Heute bei uns zu Haus. Ханс Фаллада. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ханс Фаллада
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746726359
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Zimmern und einem Garten – auf Abzahlung. Das Häuschen hatte zweiundfünfzig Quadratmeter Wohnfläche, der Garten sogar über hundert Quadratmeter. Wir waren Herren über hundertzweiundfünfzig Quadratmeter! Eigentum, meine Lieben, Eigentum! Aus den Handkofferbesitzern waren Grundeigentümer geworden!

      Erinnert sich noch jemand an die düsteren Julitage des Jahres 1931? Weiß jemand noch, was für ein unheilvoller Tag es war, als der große Bankenkrach kam, als eine Firma nach der andern die Zahlungen einstellte? Ich habe immer Glück im Unglück gehabt, aber ich hatte auch stets Pech im Glück. Mein Verlag stellte seine Zahlungen ein. Ich war mit elftausend Mark Forderungen an dieser Zahlungseinstellung beteiligt, aber ich hatte ungefähr achttausend Mark Abzahlungsschulden! Das waren Zeiten! Das waren Stunden tiefster Bekümmernis! Statt vorwärtsgekommen zu sein, steckten wir bis über die Ohren, bis über die Haare in Schulden! Wir ertranken in Schulden! Wir hatten nichts – nur Sorgen und schlaflose Nächte!

      Wie habe ich meinen »Leichtsinn« verflucht. Damals habe ich mir zugeschworen, nie wieder Schulden zu machen, nie wieder etwas auf Abzahlung zu kaufen. Der Schreck jener Zeit sitzt heute noch so fest in mir, daß ich jede Rechnung sofort am Tage ihres Eingangs bezahle. Es darf ruhig daraufstehen »Zahlbar in vier Wochen«, ich zahle sie doch heute. Ich ängstige meine Lieferanten, daß sie mir ihre Rechnungen auch schnell genug schicken. Ich kann mein Geld nicht rasch genug loswerden, wenn es jemand anders gehört! Das sitzt alles von damals her in mir!

      Als sei es noch nicht genug des Unheils, verliere ich meine Stellung auf dem Verlag. Dort war irgend so ein Treuhänder eingesetzt, der begann seine Tätigkeit damit, daß er erst einmal die Gehälter der Angestellten heruntersetzte. Wer nicht damit einverstanden war, der konnte gehen. Ich war nicht damit einverstanden, ganz und gar nicht. Schon bisher hatte es nicht hin und her gereicht, und nun sollte ich noch auf ein Viertel verzichten?! Nein, meinen allerschönsten Dank, alles oder nichts! Natürlich war Suse mit meiner Entscheidung zufrieden, sie hielt immer zu mir durch dick und dünn! Freilich hatte sie die Hauptlast zu tragen.

      Nun wohnten wir schon draußen in Altenhagen, in unsern zweiundfünfzig plus hundert Quadratmetern, von denen die erste Rate anbezahlt war, zwischen unsern neuen Möbeln, dito, ganz nett versorgt mit Wäsche und Kleidung, dito. Wir saßen in einem Paradies, das uns mit Brennesseln brannte: jeden Tag konnten wir wieder ausziehen müssen, mit zwei Handkoffern und unserm Sohn Ulrich, genannt Uli, genannt Murkel, genannt Muxe-Puxe, genannt Ulli-Bulli, genannt … genannt …

      Jeden Morgen, wenn Suse den Hausstand besorgte, zog ich mit meinem Sohn im Kinderwagen los. Er lag darin, spielte mit seinen Fingern oder seiner Nase und sah mit blauen Augen in den blauen Himmel. Manchmal schrie er, meistens war er friedlich.

      Ich schob den Wagen, ich schob ihn durch Altenhagen, ich schob ihn durch Neuenhagen, ich schob ihn durch Bollensdorf, durch Hoppegarten, ich schob ihn bis Altlandsberg. Leise schaukelnd und ächzend, fuhren wir durch ganz neue, herrlich gepflasterte Straßen, über Kopfsteine, durch Straßen, die es erst dem Namen nach waren, über Feldwege, Grasraine, Chausseen. Überall tauchten wir auf, der Kinderwagen und ich, wir gehörten zum Straßenbild der Gegend. In einer Gemüsehandlung erfuhr Suse, daß wir schon einen Namen hatten, ich hieß nur »Der arme Arbeitslose mit Kind«.

      Was lag in einer solchen Situation näher, als ein Buch zu schreiben des Titels »Kleiner Mann – was nun?«. An den Nachmittagen und Abenden, in den bedrücktesten Tagen meines Lebens, schrieb ich dies Buch. Ich war ziemlich hart gewöhnt, aber bis dato hatte nur mein eigener Buckel die Schläge des Schicksals hinnehmen müssen. Jetzt hatten wir beide daran zu tragen, und auch der Sohn war bedroht. Das war viel schwerer. Für seine eigenen Torheiten zahlen müssen, das leuchtet ein. Aber wenn andere für den allerpersönlichsten Blödsinn büßen sollen, das ist bitter.

