Winnetou Band 2. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742772039
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bleiben; aber morgen fahre ich mit dem Schiffe nach La Grange, von wo aus ich über Fort Inge nach dein

       Rio Grande del Norte muß.«

       »Wir fahren mit demselben Schiffe, nur weiß ich nicht, wie weit. Wir werden also morgen noch

       beieinander sein.«

       »Nein.«

       »Nicht? Warum nicht?«

       »Weil ich meinen Bruder nicht in meine Sache verwickeln möchte; darum habe ich vorhin getan, als ob

       ich dich nicht kenne. Auch wegen Old Death habe ich nicht mit dir gesprochen.«

       »Warum wegen ihm?«

       »Weiß er, daß du Old Shatterhand bist?«

       »Nein. Dieser Name ist zwischen uns gar nicht gefallen.«

       »Er kennt ihn dennoch ganz gewiß. Du bist bisher im Osten gewesen und weißt also nicht, wie oft im

       Westen von dir gesprochen wird. Old Death hat sicher auch von Old Shatterhand gehört; dich aber scheint

       er für ein Greenhorn zu halten?«

       »Das ist allerdings der Fall.«

       »So wird es später eine große Überraschung geben, wenn er hört, wer dieses Greenhorn ist; die möchte

       ich meinem Bruder nicht verderben. Wir werden also auf dem Schiffe nicht miteinander sprechen. Wenn

       du Ohlert und seinen Entführer gefunden hast, dann werden wir um so länger beisammen sein, denn du

       wirst doch zu uns kommen?«

       »Ganz gewiß!«

       »So wollen wir jetzt scheiden, Scharlieh. Es gibt hier Bleichgesichter, welche auf mich warten.«

       Er stand auf. Ich mußte sein Geheimnis achten und nahm Abschied von ihm, hoffentlich nur für kurze

       Zeit.

       Am andern Morgen mieteten wir zwei Maultiere, auf denen wir hinaus nach der Raft ritten, wo der

       Dampfer auf die Passagiere wartete. Die Tiere erhielten unsere Sättel aufgelegt, wodurch es

       glücklicherweise vermieden wurde, daß wir dieselben tragen mußten.

       Der Steamer war ein sehr flachgehendes Boot und ganz nach amerikanischer Manier gebaut. Es befanden

       sich bereits zahlreiche Passagiere auf demselben. Als wir, nun allerdings die Sättel tragend, über die

       Planke schritten und an Deck kamen, rief eine laute Stimme:

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       »Bei Jove! Da kommen ein paar zweibeinige, gesattelte Maulesel! Hat man schon so etwas gesehen?

       Macht Platz, Leute! Laßt sie hinab in den Raum! Solch Viehzeug darf doch nicht unter Gentlemen

       verweilen!«

       Wir kannten diese Stimme. Die besten Plätze des mit einem Glasdache versehenen ersten Platzes waren

       von den Rowdies eingenommen, welche wir gestern kennen gelernt hatten. Der laute Schreier von

       gestern, welcher überhaupt ihren Anführer zu machen schien, hatte uns mit dieser neuen Beleidigung

       empfangen. Ich richtete mich nach Old Death. Da er die Worte ruhig über sich ergehen ließ, tat auch ich

       so, als ob ich sie gar nicht vernommen hätte. Wir nahmen den Kerlen gegenüber Platz und schoben die

       Sättel unter unsere Sitze.

       Der Alte machte es sich bequem, zog seinen Revolver hervor, spannte ihn und legte ihn neben sich hin;

       ich folgte seinem Beispiele und legte den meinen auch bereit. Die Kerls steckten die Köpfe zusammen

       und zischelten unter sich, wagten es aber nicht, wieder eine laute Beleidigung hören zu lassen. Ihre

       Hunde, von denen nun freilich einer fehlte, hatten sie auch heute bei sich. Der Sprecher betrachtete uns

       mit ganz besonders feindseligen Blicken. Seine Haltung war gebeugt, jedenfalls infolge des Fluges durch

       das Fenster und der nachfolgenden nicht eben sanften Behandlung durch Winnetou. Sein Gesicht zeigte

       die noch frischen Spuren der Fensterscheiben.

