für dich.“
Julia nickte. „Ja, war es. Es war etwas ganz besonderes.“
Irgendwann während des Fluges holte sie die Müdigkeit schließlich doch noch ein, und sie verschlief die restlichen Stunden, zum Segen aller.
Kapitel 7
Siebzehn Jahre war das nun schon her. Vor ziemlich genau siebzehn Jahren hatte sie Marcos zum letzten Mal gesehen und doch waren ihre Erinnerungen an ihn und an ihre gemeinsame Zeit auf Puerto Rico noch immer genau vorhanden. Marcos hatte sie auf eine ganz bestimmte Art und Weise berührt, wie sie es kein zweites Mal erlebt hatte, und er war noch immer ganz tief in ihrem Herzen verwurzelt. Auch Puerto Rico mit seinen wundenschönen Stränden war ihr noch bestens in Erinnerung, obwohl sie seit damals nie wieder dort gewesen war. Vor vielen Jahren hatte sie all das hinter sich gelassen und die Erinnerungen nur in ihrem Herzen getragen. Abgesehen von ihrer Schwester und ihren Eltern wusste niemand, dass sie sich in Puerto Rico in einen Jungen verliebt hatte, und wie schwer es ihr nach dem Abschied gefallen war, wieder in den normalen Alltag zurückzukehren. Zum ersten Mal hatte sie nun ihrer besten Freundin von Marcos erzählt.
Seufzend lehnte sie sich auf dem Sofa zurück und sah Stefanie an, die Julia die ganze Zeit während ihrer Erzählung nicht ein einziges Mal unterbrochen hatte. Täuschte sie sich oder hatte ihre Freundin tatsächlich feuchte Augen bekommen?
„Wow, was für eine tolle Geschichte“, sagte sie schließlich.
„Nein, nicht wirklich“, erwiderte Julia und lächelte wehmütig. „Es gibt nämlich kein Happy End.“
„Du hast ihn nie wieder gesehen?“
„Nein.“ Julia schüttelte den Kopf. Sie sah ihre Freundin an, die immer noch dabei zu sein schien, die Geschichte zu verarbeiten. Dann erwiderte Stefanie ihren Blick.
„Sag mal, du hattest dein erstes Mal nicht wirklich unter dem Sternenhimmel und den von Palmen umgebenen Strand von Puerto Rico mit einem gutaussehenden braungebrannten Sonnyboy.“
„Äh… doch. Ja.“
„Wie romantisch. Bitte sag nicht auch noch, dass es gut war.“
Julia lächelte. „Doch. Es war sehr schön.“
„Oh Gott, du Glückliche. Ich hatte mein erstes Mal auf der Rücksitzbank eines alten Ford Escords auf dem Parkplatz einer Diskothek mit einem pickeligen Typen aus der Oberstufe. Ich kann mich nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern. Ich weiß nur noch, dass es einfach grässlich war und ich mir geschworen habe, so etwas nie wieder zu tun.“
Julia lachte laut auf. Die Geschichte war auch für sie neu. Zwar hatten sie eigentlich keine Geheimnisse voreinander, aber über ihr Sexleben sprachen sie nur selten. Stefanie lachte auch, doch dann hörte sie abrupt wieder damit auf und sah ihre Freundin an. Julia hatte eine Seite von sich preisgegeben, die ihr völlig fremd war. So kannte sie Julia eigentlich gar nicht. Seit sie Julia kannte, hatte sie immer wieder mal Beziehungen mit Männern gehabt, doch bis auf einen Mann, mit dem sie in der Universität ein paar Monate zusammengewesen war, waren es eigentlich immer nur flüchtige Bekanntschaften. Sie glaubte nicht an die Liebe und an den einzig Richtigen schon gar nicht, zumindest hatte sie das ihrer Freundin immer weisgemacht. Doch in Wirklichkeit war sie schon einmal verliebt gewesen, richtig verliebt sogar, und das schien ein großes Loch in ihrem Herzen hinterlassen zu haben, so schien es Stefanie.
„Was ist?“, fragte sie und riss Stefanie aus ihren Gedanken.
„Mmh?“
„Du siehst mich so an, als könntest du es nicht glauben.“
„Ähm… ja, das ist auch so. So kenne ich dich gar nicht. Du hast auf mich immer den Eindruck gemacht, als wenn dir Männer nicht so wichtig wären.“
„Du meinst ich benutze sie nur, um meinen Spaß zu haben?“
„Ja, irgendwie schon. Du lässt nie jemanden an dich heran. Hältst die Typen immer nur auf Abstand und gehst nie ein Risiko ein. Ich habe mich sooft gefragt, warum das so ist. Warum du es nie zulässt, dass dich jemand liebt oder dass du dich verliebst.“
„Ich war verliebt… sehr. Und es hat mir nur Kummer und Schmerz eingebracht. Das wollte ich nie wieder erleben. Mir gefällt es so wie es ist. Ich brauche keinen Mann an meiner Seite, um mich gut zu fühlen.“
Das nahm Stefanie ihrer Freundin nicht ganz ab. Aber genau so führte sie sich immer auf. Sie selbst hatte schon unzählige Versuche mit Männern unternommen, in längeren Beziehungen gelebt, war mit ihnen zusammengezogen und war sogar schon einmal verlobt gewesen. Und ja, wenn es vorbei war, tat es nun einmal weh, aber deshalb lieber ganz auf Liebe verzichten? Nein, das wollte sie nicht. Sie mochte Julia sehr und sie verstanden einander blind, aber so leben wie sie wollte Stefanie nicht. Sie war der festen Überzeugung, dass es da draußen in der Welt den Richtigen für jeden gab und sie war auch fest davon überzeugt, diesen einen irgendwann zu finden.
„Warum hast mir nie von ihm erzählt, wenn er dir so viel bedeutet hat?“
Julia zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil ich versucht habe, zu vergessen. Ich habe eine Weile gebraucht, um mich von der Trennung zu erholen.“
„Was ist denn passiert, als du nach Hause gekommen bist? Was ist aus diesem, wie hieß er noch gleich… Michael geworden?“
Julia lachte. „Gar nichts.“
„Hatte er wirklich eine andere, als du wieder zu Hause warst?“
„Nein. Das heißt, ich weiß eigentlich gar nicht so genau, ob er zwischendurch, als ich fort war, jemand hatte. Aber nach meiner Rückkehr war er immer noch an mir interessiert.“
„Und?“
„Nichts und. Ich wollte nicht mehr.“
„Warum?“
„Ich hatte mich verändert. Das ist alles.“
„Erzähl, was war nach deinem Karibik-Urlaub?“
„Es ging mir nicht gut. Ich habe viel geweint. Wollte niemanden sehen und habe mich in meinem Zimmer verkrochen. Als zwei Wochen später die Schule wieder anfing, ging es mir noch nicht wesentlich besser. Ich habe versucht, mich wieder anzupassen, aber ich hatte das Gefühl,