Die Servator Verschwörung. Jürgen Ruhr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Ruhr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742743503
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einen Handkuss an. „Ich freue mich, dass sie gekommen sind“, erklärte er dann.

      „Und ich freue mich, dass sie meinen Hinweis richtig verstanden haben.“

      Vera Hagerl hatte eine angenehme Stimme und während sie Platz nahmen, lächelte sie ihn an. „Ich war mir nicht sicher, ob meine Formulierung nicht doch zu kryptisch war.“

      „Ich muss zugeben, sie haben schon eine etwas ungewöhnliche Art, Termine mitzuteilen.“ Ron schmunzelte. Die Dame war ihm auf Anhieb sympathisch. Sie hatte sich für den heutigen Abend fein gemacht, aber dabei nicht übertrieben. Ron blickte in ein junges, offenes Gesicht, das von langen brünetten Haaren eingerahmt wurde. Vera Hagerl ging mit Make-up zweifellos sehr sparsam um und betrachtete ihn nun ebenso neugierig, wie er sie. Auch ihr schien zu gefallen, was sie sah.

      „Darf ich ihnen einen Aperitif bestellen?“, riss Ron sie aus ihrer gegenseitigen Betrachtung. „Ich kann den Tower Kick empfehlen.“

      Sie nickte und bevor er nach dem Kellner schauen konnte, stand der auch schon neben ihnen. Ron bestellte das Gewünschte und nahm seine Speisenkarte entgegen. „Ich bin zum ersten Mal in diesem Restaurant, deswegen kann ich auch keine Empfehlung für ein Gericht aussprechen“, gab er zu und beobachtete die Frau aus den Augenwinkeln.

      „Ich bin auch zum ersten Mal hier. Aber das“, sie tippte mit dem Zeigefinger auf die Karte, „klingt doch sehr vielversprechend. Heidelammrücken mit Kartoffelgratin. Das hört sich lecker an, mir läuft jetzt schon das Wasser im Mund zusammen.“

      Ron schmunzelte. „Und dazu einen Rotwein, oder lieber etwas ohne Alkohol?“

      „Rotwein wäre prima.“

      Nachdem der Kellner den Aperitif gebracht und ihre Bestellung entgegengenommen hatte, prosteten sie sich zu. „Ich heiße Ronald, meine Freunde nennen mich Ron.“

      „Und ich bin Vera. Aber das wissen sie - hoppla - weißt du ja schon.“ Sie strich sich mit einer anmutigen Bewegung eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

      „Vera, warum diese Geheimniskrämerei? Ich habe sehr lange herumtelefonieren müssen in eurem Amt und immer wurde ich vertröstet oder an eine andere Stelle verwiesen. Und dann deine vorsichtigen Andeutungen. Was ist da los? Und ist Inat wirklich tot oder habe ich dein ‚RIP‘ falsch verstanden? Bei dieser ganzen Sache gibt es so viele Ungereimtheiten. Ich war bei der Gerichtsverhandlung anwesend und ...“ Ron unterbrach seinen Satz, da der Kellner den Rotwein brachte. Dann fuhr er fort: „Also ich war bei der Verhandlung dabei. Es schien zunächst alles so einfach und klar, dann - nach seiner Verurteilung - bestand Inat plötzlich darauf, weder Schmuck noch Münzen gestohlen zu haben. Aber angeblich hat es einen Toten gegeben. Moment“, Ron überlegte einen Augenblick, welche Worte der Einbrecher benutzt hatte. „Ja, genau: Inat sagte ‚Ich weiß doch, was ich gesehen habe. Der Mann war tot, durch den Kopf geschossen!‘ So etwas erfindet man doch nicht so einfach.“

      Vera nickte und nippte an ihrem Aperitif. Dann sah sie Ron in die Augen: „Ich erfuhr von der ganzen Sache erst durch deinen Anruf. Die Hinweise im Computer haben mich allerdings vorsichtig werden lassen. Aber vielleicht erzähle ich dir erst einmal ein paar Dinge über mich, dann wirst du alles vielleicht auch besser verstehen ...“

      Ron nickte. Sie hatten Zeit und in Gesellschaft dieser jungen Dame fühlte er sich sehr wohl.

      Vera trank einen kleinen Schluck, sah ihn an und begann: „Ich bin vor einem halben Jahr von Bayern hier nach Berlin gekommen. Zuvor studierte ich in München Jura, musste aber das Studium abbrechen als mein Vater starb. Der hatte mich bis dahin finanziell unterstützt. Aber das ist ein anderes Thema ...“ Ihr Blick schweifte ein wenig ab und unbewusst strich sie eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ron wartete einfach ab, er wollte sie jetzt nicht unterbrechen.

      „Ich habe dann hier durch Zufall den Job im Amtsgericht bekommen und plane mein Studium an der Humboldt Universität fortzusetzen“, erklärte sie leise und Ron sah, dass ihre Gedanken jetzt in München und bei ihrem Vater weilten. Trotzdem konnte er sich jetzt eine Frage nicht verkneifen: „Du sagst, du hast in München gelebt. Wie kommt es, also du ...“ Er wusste nicht so recht, wie er es formulieren sollte, plötzlich kam ihm die Frage ziemlich blöd vor.