      Und doch sind wir glücklich gewesen, auch in diesen Tagen, unendlich glücklich, genau wie wir in unsern beiden Zimmern hinter »Kupferberg Gold« glücklich gewesen waren. Wir sind nicht etwa immer mürrisch und versorgt und rechnend herumgeschlichen. Nein, ein Glanz lag auf diesen Tagen, Sternenlicht. Unser Häuschen in Altenhagen, wer wohnt heute darin? Wird er auch so erfolgreich Tomaten bauen wie wir? Wir hatten sechs Tomatenpflanzen im Garten, und wir ernteten über einen Zentner Tomaten! Wir pflanzten unsere ersten Obstbäume, zwei an der Zahl! Wir führten einen erbitterten Krieg wegen der wirtschaftlich untragbaren Zentralheizung. Wir stritten und freuten uns zusammen, wir lebten ein Leben, wir bewunderten unsern Sohn und waren sehr streng mit ihm, um ihn nicht zu verwöhnen!

      Und alles lief sich zurecht. Über die schlimmste Zeit halfen meine guten Eltern fort, es halfen auch Beiträge für Zeitungen, ich schrieb Geschichten, immer wieder kam ein bißchen Geld ein. Unterdes war »Bauern, Bonzen und Bomben« in der Zeitung erschienen, an allen Anschlagsäulen hatte das große schwarzweißrote Plakat geklebt: Hans Fallada: Bauern, Bonzen und Bomben! Ich hatte davorgestanden, keinen Groschen in der Tasche, und hatte gedacht: Das ist also der Ruhm! Dein Name auf jeder Anschlagsäule und der Gerichtsvollzieher im Anmarsch! Dies erinnerte doch ein bißchen gar zu sehr an den armen Dichter in der Dachkammer, dem der Hunger den Pegasus beflügelt. So genau hatte ich es eigentlich gar nicht erleben wollen. Außerdem war ich ein Schriftsteller und kein Dichter.

      Alles lief sich zurecht! Der Verlag wurde saniert, ich bekam mein Geld, bezahlte meine Schulden, ich behielt sogar noch Geld über. Wir waren Herren auf eigenem Grund und Boden, mit den beiden Handkoffern war es vorbei! Wenn wir das nächste Mal umzogen, brauchten wir schon einen Möbelwagen. Und unterdes war »Kleiner Mann – was nun?« fertig geworden, und mein Verleger schwor, dies Buch werde ein Welterfolg sein!

      Die Gefahren, die uns von außen drohen, sind gering gegen die aus unserm Innern. Wir selbst bereiten uns immer wieder die größten Überraschungen. Der Kleine Mann wurde ein Welterfolg – ich muß leider sagen: leider. Das Geld strömte nur so herbei. Wir hatten von zweihundertzwanzig Mark glücklich gelebt, unsere Sorgen fingen an, als wir plötzlich über große Summen zu verfügen hatten. Suses Sorgen fingen da an, ich selbst verlor völlig den Kopf.

      Der Übergang war zu plötzlich, aus dem Sparsamen, dem Überängstlichen wurde ein Verschwender. Ich gab das Geld auf die sinnloseste Weise aus, es konnte ja nicht alle werden, es strömte immer weiter. Nicht schnell genug konnte ich es ausgeben. Nächtelang saß ich in den dümmsten Bars, hielt das halbe Lokal frei und fuhr mit einem schweren Kopf heim. Ich bekam für mein Geld nichts anderes als Kopfschmerzen, Arbeitsunlust, Reue, Gewissensbisse. Und fing doch wieder an.

      Suse hielt getreulich zu mir. Sie machte alle diese Fahrten mit, sie brachte mich nach Haus, sie legte mich ins Bett, sie tröstete mich in meinem Kater. Sie verlor nie den Mut. Sie erhob nie Einwendungen gegen die Art, wie ich das Geld verschwendete: es war ja mein Geld, ich hatte es verdient.

      Und dabei brachte sie es allmählich fertig, daß ich zur Einsicht kam, so konnte es nicht weitergehen. Sie faßte mich bei meiner Liebe zum Landleben, ich war viele Jahre meines Lebens Landwirt gewesen. Sie erzählte mir von einem Haus auf dem Lande, von einem Garten, vom Vieh, vom Wasser, an dem wir wohnen würden. Wahrhaftig, der Grüne Winkel in Altenhagen, wo wir hausten, war ihr ans Herz gewachsen. Aber der Grüne Winkel lag zu nahe bei Berlin, bei Bars, sie war bereit, ihn aufzugeben.

      Schließlich fing ich an, nach »etwas« zu suchen, noch ohne rechte Überzeugung, in großen Zeitabständen. Ich inserierte, ich verhandelte mit Maklern, ich fuhr über Land. Aber ich fand nichts Geeignetes. Was uns vorschwebte, mußte soviel vereinen. Es mußte ganz still und ländlich liegen, nur keine Siedlung, nichts Halbstädtisches. Es mußte Wasser haben, direkt am Hause, und Wald. Es mußte eine kleine Landwirtschaft dabei sein, gerade soviel, daß sie mir neben meiner Schreiberei Beschäftigung gab, ein Gegengewicht gegen das Papier. Und das Wohnhaus mußte etwas mehr als ein Häuschen sein: wir waren wieder im Begriff, unsere Familie zu vergrößern. Wir brauchten fünf, sechs Zimmer, endlich sollte der Hausherr ein Arbeitszimmer für sich allein haben.

      In jener Zeit waren wir beide eigentlich krank. Der Suse, die Zwillinge erwartete, machte ihr Zustand rechte Beschwerden, und ich hatte meine Nerven und meinen Schlaf ziemlich durch mein unsinniges Nachtleben ruiniert. Wir führten gar keinen Haushalt mehr, Altenhagen war verlassen, wir hausten in einer Berliner Pension und warteten auf den Landsitz, der da kommen sollte. Er mußte jetzt ziemlich rasch kommen, sonst war unser