Der Sommer 1959 war außergewöhnlich heiß und trocken. Entsprechend gut und begehrt war der Wein aus diesem Jahr. Meine drei und vier Jahre älteren Schwestern hatten in der Schule gehört, dass aufgrund der andauernden Trockenheit Wasserknappheit drohe. Sie ermahnten mich, nicht so viel Wasser zu verbrauchen. Von meinen Schwestern erfuhr ich auch, dass unter der Führung eines gewissen Fidel Castro auf Kuba eine Revolution gegen das herrschende Militärregime begonnen habe. Mit meinen sechs Jahren habe ich mich köstlich über den Namen „Fidel“ amüsiert. Niemand hat damals ahnen können, dass dieser Fidel Castro, der schon als junger Jurastudent in der revolutionären Studentenbewegung aktiv gewesen ist, fast 50 Jahre lang Staatschef Kubas sein würde. 1952 hatte Castro die Führung der oppositionellen Untergrundbewegung übernommen, die das Ziel hatte, den Diktator Batista zu stürzen. Ein erster Angriff auf eine Kaserne in Santiago ein Jahr später scheiterte jedoch und hatte 56 Guerilleros das Leben gekostet. Castro selbst wurde verhaftet und zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Bei seiner Verteidigung vor Gericht, die er selbst übernommen hatte, prägte er in seinem Schlussplädoyer einen Satz, der zum wichtigsten Schlagwort der revolutionären Bewegung Kubas werden sollte: „Die Geschichte wird mich freisprechen!“
Castro wurde allerdings bereits 1955 aus der Haft entlassen und ging ins Exil nach Mexiko, wo er eine neue Guerillabewegung aufbaute. In Mexiko-City lernte er durch Zufall den aus Argentinien stammenden Arzt Ernesto Guevara kennen, der sich entschied, sich der Revolutionsbewegung anzuschließen. Guevara sollte der beste Freund und wichtigste Weggefährte Fidel Castros werden, der ihn fortan nur noch „Che“ nannte, was nichts mehr und nichts weniger bedeutet als „Freund“. Im Dezember 1956 landete die Revolutionstruppe mit 82 Männern auf Kuba, wo es zu schweren Kämpfen mit den Regierungstruppen kam, bei denen 70 Guerilleros ihr Leben ließen. Castro und die anderen elf Überlebenden, unter andern sein Bruder Raúl und Che Guevara konnten in die Sierra Maestra fliehen, von wo aus sie den Kampf gegen den Diktator Batista fortsetzten und in der Folgezeit eine immer breiter werdende Unterstützung in der Bevölkerung fanden. Im Dezember 1958 marschierte die Revolutionstruppe in Havanna ein und im Januar 1959 konnte das Regime Batista endlich gestürzt werden. Fidel Castro wurde Ministerpräsident der neuen kubanischen Regierung, konnte seine Macht in Kuba relativ schnell stabilisieren und bekannte sich eindeutig zum Marxismus-Leninismus. Er etablierte ein sozialistisches System nach sowjetischem Vorbild, begann sofort nach der Machtübernahme mit politischen, sozialen, sowie wirtschaftlichen Reformen und leitete die Bekämpfung des Analphabetentums in Kuba ein. Sein Freund Che Guevara wurde aufgrund seiner zahlreichen Verdienste um die Befreiung des Landes zu einem „gebürtigen Kubaner“ erklärt und als Chef der kubanischen Staatsbank eingesetzt. Im Februar 1961 wurde er zum Industrieminister ernannt und war weiterhin an der Gründung der kommunistischen Partei Kubas beteiligt, deren Generalsekretär Fidel Castro 1962 werden sollte. Am 11. Dezember 1964 hielt Che Guevara eine vielbeachtete Rede vor der UNO. Dabei kritisierte er, dass Amerika und die Sowjetunion die Welt untereinander aufteilen würden, gab zu verstehen, dass die Unterschiede zwischen den Menschen nicht durch ihre Hautfarbe bestimmt seien und sprach sich für die vollständige Zerstörung aller atomarer Waffen aus. Nach dieser eindrucksvollen Rede trat er von allen politischen Ämtern zurück und verzichtete auf die kubanische Staatsbürgerschaft. Er wollte keine Reden mehr halten, sondern mit der Waffe in der Hand der Menschheit dienen. Die von ihm 1965 eingeleitete Revolution im Kongo scheiterte, weil das Volk nicht den Ideen Guevaras gefolgt war. In Bolivien führte er, obwohl in der Zwischenzeit schwer an Asthma erkrankt, ebenfalls die Revolution an. Nach stundenlangen Kämpfen mit den Regierungstruppen wurde er gefangen genommen und am 9. Oktober 1967 ermordet. Für die Jugend der Welt aber wurde Che Guevara ein Idol und galt nicht nur für die jungen Menschen der „68er Generation“ als Sinnbild des Freiheitskämpfers, sondern er ist es noch heute für große Teile der Jugend.
