Eringus - Freddoris magische Eiszeit. Rainer Seuring. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Seuring
Издательство: Bookwire
Серия: Eringus
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742716071
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geht, sieht er noch kurz vor die Tür und schreit: „Bewacht mir mein Gut ordentlich. Dass mir ja nichts abhandenkommt bis morgen!“

      Magda räumt noch kurz den Becher und den Humpen weg, bedeckt Frieder in seinem Stuhle mit einer Decke, löscht das Licht und folgt dann den Söhnen, die bereits vor Magdas Gesang in ihrer Kammer zu ihrer Schwester verschwunden sind.

      Ein sonderbarer Kauz, dieser schweigsame Kuno.

      * * * * *

      Schon vor dem ersten Hahnenschrei ist Magda wieder auf den Beinen. Sie richtet den Frühstücksbrei für ihre Kinder, den auch Pessolt nicht verschmäht, bevor er weiterzieht. Selbst die Bediensteten des Händlers bekommen ihre Schüsseln gefüllt. Kuno hat sich noch nicht sehen lassen.

      Frieder ist auf seinem Kontrollgang, wie er es nennt. Um seine Wichtigkeit zu unterstreichen ist er immer schon vor Magda draußen, um nach dem Rechten zu sehen.

      „Magda, du musst kommen. Die Rinder drüben am Wald sind unruhig. Ich höre sie bis hierher rufen. Bestimmt ist ein wildes Tier dort an der Weide, das sie erschreckt.“, kommt er herein gestürmt.

      Magda nimmt den Kessel vom Haken, damit der restliche Brei, der für Kuno bestimmt ist, nicht verbrennt. „Das wird wohl wieder die alte Bärin sein. Ihre Winterruhe ist vorbei. So langsam sollte sie etwas anderes zu fressen finden, als meine Rinder. Die sind zu teuer und sie kann nicht zahlen.“, scherzt Magda. Es ist nicht das erste Mal, dass sie einen Bären vertreiben muss. Sie wendet sich ihren Kindern zu, die am Tisch noch ihren Brei löffeln.

      „Hör mir gut auf die großen Jungs, Methildis.“, spricht sie zu ihrer Kleinen und streicht ihr durch das Haar. Das Mädchen klopft begeistert in ihrer Schüssel herum und strahlt ihre Mutter an. Dann wendet sich Magda Magnus und Markward zu. „Ihr hört auf die Großen, solange ich fort bin. Ja? Und ihr beiden, ihr behaltet alles im Blick, Odo und Rudwin.“ Reihum gibt sie jedem ihrer Söhne einen Kuss auf das Haupt. „Ihr wisst, was alles zu tun ist. Passt auf euch auf. Und wenn es Probleme gibt, geht in die Bule zu eurer großen Schwester. Die wird euch immer helfen. Ich hab euch sehr lieb.“ Dabei greift sie zu ihrem ständigen Begleiter, dem Kampfstock.

      „So hast du dich ja noch nie verabschiedet, Mutter.“, stellt Odo überrascht fest.

      „Nicht? Dann hätte ich es vielleicht schon öfter tun sollen.“, antwortet Magda leichthin. „Komm, Frieder! Wir haben etwas zu tun.“ Damit eilt sie aus dem Haus, gefolgt von dem kleinen Halbling, der aber nicht mehr so schnell ist, mithalten zu können.

      „Ich komme schon!“, ruft er hinterher und läuft so schnell, wie er es noch vermag. Bei gemütlichem Schritt wippen Halblinge wegen der sehr großen Füße immer auf und nieder. Jetzt aber ist davon nichts mehr zu bemerken. In Eile benutzen die Kleinen stets nur die Vorderfüße. Der Händlerzug setzt sich gerade langsam wieder in Bewegung in Richtung Franconovurd. In die entgegengesetzte Richtung eilt Magda und nicht auf der Straße, sondern abseits auf Feldwegen, um bald schon nach rechts zum Wald hin abzubiegen.

      Nach geraumer Zeit ist sie am abgelegenen Ende der Weide angekommen. Sie muss nicht nach der Bärin suchen. Die Kühe stehen in der Ecke des Zauns zusammen gedrängt und muhen, was die Lunge hergibt. Kein Wunder, denn vor ihnen steht hoch erhoben ein Riesenvieh von einer Bärin. Bestimmt über 300 Pfund schwer und weitaus größer als Magda droht sie den Rindern mit wildem Gebrüll, noch unschlüssig, welches davon ihre Mahlzeit werden soll. Mit einem Sprung über den Holzzaun ist Magda auf der Weide und schreit noch im Laufen aus Leibeskräfte: „Hey, du alter Mitesser. Das ist mein Futter und geht dich gar nichts an.“

      Im Grunde ist es gleich, was sie ruft. Es geht einzig darum, der Bärin Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Prompt reagiert das mächtige Tier, lässt sich auf alle Viere nieder und wendet sich, böse brummend, der unerwarteten Konkurrenz zu. Magda bleibt stehen und erwartet in Ruhe den unvermeidlichen Angriff des Raubtieres.

      Inzwischen hat auch der atemlose Frieder die Weide erreicht und ist nicht weit hinter Magda.

