Meine Mutter arbeitete Anfang der 60er Jahre in einer Konditorei in der Hamburger Innenstadt. Als sie am späten Abend des 16. Februar 1962 nach Hause gekommen war, konnte keiner ahnen, dass sie sehr viel Glück gehabt hatte. Auf ihrem Nachhauseweg hatte sie, ohne es zu wissen, den letzten Zug erreicht, der an diesem Abend und dann für längere Zeit die Elbe überqueren konnte, um Hamburg in Richtung Süden oder Westen zu verlassen. In dieser Nacht erlebte die Hansestadt die schwerste Sturmflut seit Menschengedenken und eine der schlimmsten Katastrophen, die je über die Stadt hereingebrochen ist. Die Menschen hatten sich tief in ihre Decken vergraben in dieser bitterkalten Nacht zum 17. Februar und schliefen, als in Hamburg an mehreren Stellen die Deiche vor der aufgewühlten Elbe brachen. Zunächst in Finkenwerder, Wilhelmsburg, Moorburg und Moorfleet, später in Neuenfelde und Altenwerder. Die Anwohner wurden durch die aufheulenden Sirenen geweckt oder durch Feuerwehrleute, die Fenster einschlugen, um die Menschen zu alarmieren und vor den Fluten zu retten. Der Orkan „Vincette“ raste mit 130 Stunden-kilometern über den Norden Deutschlands hinweg und drückte das Wasser der Elbe zurück stromaufwärts Richtung Hamburg. Kurz nach 3.00 Uhr nachts erreichte die Elbe den Höchststand von 5,70 Meter über Normalnull. Der Strom war ausgefallen und der Verkehr schon lange zusammengebrochen. Auch in den Marschlanden in Hamburgs Süden war das Wasser über die Deiche gespült. Unzählige Tiere, insbesondere die schutzlosen Rinder auf den überfluteten Wiesen, wurden getötet. Die Bilanz der Sturmflut war verheerend. Mehr als 150 Quadratkilometer wurden überflutet, 350 Menschen fanden den Tod in den Fluten oder erfroren, auf Hilfe wartend, auf dem Dach ihres Hauses, 15.000 Hamburger wurden obdachlos. Besonders schlimm traf es den Stadtteil Wilhelmsburg. Alleine dort kamen 200 Menschen ums Leben. Ich kann mich noch genau erinnern, wie es in Wilhelmsburg entlang der Eisenbahnstrecke vor der großen Flut ausgesehen hat. Immer, wenn ich in Begleitung meiner Eltern mit der Bahn nach Hamburg fuhr, sah ich die vielen kleinen Hütten, in denen etliche Hamburger Bürger nach den Bombennächten des 2. Weltkrieges Unterschlupf gefunden hatten und dort immer noch wohnten. Viele dieser Menschen hatten keine Chance zu entkommen, als sie im Schlaf von der Flut überrascht wurden.
Dass nicht noch mehr Menschen ums Leben gekommen sind, ist Helmut Schmidt zu verdanken, dem damaligen Innensenator der Hansestadt. Sofort nachdem er am Morgen des 17. Februar von der Katastrophe erfahren hatte, begab er sich in die Einsatzzentrale und gab den Befehlshabern der Bundeswehr unmissverständlich zu verstehen, dass er alleine den Katastropheneinsatz leiten würde. So koordinierte Schmidt, der im 2. Weltkrieg Offizier gewesen ist, den Großeinsatz von Rettungsdiensten, Katastrophenschutz, THW, sowie der Bundeswehrsoldaten und ignorierte jede bürokratische oder formelle Hürde, indem er sich telefonisch direkt mit den Verteidigungsministern der angrenzenden NATO-Staaten in Verbindung setzte und um Unterstützung durch deren Hubschrauber bat. Dieser Bitte wurde umgehend entsprochen. Schon am frühen Nachmittag des 17. Februar schauten wir Kinder staunend zum Himmel hinauf, wo eine nicht enden wollende Armada von Hubschraubern aus Westen kommend über unser Dorf hinweg in Richtung Hamburg flog. Unzählige Opfer konnten mit Schlauchbooten und den zu Hilfe gekommenen Hubschraubern von den Dächern, Fensterbänken oder gar aus Bäumen gerettet und vor dem Tod bewahrt werden. Helmut Schmidt bewies, dass in besonderen Situationen lange Diskussionen und Rücksichtnahme auf Zuständigkeiten fehl am Platze sind, sondern dass in diesem Falle alleine Courage und Pragmatismus gefragt sind. Nach der Flutkatastrophe von 1962 wurde der Deichschutz in Hamburg und im Umland stark verbessert, indem die Deiche und andere Hochwasserschutzanlagen erhöht und zentrale Deichverteidigungsorganisationen aufgebaut wurden. Auch der Warndienst, der Sturmfluten frühzeitig erkennt und die Bevölkerung rechtzeitig informiert, wurde eingerichtet, denn als das Drama der großen Flut vorbei war, gab es in der Öffentlichkeit heftige Vorwürfe gegen die Behörden, sie hätten die Gefahr nicht rechtzeitig erkannt und die Bürger zu spät gewarnt.
