Zwielicht Classic 13. Michael Schmidt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schmidt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745092431
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Ja, mir dämmerte etwas. – Die Judensau! Stefanie! Jäh flammte die Wut in mir wieder auf. „Untermensch“ hatte ihre Mutter mich genannt!

      „Beruhige dich“, sagte Eva sanft.

      Ich tat's. Ihre Wirkung auf mich war wirklich ungeheuerlich. Sie las meine Gedanken. Sie verstand alles. Meine Wut. Sie hörte mein innerliches Fluchen. Aber sie ließ mich nicht die geringsten Ressentiments spüren, auch wenn sie missbilligte, was ich dachte. Sie reagierte auf eine Art und Weise, die mich selbst friedlich stimmte.

      „Bitte, Adolf, es tut mir leid, aber man hat dich ins Jahr 2906 befördert. Es ist etwas schiefgelaufen.“

      „Was? 2906? – Das kann nicht sein! Ich müsste ja zu Staub zerfallen sein!“

      Keine Sorge, das beherrschen wir schon. Zeitreisen überlebt man, wie du siehst. Zu deiner Zeit war das sicherlich noch nicht vorstellbar.“ Sie stockte. „Das Problem ist nur: Ich kann dich nicht mehr zurückschicken.“

      „Moment mal! Wieso – inwiefern ist da überhaupt etwas schiefgelaufen?

      Sie seufzte. „Der Plan war anders. Miele sollte dich aus dem Verkehr ziehen, mehr nicht.“

      „Miele? Die Waschmaschine? Sie hatte einen Auftrag? – Von dir?“

      „Ja. Miele steht für ‘Maschinen zur Internierung beziehungsweise Extraktion lebensbedrohender Existenzen‘. Wir mussten es tun, um unsere eigene Existenz zu sichern. Unser tausendjähriges Reich, das verstehst du doch!“

      Nun, für den Wunsch nach tausendjährigen Reichen hatte ich durchaus irgendwie Verständnis. Aber was hieß hier ‘Internierung beziehungsweise Extraktion lebensbedrohender Existenzen'? „Ihr wolltet mich aus dem Verkehr ziehen?“, fragte ich, immer noch ungläubig.

      „Eine Säuberungsaktion, ja. Eine Weile einsperren beziehungsweise ins Exil schicken. Jeden, der das friedliche Miteinander durcheinanderzubringen drohte, musste wir ausschalten. Zumindest bis die kritische Phase vorbei war.“

      Ich war empört. Wieso gerade ich? Wenn irgendjemand das friedliche Miteinander in empfindliches Ungleichgewicht gebracht hätte, dann war es gewiss nicht ich! Ich war doch immer nur das Opfer gewesen! Zuallererst meines Vaters – okay, im Nachhinein kann man sich in dem Zusammenhang über den Begriff „Opfer“ sicherlich streiten. Aber er hatte angefangen, ganz klar! Alles andere war Notwehr gewesen! „Und was, bitte schön, hattet ihr von mir zu befürchten?“

      „Oh, je“, meinte sie, „das willst du gar nicht wissen.“

      Natürlich wollte ich das, und sie wusste das auch.

      „Nun gut. Du hättest einen Weltkrieg entfacht, halb Europa erobert, die Juden dort so gut wie ausgerottet, daneben alle, die dir nicht passten. Einschließlich der gefallenen Soldaten wären dir alles in allem gut dreizehn Millionen Menschen zum Opfer gefallen.“

      „Waaas?“

      Eine Weile schwiegen wir beide.

      „Äh, findest du das nicht ein wenig arg spekulativ?“, fragte ich schließlich.

      „Unsere Prognosen sind eigentlich ziemlich genau“, entgegnete sie trocken. „Besser als die Miele-Waschmaschinen.“

      „Habt ihr noch andere aus dem Verkehr gezogen?“, wollte ich wissen.

      „In tausend Jahren sicherlich einige Millionen“, entgegnete sie. „Sonst wären du und ich jetzt nicht hier.“

      Das fand ich durchaus ein Stück weit entlastend.

      „Du warst allerdings der schlimmste Fall. – Ich muss gestehen, ich war sehr neugierig, als es hieß, du seist angekommen.“

      „Und ein Zurück gibt es nicht?“, vergewisserte ich mich.

      Sie lachte. „Wie denn? Dann wäre die Welt längst untergegangen. Es gäbe dieses Leben in Freiheit und Liebe nicht.“

      Freiheit und Liebe. Da regte sich schon wieder etwas. Ah, dieser Drang! Ich wollte stürmen! Vorwärts! „Eva – wie heißt euer tausendjähriges Reich?“

      „Paradies“, gab sie zurück. Sie erhob sich und beugte sich über mich. „Ganz ehrlich, Dölfchen, ich hab den Eindruck, du bist gar nicht so. Irgendetwas muss da ziemlich aus dem Ruder gelaufen sein.“

      Ruder. Wieder so ein Begriff. Und dann in diesem Tonfall! Ich konnte mir ein Stöhnen nicht verkneifen.

