Hungerkur und Gänseblümchen. Sonja Reineke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sonja Reineke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847648314
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Kopf festgesteckt. Es wartete nur noch auf den Schleier.

      „Oh, Ceci…“, seufzte Lorena und warf sich der völlig genervten Freundin an den Hals, „du siehst so schön aus!“

      Cecilia lächelte dünn. „Ja, schon gut. Danke. Lass uns jetzt losfahren, sonst müssen wir wohl in Dänemark heiraten.“

      „Das tun doch viele. Was hättest du dagegen? Sabine und Anders würden dir da sicher helfen“, schnaufte Maja, die mit dem Telefon in der Hand die Treppen heraufkam.

      „Ich hätte dagegen, dass ich schon ein Vermögen für die Feier ausgegeben habe. Wenn sich schon seine und meine Familie, nebst Freunden und anderen Parasiten ...“, Lorena schubste sie ein Stück auf die Treppe zu. „Aua! Ist doch wahr … also, wenn die sich schon auf meine Kosten durchfressen, dann aber nicht ohne Grund. Also müssen wir vorher noch heiraten.“ Cecilia legte eine Hand auf den Knauf des Treppengeländers, die andere presste sie plötzlich auf ihren Magen. „Oh! Mein Bauch! Ich muss schon wieder!“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und stürzte an Lorena vorbei zurück ins Bad.

      „Oh nein!“, jaulte Maja. Lorena presste die Lippen zusammen, rannte die Treppen herunter, und die irritierte Maja hörte bald darauf einen Motor anspringen und einen Wagen wegfahren.

      „Cecilia? Beeil dich lieber. Ich glaube, Lorena ist losgefahren, um sich den Bräutigam zu schnappen, weil er wie bestellt und nicht abgeholt vor dem Standesamt steht.“

      „Das soll sie nur wagen“, keuchte Cecilia dumpf hinter der geschlossenen Tür, „dann zwinge ich sie beim nächsten Durchfall, hier mit mir auszuharren. Das überlebt niemand.“ Maja verzog das Gesicht.

      „Ich gehe mal eben runter, okay?“, rief sie angewidert und wartete die Antwort gar nicht erst ab. Unten setzte sie sich in das kleinere Wohnzimmer und wartete. Bald darauf kam Lorena zurück, hielt mit quietschenden Reifen vor dem Haus, sprang aus dem Auto und rannte auf das Haus zu. In ihrer Hand hielt sie eine kleine Plastiktüte mit dem vertrauten roten Apothekensymbol. Maja atmete erleichtert auf. Lorena fegte zur Tür herein und jagte die Treppe hoch. Oben angekommen klopfte sie ungeduldig an die Tür.

      „Ceci? Ich habe eine Packung Durchfalltabletten gekauft. Du nimmst jetzt sofort zwei Stück mit reichlich Wasser ein, ist das klar?“

      „Zwei Stück? Ist das nicht ein bisschen viel?“, klagte Cecilia.

      „Dann kannst du eben erst in Dänemark wieder kacken, wen interessiert das? Was ist dir wichtiger, eine Verdauung wie ein Uhrwerk oder die Liebe deines Lebens?“

      „Darüber müsste ich erst mal nachdenken“, kicherte Cecilia. Lorena verlor die Geduld. „Maja!“, brüllte sie, „hol mal ein Glas Wasser, bitte! Unsere Braut braucht ein bisschen Hilfe.“

      Maja kam kurz darauf mit einem Glas Wasser die Treppe herauf.

      „Und wer geht jetzt da rein und gibt ihr das?“, flüsterte sie ängstlich. Aber Cecilia hatte sie trotzdem gehört.

      „Das Fenster ist doch auf! Jetzt gebt mir schon das Glas!“

      „Wir könnten ja Strohhalme ziehen“, schlug Maja vor.

      Lorenas Gesicht nahm den Ausdruck eines Generals kurz vor der entscheidenden Schlacht an. „Ich gehe rein“, sagte sie zu allem entschlossen und griff nach dem Glas. Sie straffte die Schultern und öffnete die Tür. Maja schlug sie schnell hinter ihr zu.

      Nach nicht mal fünf Sekunden kam Lorena wieder raus, etwas grünlich um die Nasenspitze.„Was hat die bloß gegessen?“, flüstert sie Maja zu, „das gehört eigentlich auf die Sondermülldeponie. Die armen Ratten in der Kanalisation!“ Wieder krachte irgendetwas an die Tür.

