Doch zu jedem Strickmuster braucht man die passende Wolle. Die Frage ist also, welche Wollart den Faden stellt, der von Politikern und Unternehmern zum Stricken in die Hände genommen wurde und wird. Meiner Meinung nach handelt es sich um alte, aufgeribbelte und damit krauselig durch die ehemaligen Maschen zu Mustern gepresste Wolle, die frisch verstrickt wird. Ein alter Pullover wird neu verarbeitet: Die unverarbeitete deutsche Vergangenheit Hand in Hand mit der unaufgearbeiteten Oben-und-Unten-Gesellschaft. Gemeint ist hier zunächst die individuelle und persönliche Ebene, wie sie in allen Menschen in verschiedener Form unverarbeitet wirkt. Es sind die tiefsten, existenziellen Ängste, die Angst zu sterben und die Angst, die materielle Existenz zu verlieren, die die Seele der Menschen in Deutschland in den letzten Jahren mit eiskalten politischen und wirtschaftlichen Fingern berühren und dirigieren. Die unverarbeitete Vergangenheit mit Gefühlen und Verhaltensweisen, mit viel Glück sogar mit konkreten Erinnerungen, steigt in Menschen auf und schlägt blind zurück. Den tiefen Schatten dieser unverarbeiteten Vergangenheit verdeckt die Scham – und dahinter lauert die Todesangst, mindestens jedoch ein Gefühl des völligen Unwert- und Unnützseins. Wer sucht in der Erinnerung das Furchtbare? Niemand. Jeder sucht in den Erinnerungen das Gute und den Halt im Leben, denn sie geben Kraft und Zuversicht. Aber, sie helfen nicht immer weiter. In jedem Leben gibt es auch den Schatten, der sich in vielerlei Hinsicht verwirklichen kann, wenn er partout nicht wahrgenommen und gesehen werden will. Es wird gemeckert und gemault, ja. Oder man wird krank, ja. Beruhigungsfloskeln werden politisch ausgesprochen, ja.
Historische Erfolge der Wirtschaft werden mitgeteilt, ja. Zu fragen ist, ob Menschen auf diese Weise das seelisch unverarbeitete Material in neuer Form leben? Werden neue Pullover aus aufgeribbelter, alter Wolle gestrickt und leben mit ihnen durch das Tragen auch wieder traumwandlerisch die alten Gefühle, die alten Verhaltensweisen auf? Wer nimmt dabei welchen Platz ein? Die deutsche Geschichte trifft auf die kapitalistische Globalisierung, die ebenfalls seit Jahr und Tag ein Tabu hütet und als Damoklesschwert über sich weiß: Wann endet der Kapitalismus? Er darf und soll nie enden – so die Ideologie. Deshalb wird nicht genügend hinterfragt, welche Art von zwischenmenschlichen Beziehungen, welche sozialen und psychischen Folgen diese Wirtschaftsform hervorbringt: Nichtwissenwollen, Ignorieren und Verleugnen des eigentlichen kapitalistischen Kerns, den Karl Marx in seiner Entfremdungstheorie und der Analyse des Kapitals beschrieb, trifft auch auf die individuell und gesellschaftlich nicht geförderte psychische Verarbeitung geschichtlicher Schrecken. Damit sitzen wir in Deutschland auf einem Pulverfass, dessen Lunte mittels zahlreicher Techniken und Gesetze kontrolliert wird. Jedes Fünkchen ist unbedingt fernzuhalten.
Aber unaufgearbeitete seelische Vergangenheit ist nicht kalkulierbar – zumal in einem Land, in dem Moral und Ethik nicht mehr in der menschlichen Psyche verankert ist, sondern sich nach dem gesellschaftlich „Möglichen“ richtet: „Wo kein Richter, da kein Henker“ und das, so lange es geht! Menschen werden an Unmögliches allmählich adaptiert, bis es Gewohnheit ist und nicht mehr in Frage gestellt wird. Veränderungen des Adaptionsniveaus, eine psychologische Grundlagenforschung, wird gewissermaßen als Mittel zur Anpassung genutzt. Die Verhaltenstherapie bietet auf der wissenschaftlichen Grundlage der Lerntheorien verschiedene Modelle, mit denen man Adaptationsniveaus spielend verändern kann.
Gern bedient man sich weiterer Kenntnisse der Wahrnehmungspsychologie, die ebenso simpel wie erfolgreich die sinnliche Wahrnehmung aufgrund physiologischer Gesetzmäßigkeiten beeinflusst und ggf. den Betrachter dazu anregt, falsche Schlüsse oder aufgrund einer abweichenden Darstellung, die richtigen zu ziehen. Das, was der Betrachter glauben soll, wird mit unterschiedlichen Stilmitteln auf der Grundlage psychologischer Wahrnehmungsgesetze abgebildet. Es geht nicht nur um Abbildung von Wahrheit, wie Pablo Picasso einst formulierte: „Kunst ist eine Täuschung, die uns fähig macht, die Wahrheit zu erkennen.“ (Pablo Picasso in Vogue, 10/2009, o. Seitenangabe, Jubiläumsausgabe) Sondern auch um die Erzeugung des Gegenteils dessen, was als Wahrheit zu bezeichnen wäre: Kunst ist eine Täuschung, die uns unfähig macht, die Wahrheit zu erkennen. In Bildern, in denen zwei gegensätzliche Figuren wahrgenommen werden können, hängt vom Betrachter ab, was wahrgenommen wird: die alte oder die junge Frau zum Beispiel. In diesen Kippbildern wird offenbar, was in anderen Bildern oder in der Werbung verborgen gehalten werden soll: Die gewünschte Wahrnehmung mit der passenden Bedeutung sind im Betrachter zu erzeugen. Das der Darstellung zugrunde liegende Motiv richtet sich nach der Branche, die den Auftraggeber bezahlt: Wirtschaft, Politik, Künstler, Journalisten etc.. Das Motiv steuert die Darstellung. Die Intentionen können sehr unterschiedlich sein: Ein Produkt verkaufen wollen; eine politische Haltung als gut oder schlecht erscheinen lassen; einen Zustand als unhaltbar und zu kritisieren erscheinen lassen; Zusammenhänge darstellen, die nicht Wahrheit, sondern das Gegenteil glaubwürdig abbilden....
