Die Servator Verschwörung. Jürgen Ruhr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Ruhr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742743503
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um einen normalen Arbeitstag handelte. Würde der Mann während seines Spazierganges nicht einen anderen Rentner mit Hund treffen, so käme ihm eine Gelegenheit zum Reden und seine Neugier zu befriedigen bestimmt recht. Ron verlangsamte seine Schritte unmerklich und zählte in Gedanken ‚eins‘, ‚zwei‘, ‚drei‘. Bis vier kam er nicht mehr, da hörte er den Mann laut hinter sich sagen: „Ein herrlicher Morgen, meinen sie nicht auch?“

      Ron hielt inne, drehte sich um und ging zu dem Mann zurück. „Es wird bestimmt warm werden heute“, nahm er das Gespräch auf.

      Der Alte beobachtete seinen Hund, der gerade einen Zaunpfahl markierte. „Hoffentlich nicht zu warm. Wohnen sie hier?“

      Ron unterdrückte ein Grinsen. Das Gespräch nahm genau den Verlauf, den er sich gedacht hatte. Ein Fremder hier um diese Zeit? Jemand, den der Hundebesitzer noch nie gesehen hatte? Das verlangte ja direkt nach Erklärungen. Ron hatte sich auch schon eine Geschichte zurechtgelegt. „Ich bin auf dem Weg zur Arbeit. Bin aber viel zu früh dran“, fügte er dann hinzu, um zu zeigen, dass er keine Eile habe. „Ich bin vor ein paar Tagen erst hierhin, also zwei Straßen weiter, gezogen und habe heute meinen ersten Arbeitstag. Zufällig kam ich auf dem Weg zur S-Bahn durch diese Straße. Das sind ja prächtige Häuser.“

      Der Alte nickte: „Dies ist eine der besten Wohngegenden Berlins. Sie sind nicht von hier?“

      Ron schüttelte den Kopf und beobachtete den Hund, der jetzt mitten auf dem Gehweg sein großes Geschäft erledigte. „Ich komme aus New York.“

      „Ach, das ist ja interessant. Sie sprechen aber sehr gut Deutsch.“

      Ron nickte und blieb beim Erklären bei der Wahrheit: „Meine Mutter ist Deutsche.“ Dann deutete er auf die Häuser: „Hier wohnen bestimmt besondere Menschen. Das gibt es in New York auch. Die besseren Viertel.“

      Der Hundebesitzer fühlte sich geschmeichelt und ging auch gleich auf Rons Worte ein: „Da haben sie Recht. Ich bin ja jetzt Rentner, aber früher war ich Arzt und hatte eine eigene Praxis hier ganz in der Nähe, in Zeelendorf.“

      „Das ist ja interessant“, zeigte Ron sich interessiert und deutete auf das Haus neben dem des Generalstaatsanwalts. „Und in dieser prächtigen Villa, wer wohnt dort?“

      Der Alte zog seinen Hund von einem kleinen Busch fort und machte eine unwillige Geste. „Da wohnt so ein Kraftfahrzeughandwerker. Hat irgendwo eine eigene Werkstatt.“

      Ron ließ einen Laut der Enttäuschung hören, dann zeigte er auf Bornsings Villa: „Und dort. Das ist ja auch ein tolles Haus.“

      Der Mann zeigte wieder etwas mehr Begeisterung: „Da wohnt ein Generalstaatsanwalt.“

      „Ein Generalstaatsanwalt?“, wiederholt Ron. „Na, die Villa passt auch zu ihm. Allerdings ein wenig protzig, nicht wahr? Alles aber top gepflegt ...“

      Wieder wurde der Hund etwas zurückgezogen. Dann setzte der Rentner sich in Bewegung. Ron folgte ihm an der Seite.

      „Generalstaatsanwalt Bornsing, ein sehr netter Mann“, gab der Alte bereitwillig Auskunft. Plötzlich blickte er Ron von der Seite an: „Was machen sie eigentlich beruflich?“

      „Ich bin Assistenzarzt im Vivantes Klinikum. Entschuldigen sie, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Dr. Rienatz.“ Ein besserer Name, als der von der Praktikantin fiel ihm auf die Schnelle nicht ein.

      „Dr. Köllner“, stellte sich der Hundebesitzer jetzt vor. „Willkommen in Berlin, Herr Kollege.“

      Ron hielt dem Mann die Hand hin. „Danke, Herr Kollege. Das mit der Villa habe ich nicht so gemeint. So protzig ist sie ja auch wieder nicht“, führte er das Gespräch geschickt wieder auf den Staatsanwalt zurück. „Dieser Generalstaatsanwalt ist bestimmt auch ziemlich beschäftigt ...“

      Sie hatten jetzt schon ein ganzes Stück zurückgelegt und bogen in eine Seitenstraße ab.

