Und lange bleibt des Händlers Blick auf Magdas Stock hängen. „Dann bin ich hier also richtig, in Magdas Schänke und Herberge, wie mir scheint. Wikerus hat euch trefflich geschildert. Er versprach mir, hier die besten Biere zwischen Franconovurd und Uulthaha zu finden. Ich soll euch von ihm grüßen. Er meinte, mit euch sei nicht gut Kirschen essen. Und vor eurem Stock solle ich mich in Acht nehmen.“
„Ah, Wikerus, der alte Betrüger. Er war nicht der Erste und wird wahrlich nicht der Letzte gewesen sein, der meinen Stock für Zechprellerei zu spüren bekommt. Fortan kassier ich zuvorderst, eh ich bedien.“ Magda erinnert sich gut an den Händler, der versuchte, ohne zu zahlen ihr Haus zu verlassen. „Wie geht es ihm? Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen. Euch hingegen sah ich noch nie auf der Straße. Wie nennt ihr euch?“
„Ich bin Pessolt aus Moguntia. Wikerus ist zu alt für dieses Gewerbe. Er hat mir sein Handelsgeschäft verkauft und genießt nun das Leben auf dem Hof seines Sohnes. Ich bringe nun die Waren an den Mann, so er denn genügend zahlen kann. Nun, wie ist es mit Schlafplatz und Nachtmahl? Oder wollt ihr etwas kaufen?“
„Eine Kammer hätte ich hier zur Linken von euch, wo ihr bequem ruhen könnt. Als Speise habe ich heute einen Eintopf mit Fleisch vom Wildschwein oder gut geräucherten Schweinebauch, den ich mit frischen Eiern braten kann, wenn’s beliebt. Was die Biere angeht, so will ich wohl meinen, das Allerbeste bieten zu können. Ich habe Mönchsbier aus St. Wolfgang und Zwergenbier aus Steinenaue in den Fässern. Was habt ihr denn anzubieten, das ihr mir verkaufen wollt?“
„So nehm ich wohl vom Eintopf, Frau Magda, und die Kammer. Übers. Geschäft reden wir später.“ Der Händler blickt sich um und nimmt an einem Tisch Platz. Zuvor greift er unter seine Tunika und holt einen ledernen Beutel heraus, dem er ein paar Kupferstücke entnimmt. Diese legt er mit den Worten: „Dies mag wohl auch noch für einen guten Schluck Bier reichen.“ auf den Tisch.
„Und der junge Herr hier?“
Magda blickt nun den jungen Mann an, der gleich hinter dem Händler den Raum betreten und bis eben ruhig im Hintergrund gewartet hat.
Der Händler wendet sich um und meint: „Das Bürschchen gehört nicht zu mir. Er ist nur heute Morgen hinzu gestoßen. Er geht seinen eigenen Geschäften nach, nehme ich an.“
Das Bürschchen ist ein schmächtiger Jüngling von höchstens 19 Jahren, kaum fünf Fuß groß und deutlich weniger gut gekleidet, als der Händler. Die Gewandung scheint ein wenig zu weit. Das etwas dunkelrote Haar ist leicht wellig und recht kurz geschnitten. Gesicht und Hände wirken sehr fein, grobe Arbeit muss dem Jungen wohl fremd sein. Die Stimme kippt beim Reden immer wieder um, als sei er noch im Stimmbruch.
„So ist es.“, bestätigt der junge Mann. „Es ist sicherer, mit einem Händler zu reisen, denn alleine. Ich bin Kuno, Frau Magda. Ich wäre mit einem Schlafplatz in der Scheune und einem Stück Bauch zufrieden. Reicht euch dies?“
Kuno hält ihr ein großes Kupferstück hin und blickt sie irgendwie schüchtern an.
Pass auf dich auf, Jüngelchen, denkt sich Magda. Wenn du Handeln willst, musst du bestimmter auftreten. Hoffentlich wird dein Lehrgeld dich nicht teuer zu stehen kommen.
„Das reicht, junger Herr. Was wollt ihr trinken?“
„Wasser, Frau Magda. Mir reicht Wasser.“
Mit scheuem Blick tritt Kuno an des Händlers Tisch, setzt sich aber erst, nachdem dieser zustimmend nickte.
Nach dem Kupferstück des Jungen nimmt Magda nun auch des Händlers Zahlung an sich und drückt es Odo in die Hand, worauf dieser sofort damit aus dem Raum läuft, um es sicher zu verwahren. Magnus und Markward laufen los, das Essen zu bereiten und Rudwin kümmert sich um die Getränke.
