Die Servator Verschwörung. Jürgen Ruhr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Ruhr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742743503
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sondern vor Nervosität. Diese Situation war etwas Neues für ihn. Obwohl er ja nicht plante, in das Haus einzubrechen. Trotzdem, allein schon hier auf dem fremden Grundstück zu sitzen und den Geräuschen der Umgebung zu lauschen, war für ihn eine ungewohnte Situation. Ron versuchte sich in den Einbrecher hinein zu versetzen. Wie dachte so jemand, wie wollte er ins Haus gelangen? Irgendwo erklang das Fauchen zweier Katzen, die sich stritten. Bei Nacht drangen die Geräusche doppelt so weit wie tagsüber. Könnte er als Einbrecher ein Fenster einschlagen? Wäre das nicht viel zu laut?

      Über den eigentlichen Einbruch wusste er nicht allzu viel, in den wenigen Unterlagen war darüber auch nichts zu finden gewesen. Vera hatte er am Abend nicht erreicht und lediglich auf ihren Anrufbeantworter gesprochen. Darum musste er sich jetzt auf Spekulationen verlassen. Konnte man eine Scheibe einschlagen, indem man ein Handtuch zur Geräuschdämmung benutzte? Oder war es einfacher, die Hintertür aufzubrechen? Ron beschloss, mit der Türe zu beginnen. War sie aufgebrochen worden, so mussten sich doch irgendwo noch Spuren finden lassen.

      Am frühen Abend hatte er sich für diese Aktion heute Nacht entsprechend ausgestattet: Schwarze, unauffällige Kleidung, eine Sturmhaube, ein Paar Handschuhe, eine kleine Taschenlampe und ein Messer für alle Fälle. Außerdem trug er nagelneue, dunkle Turnschuhe, die er nach dieser Sache unauffällig verschwinden lassen wollte. Falls jemand etwas bemerkte und die Polizei verständigte, wollte er nicht anhand von Fußabdrücken identifiziert werden.

      Ron schlich zur Hintertür. Wie einst der Einbrecher, musste er sich zunächst durch das Gebüsch kämpfen. Den Lichtkegel der Lampe mit einer Hand eindämmend, untersuchte er die Tür. Keine Spuren. Das Schloss war intakt und wies keinerlei Aufbruchspuren auf. Also doch das Fenster? Aber welches? Ron beschloss, um das Haus herumzuschleichen, wobei er die Front zur Straße meiden wollte. Er würde also von hier aus einmal zunächst rechts um das Gebäude herum gehen, danach zurückkehren und dann in der anderen Richtung weiterschleichen.

      Am Haus befanden sich in unregelmäßigen Abständen Büsche, die meistens über unangenehme Dornen verfügten. Immer wieder musste er einen kleinen Bogen machen und etwas Abstand zum Gebäude halten. Er kam an einem Fenster vorüber, dass vermutlich zur Küche gehörte und stand schließlich vor der Hausecke, die zur Straßenfront führte. Hier befand sich ein weiteres Fenster. Vorsichtig versuchte Ron in den dahinterliegenden Raum zu blicken. Dann leuchtete er kurz mit der Taschenlampe hinein. Offensichtlich ein Büro oder Arbeitszimmer. In dem kurzen Moment, in dem er den Lichtstrahl durch den Raum wandern ließ, konnte er einen Schreibtisch, sowie einen Sessel erkennen. Wollte er allerdings mehr in Erfahrung bringen, so müsste er in das Haus einbrechen.

      Ron wandte sich ab und trat gerade den Rückweg an, als der Lichtstrahl der Taschenlampe den Fensterrahmen streifte. Im Unterbewusstsein nahm er etwas wahr, ging dann aber leise weiter. Nach zwei Metern kehrte er um und trat erneut an das Fenster heran. Da war wirklich etwas! Ron ließ den abgeblendeten Strahl der Lampe über den Rahmen gleiten. Ganz offensichtlich war das Fenster ausgetauscht worden. Das deckte sich ja auch mit den Erzählungen des Rentners.

      Aber welcher Einbrecher würde hier, so nahe der Straße, die Scheibe einschlagen und in das Haus eindringen? Sinnvoller wäre doch der Einbruch durch die Tür gewesen. Oder - wenn es denn ein Fenster sein musste - durch die Küche. Das Küchenfenster lag immerhin ein ganzes Stück weiter hinten. Aber man hatte dieses Fenster ausgetauscht, das war deutlich zu sehen.

      Ron erinnerte sich an die Worte des Einbrechers im Gerichtssaal. Ein Mann, erschossen. Er ließ seine Phantasie spielen. Vor seinem inneren Auge sah er einen Mann am Schreibtisch sitzen. Den Rücken dem Fenster zugewandt und angestrahlt von einer Schreibtischlampe. Mit einer Pistole oder besser noch einem Gewehr wäre dieser Mann ein leichtes Ziel.

      Wer aber erschoss nachts wahllos irgendwelche Leute? Oder handelte es sich um einen geplanten Mord? Warum erfuhr dann aber niemand etwas davon? Ron schüttelte den Kopf und schalt sich selbst einen Narren. Da ging wohl seine Phantasie mit ihm durch! Es gab keinen Toten, nur einen verurteilten Einbrecher.