Der Deutsche Fußballmeister von 1961, der 1. FC Nürnberg, konnte im Europapokal den Erfolg der deutschen Mannschaften aus den beiden Vorjahren, Eintracht Frankfurt und Hamburger SV, nicht ganz wiederholen. Das Viertelfinal-Hinspiel in Nürnberg gewann der Club zwar mit 3:1 gegen den amtierenden Europapokalsieger Benfica Lissabon, musste aber im Rückspiel eine 0:6-Schlappe über sich ergehen lassen. Immerhin konnte man sich in Nürnberg damit trösten, nicht nur gegen den amtierenden, sondern auch gegen den neuen Europapokalsieger ausgeschieden zu sein. Im Endspiel siegte Benfica gegen Real Madrid mit 5:3, trotz eines 2:3-Halbzeitrückstands, für den Puskas mit seinen drei Toren gesorgt hatte und fügte damit Real die erste Niederlage in einem Europapokalendspiel zu. Ein junger Spieler fiel in diesem Endspiel besonders auf. Es war Eusebio, der zwei Tore schoss und den Grundstein dafür legte, der beste portugiesische Fußballspieler aller Zeiten und einer der besten der Welt zu werden.
Bei der deutschen Nationalmannschaft hatte es nach der WM in Schweden einen Umbruch gegeben, nachdem alle Weltmeister von 1954 ihre Länderspielkarriere beendet hatten, zuletzt Helmut Rahn, der sich im April 1960 beim 2:1-Sieg gegen Portugal mit seinem letzten Länderspieltor verabschiedet hatte. Neben Uwe Seeler, Karl-Heinz Schnellinger, Willy Schulz und dem neuen Kapitän Herbert Erhardt von der SpVgg Fürth, waren jetzt auch Friedel Lutz von Eintracht Frankfurt, der Münchener Willy Giesemann, Helmut Haller vom BC Augsburg sowie der Mönchengladbacher Albert Brülls feste Größen im Nationalteam, das in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1962 in Chile gegen Nordirland und Griechenland antreten musste. Auch der Hamburger Charly Dörfel gehörte eigentlich dazu und wäre bei der WM sicherlich erste Wahl bei der Besetzung der Linksaußenposition gewesen. Es hatte sich jedoch herausgestellt, dass der torgefährliche Außenstürmer, der es verstand, aus vollem Lauf herrliche Flanken auf den Kopf von Uwe Seeler zu servieren, sehr große Flugangst hatte. Deshalb plante Herberger für Chile nicht mit dem Hamburger, sondern überredete Hans Schäfer, für die Weltmeisterschaft in die Nationalelf zurück zu kehren. Zum Stammtorwart hatte sich zwischenzeitlich Hans Tilkowski von Westfalia Herne etabliert, der von seinen Konkurrenten Fritz Ewert aus Köln und dem Stuttgarter Günter Sawitzki nur hin und wieder in Freundschaftsspielen vertreten wurde. Die neu formierte Mannschaft konnte sich souverän für die Weltmeisterschaft qualifizieren. Das erste Spiel gegen Nordirland im Oktober 1960 wurde mit 4:3 in Belfast gewonnen. Dabei erzielte Charly Dörfel zwei Tore. Die beiden anderen Treffer für Deutschland schossen Uwe Seeler und Albert Brülls.
Nach dem 3:0-Sieg in Athen gegen Griechenland bestaunte man einmal mehr den Einsatzwillen des Hamburger Mittelstürmers Uwe Seeler. „Der spielt auch noch halbtot“, hieß es nach dem Spiel. Was war geschehen? Mit einer stark blutenden Kopfplatzwunde musste Seeler am Spielfeldrand behandelt werden und kam anschließend mit einem dicken Kopfverband zurück aufs Spielfeld und kämpfte weiter, als sei nichts geschehen. In diesem Zusammenhang wird es Zeit, mit einem Irrtum aufzuräumen, dem noch heute Viele unterliegen: Dieter Hoeneß, der viele Jahre später in einem DFB-Pokalendspiel ebenfalls mit einem sogenannten „Turban“ weiterspielte, war nicht der erste Fußballspieler, der in einem wichtigen Spiel einen solchen „Kopfschmuck“ trug, sondern es gab vor ihm noch andere. Neben Uwe Seeler erlitt dieses Schicksal auch Dortmunds Kapitän Willy Burgsmüller beim Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1963.
Zwei Jahre nach dem Qualifikationsspiel in Athen, mit der Kopfverletzung Seelers, riefen mir Schulfreunde zu, die mich besuchten, weil ich nicht am Schulunterricht teilnehmen konnte: “Du siehst ja aus wie der Uwe“. Mir wurde nämlich genau so ein Kopfverband verpasst, wie dem Mittelstürmer des HSV. Ursache für meinen Kopfverband war diesmal allerdings nicht der Fußball, sondern er war Folge von Hochsprungübungen im Rahmen des Schulsports. Unser Lehrer beschäftigte sich mit einer anderen Gruppe von Schülern, während ein Mitschüler das Hochspringen „beaufsichtigte“. Nun muss man wissen, dass sich auf dem Sportplatz unserer Dorfschule keine richtige Hochsprunganlage befand. Es wurden deshalb zwei schwere Pfosten aus massivem Holz aufgestellt, zwei Haken konnten auf die gewünschte Hochsprunghöhe gestellt werden, ein Band wurde darüber gelegt und jetzt kam es darauf an, dass man über die Hürde hinweg kommt, ohne das Band herunter zu reißen. Nun konnte ich zwar schnell und ausdauernd laufen, aber beim Kugelstoßen musste ich aufpassen, dass ich mir das Gerät nicht auf den Fuß werfe und auch der Hochsprung war nicht meine Paradedisziplin. Dazu muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass man damals noch versuchen musste, mit einer Mischung aus Hechtsprung und Rolle vorwärts, das Hindernis zu überwinden.
Bei meinem