       Als der Conductor kam, uns zu fragen, wie weit wir mitfahren wollten, gab Old Death den Ort Kolumbus

       an, bis wohin wir bezahlten. Wir konnten ja dort weitere Passage nehmen. Er war der Ansicht, daß

       Gibson nicht ganz bis Austin gefahren sei.

       Die Glocke hatte bereits das zweite Zeichen gegeben, als ein neuer Passagier kam -Winnetou. Er ritt

       einen auf indianische Weise gezäumten Rapphengst, ein prachtvolles Tier, stieg erst an Bord aus dem

       Sattel und führte sein Pferd nach dem Vorderteile des Deckes, wo für etwa mitzunehmende Pferde ein

       schulterhoher Bretterverschlag angebracht worden war. Dann setzte er, scheinbar ohne jemand zu

       beachten, sich daneben auf die Brüstung des Schiffgeländers. Die Rowdies nahmen ihn scharf in die

       Augen. Sie räusperten sich und husteten laut, um seine Blicke auf sich zu lenken, doch vergebens. Er saß,

       sich auf die Mündung seiner Silberbüchse stützend, halb abgewendet von ihnen und schien kein Ohr für

       sie zu haben.

       jetzt läutete es zum letzenmal; noch einige Augenblicke des Wartens, ob vielleicht noch ein Reisender

       kommen werde; dann drehten sich die Räder, und das Schiff begann die Fahrt.

       Unsere Reise schien ganz gut verlaufen zu wollen. Es herrschte vollständige Ruhe an Bord bis Wharton,

       wo ein einziger Mann ausstieg, dafür aber zahlreiche Passagiere an Bord kamen. Old Death ging für

       einige Minuten an das Ufer, wo der Commissioner stand, um sich bei demselben nach Gibson zu

       erkundigen. Er erfuhr, daß zwei Männer, auf welche seine Beschreibung paßte, hier nicht ausgestiegen

       seien. Dasselbe negative Resultat hatte seine Erkundigung auch in Kolumbus, weshalb wir dort bis La

       Grange weiter bezahlten. Von Matagorda bis Kolumbus hat das Schiff einen Weg von vielleicht fünfzig

       Gehstunden zurückzulegen. Es war also nicht mehr zeitig am Nachmittage, als wir uns am letzteren Orte

       befanden. Während dieser langen Zeit hatte Winnetou seinen Platz nur ein einziges Mal verlassen, um

       seinem Pferde Wasser zu schöpfen und ihm Maiskörner zu geben.

       Die Rowdies schienen ihren gegen ihn und uns gerichteten Ärger vergessen zu haben. Sie hatten sich,

       sobald neue Passagiere anlangten, mit diesen beschäftigt, waren aber meist abweisend behandelt worden.

       Sie brüsteten sich mit ihrer antiabolitionistischen Gesinnung, fragten einen jeden nach der seinigen und

       schimpften auf alle, die nicht ihrer Meinung waren. Ausdrücke wie ›verdammter Republikaner‹,

       ›Niggeronkel‹, ›Yankeediener‹ und andere noch schlimmere flossen nur so von ihren Lippen, und so kam

       es, daß man sich von ihnen zurückzog und nichts von ihnen wissen wollte. Das war jedenfalls auch der

       Grund, daß sie es unterließen, mit uns anzubinden. Sie durften nicht hoffen, von andern gegen uns

       unterstützt zu werden. Hätten sich jedoch mehr Sezessionisten an Bord befunden, so wäre es ganz gewiß

       um den Schiffsfrieden geschehen gewesen.

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       In Kolumbus nun stiegen viele von den friedlich gesinnten Leuten aus, und es kamen dafür andere an

       Bord, welche das gerade Gegenteil zu denken schienen. Unter anderen taumelte eine Bande von vielleicht

       fünfzehn