„Wer ist denn jener kleine alte Mann?“, will Pessolt wissen und zeigt auf Frieder, der in einem gepolsterten tiefen Stuhl sitzend leise vor sich hin schnarcht.
Magda lächelt bei dem Anblick. „Dies ist Frieder Knöterich, der Halbling aus Lindenbach. Er lebt hier bei mir und verbringt seinen Lebensabend mit schweren philosophischen Fragen, bei denen er in der Regel gerne einschläft. Ich gönne ihm die Ruhe. Man nennt ihn auch Ob, weil er gerne seine Fragen mit dem Wörtchen Ob beginnt.“
„So, so, philosophische Fragen. Wikerus hat mir berichtet, dass bei euch sonderliches Völkchen ein und aus geht. Das sieht man auch an den Tischen und Bänken hier. So sieht also ein Halbling aus. Welcher Art sind diese Fragen denn?“
„Oh, diese sind wirklich äußerst tiefschürfend.“, antwortet Magda mit verschmitztem Lächeln. „Ich glaube, im Moment plagt ihn die Frage, ob die Götter die Sonne auspusten wie eine Kerze, wenn sie untergegangen ist.“
Laut lacht der Händler los. „Ach, doch so ungemein tiefgründige Fragen!“, ruft er. „Und, findet er auch eine Antwort?“
„Natürlich findet er auch eine Antwort!“, kommt es bestimmt aus der Tiefe des Stuhls heraus. Frieder ist bei der Nennung seines Namens durch Magda und dem Gelächter des Händlers aus seinem Schlummer erwacht. Er ist es gewohnt, dass die Gäste über ihn und seine Fragen lachen, denn gerne erfindet er derartige Fragen zur Belustigung der Reisenden. Die Zeit, da er tatsächlich solchen umnebelten Gedanken nach hing, ist Dank Magda schon sehr lange vorbei. Durch einen Sturz auf den Kopf im Kindesalter hatte sich sein Geist verwirrt und erst nachdem Magda ihn ernst genommen und auf ihn eingegangen war, hatte sich dieser Zustand zusehends gebessert. Langsam und vorsichtig, wie es die alten Knochen verlangen, krabbelt er aus dem Stuhl und baut sich zu voller Größe (bei nicht einmal drei Fuß wohl doch eher Kleinheit) vor dem Händler auf. Er blickt zu ihm hinauf und ergänzt:
„Magda ist die klügste Frau der ganzen Welt. Sie gibt mir immer die rechte Antwort.“ Dabei hat er gewichtig die Hände in die Seiten gestemmt. Rudwin muss mit dem Bier und dem Wasser um Ob herum gehen, um es auf den Tisch zu stellen.
Noch immer lacht Pessolt und auch der Jüngling lächelt verhalten.
„Nun, werter Frieder, was hat euch eure kluge Magda denn auf diese Frage für eine Antwort gegeben?“ Der Händler lacht noch immer.
„Euch hätte sie sicherlich geraten, selbst hinzugehen, ans Ende der Welt, und nachzusehen. Mir hat sie geantwortet, dass die Sonne nicht ausgepustet wird. Wenn ich eine Kerze nehme und mit einem Brett darüber hinweg gehe, sehe ich ihr Licht nicht mehr, obwohl sie immer noch brennt.“
„Eine wahrlich kluge Antwort, einer klugen Frau würdig.“, prustet der Händler und auch der Bursche lacht leise und hell.
„Nicht wahr?“, meint Frieder. „So ist sie, meine Magda. Doch jetzt entschuldigt mich, mich quält die Frage, ob die Sonne dann nicht die Erde von unten anbrät des Nachts.“ Damit wendet er sich wieder dem Stuhl zu, klettert hinauf und macht es sich wieder bequem. Der Anschein des tiefen angestrengten Nachdenkens weicht schon bald wieder dem leisen Schnarchen.
Pessolt aber kann sich kaum noch auf der Bank halten vor Lachen. „Köstlich, Frau Magda, wirklich köstlich. Selten so gelacht. Habt ihr dies öfters?“
„Nur wenn Gäste da sind.“, antwortet sie lächelnd. „Ah, da kommt ja auch schon euer Mahl.“ Mit einer leicht angedeuteten Verbeugung und dem Wunsch: „Lasst es euch munden, die Herren.“ zieht sich Magda zurück.
Nachdem der Händler noch einen Nachschlag vom Eintopf und den Brotrest des jungen Mannes verspeist hat, wo hingegen jener seine Last mit der eigentlich normalen Portion Eier und Bauch hatte, tragen Magnus und Markward den Tisch ab. Pessolt bittet Magda mit einem Wink heran zu treten.
„Bitte, noch einen Humpen. Was