Heute bei uns zu Haus. Ханс Фаллада. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ханс Фаллада
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746726359
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mußte Suse in eine Klinik, und ich hauste allein in der Pension mit meinem Sohn und einer Betreuerin. Das Alleinleben bekam mir gar nicht, ich konnte es nicht mehr vertragen, allein zu sein. So suchte ich Gesellschaft, und wo findet man nettere und bereitwilligere Gesellschaft als in Bars? Ich konnte alle Tage den Abend nicht abwarten. Es war verdammt, daß die Bars so spät aufmachten!

      Dann lag ich eines Morgens im Bett, ziemlich erledigt. Seit Tagen plagte mich ein ununterbrochener Schlucken, er kam so regelmäßig wie das Ticken der Uhr, jede Minute soundsoviele Male. Der Arzt hatte mir Eisstückchen mit etwas Kognak dagegen verordnet, eine sehr erwünschte Verordnung, denn nun konnte ich schon am frühen Vormittag Kognak trinken. Das Eis, na, meinetwegen, ab und an auch ein Stückchen, aber ich vergaß nie, daß Eis eigentlich Wasser ist …

      Da tat sich die Tür auf, und unser Freund Peter trat ein. Ich hatte Peter auf dem Verlag kennengelernt, einen echten Kavalier alter Schule, einen wahren Grandseigneur; hätte er die Mittel gehabt, wäre er der größte Mäcenas aller Zeiten geworden. So war er der getreueste Freund und Anhänger.

      »Hören Sie mal, Fallada«, sagte er. »Ich war eben bei der Suse. Sie meint, dieses Angebot ist endlich das richtige. Stehen Sie auf, wir wollen gleich hinfahren.«

      »Ach was!« sagte ich und versuchte mit Mühe, die Beschreibung des Maklers zu lesen. »Das ist ja doch wieder nichts. Außerdem bin ich krank und kann nicht fahren. Mecklenburg? In meinem Zustand Mecklenburg, kommt ja gar nicht in Frage!«

      »Fallada!« sprach Peter. »Ich habe von der Suse den Auftrag, Sie dorthin zu bringen, und ich bringe Sie dorthin! Da hilft Ihnen alles nichts! Ich habe einen Tag Urlaub genommen, ein Auto steht vor der Tür, in einer halben Stunde fahren wir!«

      »Ich bin krank, ich kann unmöglich fahren«, stöhnte ich, immer von Schlucken unterbrochen. »Eben war der Arzt hier. Ich soll immerzu dies Zeug trinken.«

      »Was ist das? Kognak, schätze ich. Nun gut, Sie sollen im Auto soviel Kognak trinken, wie Sie wollen, aber mit müssen Sie! Ich habe von der Suse den Auftrag.«

      Und mit mußte ich, es half mir alles nichts. Ich wurde in ein Auto gesetzt, neben mir saß Peter, zwischen uns war die Kognakflasche, und los fuhren wir. Aber weiter weiß ich auch von dieser Fahrt fast nichts, da ist ein großes Loch in meinem Gedächtnis. Ich erinnere mich einzig und allein daran, daß ich in einem grünen Kaffeegarten sitze und ziemlich aufgeregt sage: »Dies kaufe ich. Auf der Stelle kaufe ich. Gleich kann ich noch nicht kaufen? Dann wollen wir wenigstens einen Vorvertrag machen!«

      Peter hat mir später manches Mal versichert, daß ich den Eindruck eines vollkommen nüchternen, besonnenen Mannes gemacht habe. Der Schlucken war weg. Ich habe alles angesehen, besprochen. Ich habe aus der nächsten Stadt einen Baumeister kommen lassen, der mir einen Kostenvoranschlag über den Ausbau des Hauses machen mußte. Kein Mensch, auch Peter nicht, ist auf die Idee gekommen, daß ich völlig ohne Besinnung war. Aber in diesem völlig besinnungslosen Zustand habe ich meinen heutigen Besitz, die geliebte Heimat unserer Kinder, gekauft. Wundersam ergeht es einem im Leben.

      Natürlich habe ich am nächsten Tag bei Suses Bett eine verdammt schlechte Figur gemacht. Ich sollte ihr erzählen, was ich gekauft hatte, wie es dort aussah, wieviel Zimmer, was für Vieh, Wassernähe und Garten? – Ich wußte nichts. Sie hatte allen Grund, über mich verzweifelt zu sein, sie war es sicher auch, aber sie ließ sich nichts merken.

      »Fahr möglichst bald mit Uli hin«, sagte sie, »und sieh, daß die Bauerei rasch fertig wird. Wenn die Zwillinge da sind, möchte ich gerne im eigenen Heim wohnen. Nicht wahr, du gibst dir rechte Mühe?«

      Dies war der Wendepunkt, von nun an gab ich mir wieder Mühe. Der Goldrausch war vorbei, jetzt hieß es arbeiten.

      Ich weiß ein Haus am Wasser

      Es ist Sommer geworden, wir wohnen im Hotel »Schwarzer Bär« zu Bergfeld, der Sohn Uli, seine Pflegerin Wendehals und ich. Suse liegt noch immer in der Klinik; die Zwillinge sind gekommen, aber nur eins der beiden kleinen Mädchen lebt, das andere starb schon nach wenigen Stunden. Das hat mich sehr erschüttert, im geheimen messe ich mir eine Schuld am Tod des kleinen Mädchens bei: Suse hatte zuviel Aufregungen in der letzten Zeit.