      „Ist doch wahr!“, rief Lorena. „Los jetzt, auf der Sparrenburg gibt es auch Toiletten. Dann findet die Zeremonie eben dort statt, und der Beamte und Florian müssen mit rein. Dann wird sich zeigen, ob ‚in guten wie in schlechten Zeiten’ auch wirklich sein Ernst ist.“

      Wieder rauschte die Klospülung, und wenig später stieß Cecilia zu ihnen. Sie trank noch ein halbes Glas Wasser und stieg mit den beiden zusammen vorsichtig die Treppe herunter. Lorena atmete erleichtert auf, als sie den Motor startete und losfuhr. Hoffentlich musste sich Cecilia nicht unterwegs ins Gebüsch flüchten. Sie warf einen kurzen Seitenblick auf Cecilias Gesicht. Angespannt sah es aus. Nicht gerade wie eine glückliche, errötende Braut. Eher bleich und übernächtigt. Dabei hatte der Zickenzirkel nur bis ein Uhr nachts den Abschied vom Singledasein gefeiert. Anscheinend hatte Cecilia nur wenig Schlaf gefunden. Also war sie sich trotz allem doch nicht so sicher. Ihre nächste Frage bestätigte Lorenas Verdacht: „Ich tue doch das Richtige … oder?“ Sie warf Lorena einen ängstlichen Blick zu und drehte den Kopf kurz zu Maja herum, die hinten saß und daraufhin düster in den Rückspiegel sah, wo sich ihre und Lorenas Augen trafen. Das fing nicht gut an.

      Beide hegten den Verdacht, dass Cecilia mit dieser Hochzeit einen ganz anderen Plan verfolgte, und das konnte einfach nicht gut gehen. Dabei war Florian der liebste und netteste Mann, den man sich vorstellen konnte. Selbst Lorena fand das. Und nun ... Dabei hatte alles so schön begonnen. Jedenfalls für Cecilia, der das Glück nicht mehr von der Seite wich.

      Cecilia: Die zweite Chance

       Ein Jahr zuvor

      Eine Woche war seit dem Grillfest vergangen, und Cecilia schaufelte die erkaltete, infolge des Regens glitschige Asche aus dem Grill. Kalt war es hier draußen, aber sie hatte nicht die Absicht, den Grill bis ins Frühjahr hier hinter der Garage stehen zu lassen. Was Ordnung und Sauberkeit betraf, war sie eisern. Wenn sie in diesem riesigen Haus mit dem monströsen Garten einmal in den Schlendrian verfiel, dann war es vorbei. Dieses Haus von Grund auf zu säubern dauerte mindestens eine Woche, Zeit, die Cecilia nicht hatte. Es gab viel zu tun, viel zu schreiben, Interviews zu geben und Autogramme in Bücher zu kritzeln.

      Im Flur hing eine Magnettafel mit Wochentagen. Mit Magneten pinnte Cecilia jeden Tag ein Bild, das sie aus Einrichtungskatalogen ausgeschnitten hatte, an einen Wochentag: eine Schrankwand für das Wohnzimmer, eine Toilette für die Badezimmer, wobei eine zusätzlich angebrachte Badewanne für das große Bad im Erdgeschoss stand, ein Herd für die Küche, ein Fernsehsessel für ihr Kino und ein Totenschädel für ihr Arbeitszimmer.

      Jeden Tag putzte Cecilia ein Zimmer und war dabei gnadenlos. Egal, ob sie Lust dazu hatte oder nicht, ein Zimmer wurde von oben bis unten gewienert. Und nachmittags war der Garten dran, auch wenn das jetzt im Winter kein Problem darstellte. Nur der Grill und der Unterstand mussten etwas aufgeräumt werden, wegen der Einweihungsparty, die sie hier gefeiert hatten. Sie, Lorena und Maja. Danach hatte sie Zeit für sich.

      Einsam fühlte sie sich nicht in dem großen Haus, aber manchmal etwas verloren. So viele leere Räume. Die Stille machte sie ab und zu etwas melancholisch, und dann dachte sie an Hagen.

      Seit ihrer Standpauke hatte er sich nicht mehr gemeldet, aber was ihr am meisten wehtat, war, dass sie ihn online bei einer Seite entdeckt hatte, über die man sich kennenlernen und verabreden konnte, bei Viareddel. Es hatte Cecilia empört zu sehen, dass er sich als Geschiedener ausgab und auf seinem Profil schrieb, dass er „nach einer großen Enttäuschung auf der Suche nach der wahren Liebe war“ und dann schrieb er noch in dem Versuch, romantisch zu sein, darunter: „Wo bist du …? Lass mich nicht länger warten!“

      Jeden Tag schaute Cecilia nach, kontrollierte die Einträge in seinem Gästebuch und warf böse Blicke auf die Profile der Frauen, die sich darin verewigt hatten. Schon mehrere Male hatte sie versucht, sich in Hagens Profil hineinzuhacken, aber sein Passwort widerstand allen Versuchen.

      Natürlich war es dumm von Cecilia, dumm und peinlich. Peinlich genug, weder Lorena noch Maja davon zu erzählen. Noch peinlicher war es ihr, dass sie ein eigenes Profil angelegt und mit einem Foto aus einem Versandkatalog versehen hatte, damit Hagen nicht bemerkte, dass sie es war. Sie wollte wissen, ob er sie eines Tages ansprechen würde.

      Der Gedanke war ihr beinahe unerträglich, dass er dort Beute machte und regelmäßig mit diesen Frauen das tat,