      Ihr Lachen gurrte. „Du bist schon aus dem richtigen Holz“, sagte sie. „Hart. Aber nicht brutal, nicht wahr?“

      Ich zog sie an mich. Da war kein bisschen Widerstand. Aber auch kein bisschen Unterwerfung. Miele sei Dank! „Ich zeig's dir!“, sagte ich.

      Merlin Thomas – Operation Heal (2013) 23

      Amerika hat – nein, wir haben in dem letzten Jahrzehnt der Welt nicht so gedient, wie unsere Position in der Welt, wie unsere Verantwortung für die Welt es von uns, von Amerika verlangt.

      Im Gegenteil, Amerika hat – nein, wir haben in dem letzten Jahrzehnt der Welt Schaden zugefügt.

      Das letzte Jahrzehnt ist vorbei. Das letzte Jahrhundert ist vorbei. Das letzte Jahrtausend ist vorbei. Wir leben in einer neuen Zeit. Einer Zeit für ein neues Amerika, ein Amerika des neuen Jahrtausends. Ein Amerika, das die Größe besitzt, der Welt zu dienen, der Welt zu helfen, die Welt zu heilen.

      Wir werden – nein, Amerika wird die Welt heilen von den Wunden, die nicht nur wir ihr zugefügt haben.

      Für dieses Amerika stehe ich. Dieses Amerika werde ich erschaffen. Mit Ihrer und mit Gottes Hilfe.

      Aus der Antrittsrede von Präsident Ashton J. Jacobs, 20. Januar 2001.

      Am dritten Tag unserer Aufklärungsfahrt durch das Operationsgebiet stießen wir auf eine Ansiedlung aus acht improvisierten Gebäuden bei den Koordinaten +2° 23' 42.2“, +42° 02' 20.9“, die um eine kleine Wasserquelle herum angeordnet waren. Wir umrundeten sie in unserem Fahrzeug. Über die Infrarotkameras konnten wir um die zwei Dutzend Individuen ausmachen, die sich zwischen ihren Blech- und Strohhütten verbargen. Eine unbekannte Zahl an Individuen war innerhalb der Hütten zu vermuten. Die Vorfallsrestbelastung lag im erwarteten Rahmen (siehe Messprotokoll im Anhang).

      Gemäß den Missionsdirektiven hielten wir in sicherer Entfernung und schickten eine Gruppe in Strahlenschutzanzügen hinaus. Wie in den Durchführungsvorschriften zur Erkundungsmission im Operationsgebiet festgelegt, nahmen wir Boden- und Wasserproben im Dorf und in den verschiedenen vorgeschriebenen Entfernungen.

      Wir nahmen Kontakt mit den Einwohnern auf und konnten mithilfe des mitgeführten elektronischen Übersetzers schnell in Verhandlungen eintreten. Nach der audiovisuellen Dokumentation der Auswirkungen des Vorfalls auf die Physiologie der Einwohner sowie der einvernehmlichen Entnahme verschiedener Proben (Blut, Speichel, Urin) konnten wir zwei der Einwohner überzeugen, uns zurück zum Missionszentrum für eingehende Untersuchungen zu begleiten.

      Aus dem Missionsbericht von Lt. Henrik Masters, kommandierender Offizier 3rd Platoon (Deep Recon), 2nd FORECON, USMC, 14. März 2001.

      „Sind wir drauf?“ Die Reporterin drückte sich die Hand gegen das rechte Ohr. Über ihr Mikrofon gebeugt schaute sie fragend knapp an der Kamera vorbei. Sie nickte bestätigend und blickte lächelnd direkt in die Kamera.

      „Hallo und herzlich willkommen. Hier ist Karen Metcalf für US News Network live von der USS Abraham Lincoln.“ Sie schrie, um den Lärm der startenden Hubschrauber zu übertönen, zu denen sie jetzt deutete.

      „Hinter mir sehen Sie die Hubschrauber, die seit dem Eintreffen des Trägers und seiner Begleitflotte hier am Horn von Afrika gestern Abend rund um die Uhr im Einsatz sind, um Menschen und Material an Land zu bringen.“ Sie drehte sich zurück zur Kamera und deutete zur Seite. „Schwenk mal dort rüber, Matt.“

      Der Kameramann folgte ihrer Anweisung und zoomte