      Auch dies wurde zu einem Wendepunkt, so vieles kann Wendepunkt werden, wenn man nur empfänglich ist. In diesem Sommer wendete sich vieles, in diesem Sommer war ich für Besinnung und Einkehr sehr empfänglich. Solch kleines Wesen – es hatte nur ein paarmal kläglich geschrien, dann war es gestorben – ein Stück von uns.

      Jede Woche zwei-, dreimal fahre ich mit Fräulein Wendehals und Uli auf unsern Besitz hinaus, um die Bauarbeiten zu kontrollieren. Nun kenne ich, was ich gekauft habe. In meinen Briefen bereite ich Suse darauf vor, daß bis zum Herbst noch nicht alles in Ordnung kommen wird. Es bleibt Bauerei genug für das nächste Jahr, um das Haus in einen wohnlichen Zustand zu versetzen, von Stall und Scheune ganz zu schweigen. Trotzdem finde ich, ich habe nicht schlecht gekauft.

      Andere sind darüber anderer Ansicht. An einem heißen Sommertag trete ich in eine Wirtschaft der Stadt Bergfeld, ich lasse mir ein Glas Bier geben. Ein paar Leute sitzen da, ich kenne sie nicht, sie kennen mich nicht, ich bin ein Kurgast für sie. Eine Stimme erhebt sich und spricht: »Da hat ja so ’n Berliner Dösbartel das Haus von dem Pendel in Mahlendorf gekauft. Zwölftausend Mark soll er dafür gegeben haben. Daß die Dummen nicht alle werden!«

      »Dat segg man, Paule!« stimmt der Wirt eifrig zu. »Zwölfdusend Mark – und is doch bloß ne Baracke, die alle Tage einfallen kann! Herrgott, wie groß ist dein Tiergarten!«

      »Meine Herren!« sprach ich hoheitsvoll. »Der Dösbartel aus unsers Herrgotts Tiergarten – der bin ich!«

      Sah sie alle der Reihe nach sehr an und verschwand unter tiefem Stillschweigen.

      Alle drei fahren wir nun durch das sommerliche Land Mahlendorf zu. Das Land sieht flach aus, ab und zu liegt zwischen den reifenden Feldern ein dunkler Waldstreif. Wer es nicht weiß, kann nicht ahnen, daß jeder dieser dunklen Waldstreifen einen tief ins Land eingeschnittenen langen See bedeutet, Seen mit dem tiefsten, klarsten Wasser, von einem bezaubernden Türkisgrün oder Azurblau. Wir sind hier in einem Endmoränengebiet, hier endeten die Gletscher der Eiszeit, tief schnitten ihre Zungen in das Land ein. Heute noch hat das Wasser etwas von der Frische und Klarheit des Eises, unsere Seen sind wie Hochgebirgsseen.

      Und das ganze Land, jedes Stückchen Acker ist durchsetzt von Steinen, Blöcken, Felsen: das sind die Geröllmassen, die von den Gletschern aus Schwedens Gebirgen herabgetragen wurden. Sie werden uns noch viel zu schaffen machen, diese Steine und Felsen. Im Dorf behaupten sie, es sei zwecklos, sie aus dem Boden zu schaffen, »sie wüchsen nach«. Das werden wir ihnen schon beibringen, das Nachwachsen!

      Am Eingang des Dorfes drehte damals noch eine Windmühle ihre Flügel. Die Windmühle war und ist scheußlich, ein schwarzgeteerter Stumpf aus Mauersteinen, wie eine verräucherte Fabrikesse, allein die Flügel versöhnten ein wenig mit ihr. Unterdes sind diese Flügel abgefault und heruntergefallen, und die Windmühle, für die alle Winde umsonst wehen, ist nur noch scheußlich.

      Kurz nachdem wir an der Mühle vorbei sind, sage ich zu dem Chauffeur: »Hupen!« Er hupt kräftig, und auf dieses Gehupe eilt aus einem Haus eine Frau mit fliegenden Haubenbändern heraus, eilig laufend bindet sie ihre Schürze um. Das ist Frau Tschermak, die bei mir im Tagelohn steht, sie soll den Garten in Ordnung bringen. Da ihr Arbeitgeber aber nicht am Ort wohnt, gibt sie sich immer wieder der Hoffnung hin, ihren Tagelohn empfangen, dafür aber zu Haus sitzen bleiben zu können. Immer wieder denkt sie, ich komme zu meinen Kontrollen mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Wenn ich heute da war, werde ich morgen nicht schon wieder kommen. Wenn es regnet, werde ich auch nicht kommen. Aber schon Frau Tschermaks wegen komme ich ganz unregelmäßig, und immer wieder erwische ich sie.

      Nun eilt sie in fliegender Hast hinter meinem Auto her. Fünf Minuten nach mir wird sie auf meinem Besitz eintreffen, stets eine höchst plausible Entschuldigung auf den Lippen. Ihre Sau ist krank, der Briefträger bringt ihr heute Geld, sie mußte nur mal schnell andere Schuhe anziehen. Ich bin immer gespannt, was sie diesmal vorbringen wird, aber ihr Vorrat an Ausreden ist unerschöpflich.