Es kann geschlossen werden, Täuschung ist eine Möglichkeit, die Welt nach eigenen Vorstellungen, Werten und Interessen zu gestalten und anderen Menschen so erscheinen zu lassen, wie man sie gesehen haben möchte. Die größte Täuschung, der Milliarden von Menschen offenbar aufgesessen sind, fand am 11. September 2001 statt. Live oder am Fernsehen konnte in Wort und Bild verfolgt werden, wie die Zwillingstürme in New York scheinbar aufgrund von zwei Flugzeugen, die in sie hinein flogen, wie Kartenhäuser geordnet und kunstvoll wie bei einer Sprengung zusammensackten. Ergänzt wurden die Livebilder der BBC durch Kommentare von Journalisten und vom Unglück betroffener Menschen. Folgt man der Berichterstattung von VOX in der Sendung „9/11 Mysteries – Die Zerstörung des World Trade Centers“, so handelt es sich um ein geplantes und milliardenschwer kalkuliertes Ereignis, an dem offenbar eine Reihe von Menschen sehr viel Geld verdient haben. (VOX. 10.9.2009) Bedeutend mehr Menschen als daran verdienten, starben und erkrankten an den Folgen dieses Ereignisses. Der Rest der Welt wurde in die Irre geführt? Das Gefühl von Milliarden Menschen, das sich in den folgenden paar Worten anlässlich des weltweiten Verfolgens des Unglücks zusammenfassen lässt in „Das verändert die Welt... sie wird nie mehr so sein, wie vorher...“ gewinnt nach dem obigen Dokumentarfilm (USA 2006) eine erweiterte Bedeutung, sollten sich die referierten Fakten weiter erhärten und bestätigen.
Insofern erweitert sich die Kunst der Täuschung: Als logisches Pendant und Erweiterung – und eben nicht sensorisch-physiologisch visueller Wahrnehmung auf analoger Ebene – werden die allgemeinen theoretischen Grundlagen der Metapherntheorie aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen im sprachlichen Bereich als Vehikel des sie benutzenden Motivs eingestuft. Insofern ist Metapherntheorie eine interdisziplinäre Wissenschaft, die durch Linguistik, Neurophysiologie, Cognitive Sciences, Psychologie, Philosophie und insbesondere durch die Intention der praktischen Verwertbarkeit in den Medienwissenschaften aus genuin ökonomischen Interessen gespeist, umfangreich in unserer Kultur aufgestellt. Fotos und Filme sind besonders gut geeignet, Menschen zu manipulieren und diejenigen, die sie schießen und veröffentlichen, formulieren bisweilen ihre tiefere Intention: „Manipulation von Fotos hat ihr Gutes – dann glauben die Leute nicht mehr alles.“ (Sebastian Tuner in: Chrismon, Begegnung, 02.2008). Dieser Aussage, ebenso wie der Aussage von Pablo Picasso, liegt eine andere Werteordnung und Intention zugrunde als den Urhebern der Vorgänge um den 11. September 2001, ob nun durch Terroristen oder Wirtschafts- und/oder Politikkriminalität verursacht. Sebastian Turner ist Professor an der Universität der Künste und Leiter der Kommunikationsagentur „Scholz & Friends“ und weiß, wovon er spricht. Die Intention des Bildmachers entscheidet, zu welchem Zweck Bildmaterial eingesetzt wird, um das Motiv entweder sichtbar oder unsichtbar zu machen: Insofern gilt umgekehrt ebenso, dass man über Fotos den Menschen auch Dinge glauben machen kann, die vom Ursprung her weder da noch gemeint sind. Man kann Menschen hässlicher, böser und gefährlicher erscheinen lassen, als sie sind und umgekehrt. So ließ man Angela Merkel mit jedem weiteren Schritt zur Macht hin immer weicher erscheinen.
„Plötzlich wurden die Bilder von Angela Merkel immer schmeichelhafter.“ (Herlinde Koelbl, Fotografin, in Beilage „Die Zeit“: Chrismon, Begegnung, 02.2008)
Bilder, die Realität oder Menschen weicher, härter oder auf andere Art und Weise erscheinen lassen wollen, werden aber insbesondere im Inneren von Menschen durch Worte und Erlebnisse erzeugt, die Menschen von klein auf prägen. Der Mensch sieht und hört von klein auf und wird durch die Erfahrungen geprägt, wenn er diesbezüglich physiologisch oder