      Aber Vera wusste offensichtlich, was er meinte, denn sie erklärte: „Du willst bestimmt wissen, wieso ich so ganz ohne Akzent Hochdeutsch spreche.“ Sie lachte leise. „Wir sind von klein auf so erzogen worden. Mein Vater war Rechtsanwalt und legte größten Wert auf korrekte Aussprache. Nun, wäre dieser dumme Autounfall nicht gewesen ...“

      Wieder wurden sie durch den dezenten Kellner unterbrochen, der ihr Essen brachte und sich dann fast lautlos und diskret zurückzog, nachdem er ihnen einen guten Appetit gewünscht hatte. Während des Essens sprachen sie über recht belanglose Dinge und Ron erzählte auch ein wenig von sich. Von der Redaktion in New York, seinem Leben dort und weswegen er nach Berlin geschickt worden war. Dass sein Vater der Chef des ganzen Unternehmens war, ließ er jedoch unerwähnt.

      Nach einem Nachtisch, Vera wählte den sogenannten Schwedeneisbecher, der mit Apfelmus zubereitet wurde, hob sie schließlich wieder an zu erzählen: „Kurz nachdem ich meine Tätigkeit im Amtsgericht begonnen hatte, ereignete sich eine merkwürdige Sache.“ Sie nahm einen kleinen Schluck Rotwein, dann fuhr sie fort: „Ich hatte mich gerade ein wenig eingearbeitet, da stieß ich auf einen Vermerk, dass bei bestimmten Vorgängen unbedingt ein Richter Berndeck zu verständigen sei.“

      Ron unterbrach sie: „Lass mich raten: Dieser Richter Berndeck war auch derjenige, der die Verhandlung des Einbrechers Inat geführt hat.“

      Vera nickte: „Genau. Ich bin dann - in meiner Naivität - zu einem Kollegen gegangen und habe ihn gefragt, ob er Näheres zu diesem Vermerk wüsste. Aber der wimmelte mich ab und hielt mich mit dem Hinweis hin, dass er sich erkundigen würde. Keine zehn Tage später wurde ich in die Poststelle versetzt. Fortan mied man mich wie eine Aussätzige. Für mehr als ‚Guten Tag‘ und ‚Guten Weg‘ reichte es bei den Kollegen plötzlich nicht mehr. Natürlich machte mich das nur noch neugieriger und ich versuchte über Richter Josef Berndeck etwas herauszufinden. Aber das gestaltete sich mehr als schwierig, doch letztlich stieß ich auf ziemlich intensive Verbindungen zur Regierungspartei. Allerdings war das auch schon alles. Natürlich blieben meine Nachforschungen nicht unentdeckt und in einem Gespräch unter vier Augen und - wie man betonte - ohne Zeugen, machte man mir unmissverständlich klar, dass meine Neugier meinen Job gefährden würde. Schließlich befände ich mich ja in der Probezeit.“

      Ron nickte, konnte sich aber auf den gesamten Vorgang in Zusammenhang mit dem Einbrecher keinen Reim machen. „Das klingt alles merkwürdig, aber was hat das mit Inat zu tun? Vielleicht war es Zufall, dass ausgerechnet dieser Richter die Verhandlung übernommen hatte. Mir schien auch, dass das Urteil durchaus gerechtfertigt war. Oliver Inat war schließlich kein unbeschriebenes Blatt. Der Mann war mehrfach vorbestraft.“

      „Das kann ich nicht beurteilen“, erwiderte Vera. „Ich wollte damit auch nur sagen, dass dort irgendetwas nicht stimmt. Warum die Versetzung? Warum gibt es keine Informationen über diesen Richter? Und warum werde ich plötzlich gemieden, nachdem ich doch eigentlich völlig harmlose Nachforschungen angestellt hatte? Aber jetzt kennst du wenigstens meine Gründe, warum ich so vorsichtig sein muss. Ich brauche den Job, denn sonst kann ich mein Studium komplett an den Nagel hängen.“

      „Hmm“, Ron ließ seinen Blick über die schlanke Frau gleiten. „Ein wenig zu viele ‚Zufälle‘. Aber was ist mit Inat? Kannst du mir zu der Verhandlung oder zu seinem Ableben etwas sagen?“

      Vera lächelte: „Deswegen sind wir ja schließlich hier, oder? Obwohl mir das Essen mit dir doch schon sehr gut gefallen hat. Und die Aussicht von hier oben ist ja bombastisch!“

      Ron schmunzelte: „Komm, lenke jetzt nicht ab. Was ist mit Inat?“

      Die junge Frau lachte leise: „Aber das Essen habe ich mir schließlich ja auch verdient, denn immerhin opferte ich meine Mittagspause.“

      „Vera, jetzt mach‘ es nicht so spannend“, seufzte Ron gespielt ungeduldig auf.

      „Wie gesagt: Ich habe meine