      Doch der Gedanke an einen Mord ließ ihn nicht los. Von wo würde der mutmaßliche Mörder schießen? Ron zielte mit seiner rechten Hand wie mit einer Pistole, wobei der Zeigefinger den Lauf darstellte. Dann bewegte er sich langsam rückwärts. Hätte hier der Schütze stehen können? Er entschied, dass die Stelle viel zu ungeschützt war und bewegte sich weiter rückwärts. Plötzlich stieß er an einen Baum. Erschrocken hielt er inne. Immer noch befand er sich in gerader Linie zum Fenster und somit auch zu dem dahinterliegenden Büro. Bis auf diesen Baum trübte nichts die Sicht. Also dürfte der Baum hier die Endstation darstellen. Ron ließ die Taschenlampe kurz aufblitzen und blickte am Stamm hoch. Leichte Kratzspuren, so also wäre jemand hinaufgeklettert, ließen sich in der Rinde erkennen. Hatte der Schütze auf dem Baum gesessen?

      ‚Du spinnst ja‘, meinte er halblaut zu sich selbst. ‚Vielleicht solltest du einen Roman schreiben. Das waren vielleicht Kinder, die dort herumgeturnt sind.‘ Schließlich gab es ja offiziell keinen Toten und er schlug sich die Nacht hier mit Hirngespinsten um die Ohren. Und Vera hatte vermutlich schon zurückgerufen und ihn nicht erreicht, da sein Handy ausgeschaltet war!

      ‚Warte ab‘, sagte er sich, ‚gleich findest du eine Patronenhülse im Gras. Neun Millimeter Magnum‘. Bei dem Gedanken lachte er leise vor sich hin. Es wurde Zeit, nach Hause zurückzukehren. Was machte er hier überhaupt?

      Ron kroch auf allen Vieren um den Baum herum und suchte das Gras sorgfältig ab. Eine Patronenhülse fand er nicht. Noch einmal fragte er sich, was das hier alles sollte. Wie konnte er so verrückt sein, solch eine dumme Vermutung anzustellen? Trotzdem kroch er noch ein wenig weiter und vergrößerte seinen Suchkreis. Plötzlich hielt er ein Stück Papier in der Hand. Offensichtlich handelte es sich um den Teil eines Fotos. Durch die Witterung war es halb verrottet, aber da es sich um Fotopapier handelte, waren Stücke davon noch recht leidlich erhalten. Ron ließ die Taschenlampe kurz aufblitzen und warf einen Blick darauf, bevor er das Papier einsteckte. Damit könnte er sich später beschäftigen.

      Langsam und leise schlich er wieder zu dem Fenster zurück. Es war an der Zeit, diese nächtliche Exkursion zu beenden. Er würde den gleichen Weg nehmen, den er auch hierhin gekommen war. Also erst einmal um das Haus herum und zurück zur Hintertür. Bevor er sich auf den Weg machte, lauschte er noch einmal angestrengt. Aber es war ruhig, nirgends auch nur ein Geräusch zu hören.

      Ron schlich gerade auf das Küchenfenster zu, als ein Rascheln hinter ihm ertönte. Erschrocken wandte er sich um und konnte eine schwarze Katze ausmachen, die ihn aus leuchtenden Augen ansah. Reflexartig trat er einen Schritt zurück. Aber sein Fuß fand keinen festen Boden und mit einem erstickten Aufschrei fiel der Redakteur durch einen Dornenbusch hindurch in ein offenes Kellerloch. Unsanft landete er auf dem Rücken und schlug mit der Stirn gegen die Schachtwand. Ron schüttelte ein wenig benommen den Kopf. Der Schacht war nicht tief und wurde halb durch den Busch verdeckt. Der musste im Laufe der Zeit vom Rasen her immer weiter Richtung Hauswand gewuchert sein, ließ aber gut die Hälfte der Öffnung zur Wand noch frei. Ron fluchte über so viel Nachlässigkeit, denn der Schacht hätte abgedeckt werden müssen. Dann stemmte er sich mühsam hoch. Sein linker Knöchel schmerzte. Vorsichtig tastete er ihn ab, seufzte aber dankbar auf, als offensichtlich nichts gebrochen war. Eine Verstauchung vermutlich nur. Aber das reichte ja schließlich auch schon. Noch einmal befühlte er den Fuß und stieß auf etwas Weiches. Zum Glück hatte er die Taschenlampe bei dem Sturz fest in der Hand gehalten und ein kurzes Anleuchten des weichen Gegenstandes zeigte ihm, dass er einen dunkelgrünen Rucksack gefunden hatte.

      Instinktiv blickte Ron an der Hauswand hoch und konnte in der ersten Etage über sich ein kleines Fenster ausmachen. Hieß es nicht, der Einbrecher sei in einem Badezimmer festgenommen worden? Konnte es sich bei diesem Rucksack vielleicht um den von Inat handeln? Der Stoff war feucht und modrig aber noch ganz passabel, da es sich um einen militärischen Ausrüstungsgegenstand handelte. Ron überlegte kurz, ob er jetzt nicht die Polizei über seinen Fund informieren müsste, verwarf den Gedanken aber. Das könnte er später immer noch machen. Zunächst siegte seine Neugier, was sich darin befinden würde.

      Es dauerte eine Weile, bis er in seiner Pension angelangte. Einerseits behinderte ihn sein verletzter Fuß, andererseits fuhren um diese Zeit weder Busse noch Bahnen,