Tödliche Aussicht auf Festanstellung. Mala Dewa. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mala Dewa
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737514224
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      Ungefähr eine Stunde lang war Maya dann noch alleine, ehe ihre Mutter nach Hause kam. Und erst als ihre Mutter sie nach Inca fragte, wurde ihr bewusst: Ihre beste Freundin war nicht mehr da. Weinen konnte sie aber nicht. Generell war Maya kein weinerliches Mädchen. Sie weinte nicht, als Artax aus „Die unendliche Geschichte“ im Sumpf versank. Sie weinte auch nicht, als Littlefoots Mama durch einen Scharfzahn starb. Sie weinte auch tatsächlich nicht, als die Titanic unterging. Ihr Kommentar war bloß, dass sie ja schon wusste was passieren würde und sich daher bereits seelisch darauf vorbereitet hätte. Maya weinte wirklich nicht oft. Und auch dieses Mal nicht.

      Es vergingen nur wenige Tage, ehe das Begräbnis stattfand. War in so einer großen Stadt wie Wien, in der täglich so viele Menschen sterben, eher unüblich. Oft wartete man 2 Wochen. Die toten Menschen werden währenddessen dann in einer Lagerhalle gekühlt. So vergammeln sie nicht. Und falls die Angehörigen sie dann doch noch einmal sehen wollen, blicken ihnen nicht zwei schwarze Augenhöhlen entgegen aus denen noch zwei Würmer winken, die sich gerade an den Überresten des Gehirns zu schaffen machen. Naja, ganz so schlimm wäre es wohl nicht nach 2 Wochen, wobei im Sommer bei 30°C…

      Wie auch immer, das Begräbnis fand zwei Tage später am Zentralfriedhof statt. Dort hatten Incas Eltern bereits vor wer weiß wie vielen Jahren ein Grab für den engsten Familienkreis gekauft. Oder hatten die das auch schon vorher und einfach die darin beerdigten Leichen ausgraben lassen? Lange Rede kurzer Sinn: Das Grab war leer, bis zu diesem einen Tag.

      Maya konnte sich kaum aufraffen aufzustehen. Wobei damit wirklich nur die physische Aktion des „Aufstehens“ gemeint war, denn geschlafen hatte sie nicht. Keine Sekunde. Ihre Gedanken kreisten nur um den darauf folgenden Tag, wie sie sich verhalten, was sie sagen und vor allem: Wie sie Incas Eltern gegenüber treten sollte. Denn aus Mayas Sicht war sie eindeutig Schuld am Tod ihrer besten Freundin. Wäre sie bloß nicht so faul gewesen an diesem Tag und hätte sich aufgerafft um zum Eissalon zu fahren. Wenn, wäre, hätte…

      Irgendwann stand Maya doch im Badezimmer. Sie trug ein Paar schwarze Hosen und einen schwarzen Pulli.

      „Das wird die Hölle“ dachte sie sich. Erschrak aber im nächsten Moment und fragte sich, ob sie so leichtfertig mit diesem Wort umgehen sollte. Sie schminkte sich ein wenig, ihre Eltern warteten bereits auf sie. Trauerminen. Auch sie mochten Inca sehr. Aber vermutlich tat ihnen einfach nur Maya leid.

      Als sie am Friedhof ankamen, waren sie unter den ersten. Davor hatte sich Maya am meisten gefürchtet. Denn somit waren Incas Eltern nicht beschäftigt und sie musste sich mit ihnen unterhalten. Musste. Maya konnte ihnen kaum in die Augen sehen. Sie hatte Angst dort Hass und Abscheu zu sehen. Also ging sie mit gesenktem Kopf auf Incas Mutter zu. Die beiden Elternpaare umarmten sich und weinten. Maya stand daneben, Incas Mama blickte sie an.

      „Es tut mir so Leid Maya. Es muss fürchterlich für dich sein.“

      Es vergingen Sekunden, ehe der Satz bei ihr ankam. Hatte sie so eben richtig gehört?

      „Entschuldigung?“

      „Ich weiß, wie es sich für mich anfühlt. Sie fehlt mir so unendlich, jeden Tag aufs neue aufzustehen und zu wissen, dass mich kein Sonnenschein in der Küche empfängt. Es ist einfach schrecklich. Aber du und Inca, ihr wart doch wie Schwestern.“

      Unsicher blickte Maya zu Incas Mutter hinauf. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, kurz davor über zugehen, um in dicken Bächen an ihren Wangen runter zulaufen.

      „Ich bin so traurig!“ war das einzige, das sie herausbrachte.

      „Ich bin so unendlich traurig.“

      Als Incas Mutter sie schließlich in die Arme nahm, wurde Maya bereits von Weinkrämpfen durchgeschüttelt. Nach der Beerdigung ließ sie sich beim Leichenschmaus entschuldigen. Sie konnte dieser Tradition sowieso nie etwas abgewinnen. Zuerst weinend am Grab stehen und kaum hat man etwas Essbares vor der Nase, sollte alles vergessen sein? So gut konnte kein Schnitzel der Welt sein.