Ende 1959 waren in der Bundesrepublik gut drei Millionen Fernsehgeräte angemeldet, meine Eltern konnten sich diesen Luxus nach wie vor nicht leisten. Aber wir hatten ja ein Radio und lauschten den tollen Hörspielen oder waren begeistert bei den Sketchen von Heinz Erhardt oder Peter Frankenfeld. Freddy Quinns „Die Gitarre und das Meer“ war der Hit des Jahres und der Film mit gleichem Namen wurde auch der größte Kinoerfolg. Im gleichen Jahr wurde der Film „Die Brücke“ gedreht, der für Fritz Wepper, Volker Lechtenbink, Michael Hinz und andere talentierte Nachwuchsschauspieler der Anfang ihrer erfolgreichen Karriere war. Ich habe diesen Film erst viele Jahre später sehen können und dies war wahrscheinlich auch gut so, denn inzwischen hatte ich mir einiges Wissen angeeignet über die Zeit des Nationalsozialismus und des 2. Weltkrieges. So war ich in der Lage, die brutale Ausnutzung von jungen Soldaten durch machthungrige Kriegsherren beurteilen zu können, wie sie auch in diesem Film deutlich wurde. Der Missbrauch der Jugendlichen in den letzten Kriegstagen, die den Auftrag hatten, eine unbedeutende Brücke zu verteidigen, zeigt den Wahnsinn der damaligen Zeit auf und bietet gleichzeitig Parallelen zur heutigen Realität in vielen Teilen dieser Welt, in der Jugendliche dazu verführt werden, als Friedenskämpfer oder Selbstmord-attentäter „Heldentaten“ zu vollbringen, um nach dem Tode Ruhm zu erlangen. Diese jungen Menschen werden nicht im Entferntesten ahnen, dass sie nur ausgenutzt werden, von machthungrigen Verbrechern oder Psychopathen.
Der Roman “Die Blechtrommel“ von Günter Grass erhielt international viel Lob und das neue Segelschulschiff der Bundesmarine, die „Gorch Fock“, machte ihre erste Auslandsfahrt. In jener Zeit musste auch ein Nachfolger für den bisherigen Bundespräsidenten Theodor Heuss gefunden wurden. Zunächst wollte Konrad Adenauer den erfolgreichen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard hierfür vorschlagen, kandidierte dann aber selber und verzichtete schließlich doch darauf, mit der Begründung: „Ich muss Kanzler bleiben, der Erhard kann keine Außenpolitik“. So überredete er seinen Parteikollegen Heinrich Lübke zur Kandidatur, der die Wahl gegen Carlo Schmidt von der SPD, einer der „Väter des Grundgesetzes“, gewann. Wie Theodor Heuss blieb auch Lübke zehn Jahre im Amt, besuchte auf 15 Auslandsreisen insgesamt 35 Staaten, insbesondere in der „Dritten Welt“ und erwarb sich große Verdienste bei der Förderung der Entwicklungshilfe. Allerdings erreichte er nicht annähernd den Beliebtheitsgrad seines Vorgängers. Im Gegenteil, nicht nur aufgrund seines „Nuschelns“ und einer gewissen Unbeholfenheit bei seinen öffentlichen Reden, wurde über den neuen Bundespräsidenten in der Bevölkerung häufig gespottet. Ob es wirklich so war oder nur in der Öffentlichkeit entsprechend vermittelt wurde, weiß ich nicht wirklich. Aber Lübke wurde nachgesagt, dass er ziemlich vergesslich sei. So gab es zahlreiche Witze über das Staatsoberhaupt, insbesondere in Bezug auf seine angebliche Vergesslichkeit. Zum Beispiel diesen:
Im Bundespräsidialamt herrschte große Aufregung, denn der Bundespräsident war nach Rom zu einer Audienz beim Papst eingeladen worden. Einer seiner Berater erklärte: “Herr Bundespräsident, es ist üblich, dass der Papst jeden Gast zu Beginn der Audienz fragt, wer die ersten beiden Menschen auf der Welt waren. Wir lassen rechts auf der Innenseite Ihres Jacketts einen kleinen Zettel einnähen auf dem die