      „Ich habe den Mann lange nicht mehr gesehen. Im Februar wurde bei ihm eingebrochen, da war er noch in Urlaub. Seitdem habe ich ihn aber nicht mehr gesehen.“

      Ron nickte: „Vielleicht haben sie ihn ja auch einfach nur übersehen. Mir ist aufgefallen, dass das Grundstück ja doch sehr gepflegt wirkt.“

      Der Hundebesitzer winkte mit einer Hand ab: „Ach das. Nun, Bornsing beschäftigt natürlich entsprechendes Personal. In seiner Position! Putzfrau, Gärtner und was weiß ich noch. Ich kann mir gerade einmal jemanden leisten, der hin und wieder meinen Garten pflegt.“

      Ron konnte sich nur dunkel an das Haus erinnern, aus dem der Rentner gekommen war. „Ihr Garten ist aber auch toll gepflegt“, schmeichelte er und hoffte nicht daneben zu liegen. „Machen sie denn noch viel selber?“

      „So gut ich kann. Den Rasen mähe ich zum Beispiel noch alleine. Aber andere Sachen, wie Reparaturen am Haus, muss ich auch machen lassen. Da unterscheide ich mich kaum von Bornsing“, lachte er dann leise.

      „Inwiefern? Lässt dieser Herr Bornsing so viel reparieren?“

      Wieder lachte der Alte leise. „Nein, nein. Aber im Februar, kurz nach dem Einbruch, waren plötzlich viele Handwerker dort. Sogar eine Scheibe wurde ausgewechselt. Und das obwohl der Generalstaatsanwalt wahrscheinlich nicht zu Hause war.“

      „Vielleicht wurde das von der Putzfrau oder dem Gärtner organisiert“, warf Ron leichtfertig ein und beobachtete seinen Gesprächspartner von der Seite. „Das ist doch ganz normal, oder nicht?“

      Der Arzt im Ruhestand zog erneut seinen Hund zurück, überlegte einen Moment und meinte dann: „Das kann ich nicht sagen. Es war alles so merkwürdig damals. Erst nachts der Lärm. Ich meine den Einbruch. Ich bin durch die Sirene des Polizeiwagens geweckt worden. Erst die Polizei und am Morgen zwei Wagen mit Leuten in Anzügen. Aber vielleicht war das ja auch die Kriminalpolizei, die den Einbruch untersucht hatte. Und am gleichen Tag kamen dann schon die Handwerker. Die haben Schubkarren voller Unrat aus dem Haus gekarrt.“

      „Schubkarren?“ Ron konnte sich keinen Reim auf das Gesagte machen. „Hat es dort gebrannt und musste deswegen renoviert werden? War das Bauschutt?“

      „Nein, nein. Keine Ahnung. Genau genommen habe ich auch nur eine Schubkarre gesehen. Aber auf der lag ein ziemlich großer Müllsack. Aber wenn da etwas nicht gestimmt hätte, dann wäre Bornsing doch eingeschritten. Oder nicht?“

      Ron sagte nichts. Eine merkwürdige Angelegenheit war das schon. Aber wo fand sich das Motiv für all diese Aktivitäten? Ging man einmal von einem normalen Einbruch aus, dann müsste doch lediglich ein aufgebrochenes Schloss oder eine Tür repariert werden. Oder hatte Inat das Fenster eingeschlagen? Aber wieso karrten dann Handwerker säckeweise Schutt aus dem Haus? Ron nahm sich vor, noch einmal mit Vera zu sprechen, vielleicht konnte sie in Erfahrung bringen, auf welchem Weg Inat in das Haus eingedrungen war. Ron plante ohnehin, sie anzurufen und zu der Veranstaltung am Samstag einzuladen. So könnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Beruflich der Darbietung dieser Laienmusiker beiwohnen und die Gesellschaft Veras genießen. Wenn sie denn zusagte.

      Mit dem Hinweis darauf, dass er am ersten Arbeitstag nicht zu spät erscheinen wolle, verabschiedete Ron sich schließlich hastig.

      Der Tag im Büro verging mehr schlecht als recht. Der Chefredakteur glänzte durch Abwesenheit, die beiden Kollegen Changa und Meizel recherchierten wieder in dieser Korruptionsaffäre und der neue Onlineredakteur Matthias Prokas schien plötzlich seine Vorliebe für das Kaffeekochen entdeckt zu haben. Jedenfalls verbrachte er die meiste Zeit mit Maike in der Kaffeeküche. Ron warf einen Blick auf die von Prokas verfassten - oder besser: abgeschriebenen - Artikel und schüttelte den Kopf. Rechtschreibfehler reihte sich an Rechtschreibfehler. Er entschied, dass es wohl besser wäre, wenn dieser neue Kollege bei der Praktikantin in der Kaffeeküche bliebe. Rasch schrieb Ron einige Artikel und stellte sie Online. Nachdem seine Arbeit soweit erledigt war, verabschiedete er sich zeitig in den Feierabend. Es galt noch einige Dinge zu besorgen, denn Ron plante, dem Haus des Generalstaatsanwaltes in der Nacht einen weiteren Besuch abzustatten.

      Kurz nach zwölf