      Die Bärin kommt näher und erhebt sich. Damit versucht sie, Magda, durch lautstarkes Drohen zu vertreiben und die Beute für sich zu beanspruchen. Eine für Magda bekannte Prozedur, die sie geduldig erwartet. Sie weiß, dass das Tier bald noch ein oder zwei Schritte näher kommen wird, bevor es richtig angreift. Darauf wartet sie. Noch während der Schritte will sie vorspringen und mit dem Stock gegen die Kehle stoßen. Gleich darauf muss sie auf die Nase schlagen. Der Schädel selbst ist viel zu hart, als dass ein Hieb darauf sonderlich Wirkung zeigen würde. Breitbeinig, den Stock fest in beiden Händen, bereit zuzustoßen, steht Magda da.

      Frieder wirft seine Mütze in die Luft und schreit, um das Tier zusätzlich zu verwirren. Sofort läuft er weiter. Über sich hört er das leise Sirren eines Pfeils. Gleich darauf trifft dieser von der Seite Magdas Hals. Die Spitze schlägt durch und schaut auf der anderen Seite wieder heraus. Die Halsschlagadern sind eröffnet. Blut strömt in großer Menge pulsierend aus. Langsam, wie ein gefällter Baum, kippt die Frau zur Seite und bleibt reglos liegen. Frieder steht vor Schreck wie angewurzelt da. Dann dreht er sich um, blickt in die Richtung aus der der Pfeil gekommen sein muss und sieht tatsächlich, am Waldrand versteckt, eine Gestalt, die ein junger Mann im braunen Mantel sein könnte, welcher sich eiligst davon macht. Schon ist die Gestalt nicht mehr zu sehen. Frieders erste Sorge aber gilt Magda. Er stürmt schreiend, die Bärin missachtend, zu ihr hin.

      „Magda, steh auf. Was ist mit dir? Sag was! Tu was! Magda!“

      Frieder bricht in Tränen aus und trommelt wie wahnsinnig auf der sterbenden Frau herum, als könne er sie damit beleben, ihr helfen. Noch einmal öffnet sie die Augen, tonlos formen Lippen unverständliche Worte, gefolgt von einem letzten Lächeln. Damit schließt Magda die Augen für immer.

      Für die Bärin war Frieders Geschrei und Getrommel zu viel. Sie zieht sich lieber zurück und verzichtet auf die Mahlzeit.

      Unablässig rüttelt Frieder weiter an dem leblosen Körper, unfähig, den Tod Magdas zu verstehen. In seine Trauer mischt sich Wut, die den Tränenstrom verebben lässt. Trotzig erhebt er sich und wendet sich dorthin, wo der Bogenschütze gestanden hat. So schnell, wie es seine alten kurzen Beine nur erlauben, rennt er los. An der Stelle stehen die Bäume nicht sehr dicht. Es ist nur ein schmaler Ausläufer des Waldes, der zwei Wege voneinander trennt. Auf dem Weg entlang der Weide ist niemand zu sehen. Frieders Gefühl sagt ihm, welche Richtung er nehmen muss. Auf Spuren am Boden achtet er nicht. Weit kann der Kerl nicht sein. Er läuft so schnell er kann die Straße nach Steinenaue hoch. Den Bogen, der hoch oben in einem Baum in dem Waldstück baumelt, hat er nicht gesehen.

      * * * * *

      Im ersten Licht des Morgengrauens dieses Tages hatten sich Guda und Beata auf den Weg gemacht. Sie wollten zu Eringus. Guda musste endlich Bekanntschaft machen mit dem Drachen, fand Beata. Es ging nicht an, dass die Halbzwergin nach so vielen Monaten sich immer noch nicht zu ihm traute, ist er doch ein so unverzichtbarer Partner.

      Guda hat einen ganz anderen Standpunkt dazu. Natürlich weiß sie, dass der Drache im Grunde ein friedfertiger Zeitgenosse ist, der eigentlich nur in Ruhe und Frieden in seinem Tal leben mochte. Aber er ist nun mal ein Drache, mit gar fürchterlichen Möglichkeiten. Und vor allen Dingen: Er ist so ungeheuer groß. Außerdem weiß Guda nicht, was man mit einem Drachen anfangen soll. Ihr ganzes Leben ist sie ohne einen ausgekommen.

      „Stell dir mal vor, Guda, ich bin in einen tiefen Graben gestürzt und komme nicht mehr aus eigener Kraft heraus oder ich bin verletzt und nicht mehr bei Sinnen. Und du kannst mich nicht erreichen und mir helfen. Der Drache kann immer helfen und sei es nur, passendere Hilfe zu beschaffen, wie zum Beispiel Zwerge zu schicken. Außerdem ist er ein hervorragender Gesprächspartner für alle Fragen.“

      „Ich hab dich.“, brummte Guda trotzig.

      „Ich weiß viel, aber nicht alles. Er aber verfügt über Wissen, das so weit zurück reicht, dass es noch gar keine Aufzeichnungen gibt. Vielleicht gibt es aber auch mal etwas, das du lieber nicht mit mir besprechen möchtest und du trotzdem Rat benötigst.“

      „Was