      Sie konnte das nicht. Sie wollte nur mehr nach Hause, sich duschen und dann in ihrem Zimmer verkriechen. Zwei Monate noch, dann stand eine der Sorte Prüfungen an, bei der rund 80% aller Teilnehmer durch fielen. Kein Problem für Maya. So faul beziehungsweise gemütlich sie es in der Freizeit angehen ließ, so disziplinierter war sie in Studienangelegenheiten. Obwohl… stimmte auch nicht. Maya war so ein von Gott gesegnetes Mädchen, das sich so gut wie gar nicht anstrengen musste. Schule und Studium waren vom Aufwand her gesehen reine Nebensache gewesen. Und auch für die Matura musste sie kaum lernen. Ein paar der Übungseinheiten besucht und das war es dann. Somit konnte sie guten Gewissens im Bett verfaulen. Das wäre ihr auch beinahe passiert. Sagen manche. Denn zwischen dem Begräbnis und dem heutigen Tag hat sie nicht viel gemacht. Eben bis zum heutigen Tag. Zwei Monate nach Incas Begräbnis.

      2 – Die erste Begegnung

      So, nun ist also bekannt, wieso Maya vor sich hin gammelte, eine schwarze Liste führte und irgendwie den Spaß am Leben verloren hatte. Dennoch hat sie es an diesem speziellen Samstag Morgen irgendwie in die Küche geschafft und sich einen Kaffee zubereitet. Kaffee war mittlerweile ihr Grundnahrungsmittel geworden. Kaffee und Kekse. Doch im Gegensatz zu der Zeit im Teenageralter, während der sie unfassbar zugelegt hatte, selbst ein seitlicher Blick auf Schokolade reichte, konnte ihr dieses Mal die ungesunde Ernährung nichts anhaben. Sie sah aus wie immer.

      Abgesehen natürlich vom eingebildeten dreifachen Doppelkinn.

      Während sie an ihrem Kaffee schlürfte, begann sie damit, sich immer wieder umzusehen. Sie schien etwas zu suchen. Aber weit und breit war nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Sie suchte auch nicht nach etwas sichtbarem, also zumindest nicht vorrangig.

      Sie suchte nach der Quelle des unfassbar ekelerregenden Gestanks, der sich mehr und mehr in der Wohnung breit machte. Sie schob den Barhocker zur Seite und fing bei der Spüle an. Meistens befand sich der Ursprung hier oder in dem Mülleimer darunter. Alte Bananenschalen, halb volle Dosen mit Kidneybohnen, die dir fröhlich entgegen winkten. Aber nichts. Auch Blumentöpfe und Kühlschrank kamen als Täter nicht in Frage. Irgendwann fing sie damit an, an sich selber herum zuschnüffeln. Sie zog eine Haarsträhne aus ihrem Zopf und roch daran. Zupfte an ihrem Shirt und wachelte mit den Armen. Nun, so unwahrscheinlich war es auch nicht, dass sie es selber gewesen sein könnte. Es war Ende Mai und äußerst warm. Wie am 19. März.

      Und zu dieser Zeit legte Maya nicht aaallzu großen Wert auf Körperpflege. Nicht, dass sie nicht duschen würde. Bei kuschligen 29°C stieg auch sie hin und wieder unter den kühlenden Wasserstrahl. Sah man sie sich aber genauer an, hatte man doch irgendwie das Bedürfnis ihr einen Euro und ein belegtes Brot zu zustecken.

      Ihre Haare hatte sie wirr zu einem Dutt hoch gesteckt und zusammen gezwirbelt. Dabei rede ich nicht von diesem überaus stylischen Ding, dass sämtliche Paris Hiltons und sonstige Starlets durch die Gegend tragen. Sondern von einem Haargebilde das man trägt, weil einem nichts anderes mehr übrig bleibt. Die Haare hatten sich so sehr an diese Position gewöhnt, dass sie schon ohne Gummiband zusammen hielten… gut nicht wirklich, aber so sah es zumindest aus.

      Zusätzlich zu dieser Herberge für diverse Mikroorganismen auf Mayas Kopf, gesellte sich ein überaus müder Gesichtsausdruck. Man sagt doch, die Augen sind der Spiegel zur Seele. Mayas Augen war müde. Kein Glanz, nur grenzenlose Trauer.

      Klamottentechnisch war sie auch recht schlicht unterwegs. Kurze Shorts, Tanktop, Unterwäsche. Tagesoutfit für die Wohnung. Unioutfit: längere Shorts, Tanktop, Tasche. Mit viel Glück wechselte sie auch schon mal das Shirt, bevor sie außer Haus ging. Aber nur mit wirklich viel Glück.

      Maya hatte einfach die Freude am Leben verloren. Sie machte nichts mehr aus sich, war sie zuvor doch sehr modebewusst gewesen und hatte sich auch gern zu Recht gemacht. Und das sollte in naher Zukunft auch wieder der Fall sein – nur wusste sie das noch nicht.

      Denn als Maya weiterhin dem Gestank nachging, kam sie, wie eigentlich tagtäglich, am großen Spiegel in der Diele vorbei. Aber dieses Mal blieb sie einfach stehen und betrachtete sich eingehend. Und es dauerte auch nur einen Augenblick bis