ihnen an, und bald konnte man sehen, daß das unruhige Element sich jetzt in der Übermacht befand. Die
Unholde flegelten sich auf die Sitze, ohne zu fragen, ob sie andern unbequem wurden oder nicht, stießen
sich zwischen den ruhigen Passagieren hin und her und taten alles, um zu zeigen, daß sie sich als Herren
des Platzes fühlten. Der Kapitän ließ sie ruhig rumoren; er mochte meinen, daß es das Beste sei, sie nicht
zu beachten. So lange sie ihn nicht in der Leitung des Schiffes störten, überließ er es den Reisenden, sich
gegen Übergriffe selbst zu schützen. Er hatte keinen einzigen Yankeezug im Gesichte. Seine Gestalt war
voll, wie man es beim Amerikaner selten sieht, und über sein rotwangiges Gesicht breitete sich ein
immerwährendes gutmütiges Lächeln, welches, ich hätte darauf wetten wollen, echt germanischer
Abstammung sein mußte.
Die meisten Sezessionisten waren nach der Schiffsrestauration gegangen. Von dort her erscholl wüstes
Gejohle. Flaschen wurden in Scherben geschlagen, und dann kam ein Neger schreiend gerannt, jedenfalls
der Kellner, kletterte zum Kapitän hinauf und jammerte ihm seine uns fast unverständlichen Klagen vor.
Nur so viel hörte ich, daß er mit der Peitsche geschlagen worden sei und später am Rauchschlot
aufgehangen werden solle.
Jetzt machte der Kapitän ein bedenklicheres Gesicht. Er schaute aus, ob das Schiff den richtigen Kurs
habe, und stieg dann herab, um sich nach der Restauration zu begeben. Da kam der Conductor ihm
entgegen. Ganz in unserer Nähe trafen die beiden zusammen. Wir hörten, was sie sprachen.
»Capt'n,« meldete der Conductor, »wir dürfen nicht länger ruhig zusehen. Die Leute planen Arges. Laßt
den Indianer dort an das Land! Sie wollen ihn aufhängen. Er hat sich gestern an einem von ihnen
vergriffen. Außerdem sind zwei Weiße hier, ich weiß nur nicht, welche, die auch gelyncht werden sollen,
weil sie gestern dabei waren. Sie sollen Spione von Juarez sein.«
»Alle Teufel! Das wird Ernst. Welche beiden Männer werden das sein!« Sein Auge schweifte forschend
umher.
»Wir sind es, Sir,« antwortete ich, indem ich aufstand und zu ihnen trat.
»Ihr? Na, wenn ihr Spione von Juarez seid, so will ich mein Steamboot als Frühstück verzehren!« meinte
er, indem er mich musterte.
»Fällt mir nicht ein! Ich bin ein Deutscher und bekümmere mich nicht im mindesten um eure Politik.«
»Ein Deutscher? Da sind wir ja Landsleute! Ich habe mein erstes fließendes Wasser im Neckar gesehen.
Euch darf ich nichts tun lassen. Ich werde sofort am Ufer anlegen, damit Ihr Euch in Sicherheit bringen
könnt.«
»Da mache ich nicht mit. Ich muß unbedingt mit diesem Boote weiter und habe keine Zeit zu verlieren.«
»Wirklich! Das ist unangenehm. Wartet einmal!«
Er ging zu Winnetou und sagte ihm etwas. Der Apache hörte ihn an, schüttelte verächtlich mit dem Kopfe
und wendete sich ab. Der Kapitän kehrte zu uns zurück und meldete mit verdrießlicher Miene:
»Dachte es mir! Die Roten haben eiserne Köpfe. Er will auch nicht ans Land gesetzt werden.«
»Dann ist er mit diesen beiden Herren verloren, denn die Kerle werden Ernst machen,« meinte der
Conductor besorgt. »Und wir paar Mann vom Steamer können gegen eine solche Übermacht nichts tun.«
Der Kapitän blickte sinnend vor sich nieder. Dann zuckte es lustig über sein gutmütiges Gesicht, als ob er
einen vortrefflichen Einfall habe, und er wendete sich zu uns:
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»Ich werde diesen Sezessionisten einen Streich spielen, an den sie noch lange denken sollen. Ihr müßt
euch aber genau so verhalten, wie ich es von euch verlange. Macht vor allen Dingen keinen Gebrauch von
der Waffe. Steckt eure Büchsen da unter die Bank zu den Sätteln. Gegenwehr würde die Sache
verschlimmern.«
» All devils! Sollen wir uns ruhig lynchen lassen, Master?« rief Old Death verdrießlich.
»Nein. Haltet euch an passive Gegenwehr! Im richtigen Augenblicke wird mein Mittel wirken. Wir
wollen diese Halunken durch ein Bad abkühlen. Verlaßt euch auf mich! Habe keine Zeit zur Explikation.
Die Kerle nahen schon.«
Wirklich kam grad jetzt die Rotte aus der Restauration gestiegen. Der Kapitän wendete sich schnell von
uns ab und erteilte dem Conductor einige leise Befehle. Dieser eilte zum Steuermanne, bei welchem die
zwei zum Boote gehörigen Deckhands standen. Kurze Zeit später sah ich ihn beschäftigt, den ruhigeren
Passagieren heimliche Weisungen zuzuflüstern, konnte aber nicht weiter auf ihn achten, da ich mit Old
Death von den Sezessionisten in Anspruch genommen wurde. Nur so viel bemerkte ich im Verlaufe der
nächsten zehn Minuten, daß die erwähnten friedlichen Reisenden sich möglichst eng am Vorderdeck
zusammenzogen.
Kaum hatten die betrunkenen Sezessionisten die Restauration verlassen, so waren wir beide von ihnen
umringt. Wir hatten nach der Weisung des Kapitäns die Gewehre weggelegt.
»Das ist er!« rief der Sprecher von gestern, indem er auf mich deutete. »Ein Spion der Nordstaaten, die es
mit Juarez halten. Gestern noch ging er als feiner Gentleman gekleidet; heute hat er einen Trapperanzug
angelegt. Warum verkleidet er sich? Meinen Hund hat er mir getötet, und beide haben uns mit ihren
Revolvern bedroht.«
»Ein Spion ist er, ja, ein Spion!« riefen die andern wirr durcheinander. »Das beweist die Verkleidung.
Und er ist ein Deutscher. Bildet eine Jury! Er muß am Halse baumeln! Nieder mit den Nordstaaten, mit
den Yankees und ihren Geschöpfen!«
»Was treibt ihr da unten, Gentlemen?« rief in diesem Augenblicke der Kapitän von oben herab. »Ich will
Ruhe und auch Ordnung an Bord. Laßt die Passagiere ungeschoren!«
»Schweigt, Sir!« brüllte einer aus der Rotte hinauf. »Auch wir wollen Ordnung, und wir werden sie uns
jetzt verschaffen. Gehört es zu Euren Obliegenheiten, Spione an Bord zu nehmen?«
»Es gehört zu meinen Obliegenheiten, Leute zu befördern, welche die Passage bezahlen. Kommen Führer
der Sezessionisten zu mir, so sollen sie mitfahren dürfen, vorausgesetzt, daß sie zahlen und anständig
sind. Das ist meine Loyalität. Und wenn ihr mir mit der eurigen das Geschäft verderbt, so setze ich euch
ans Ufer und ihr mögt zu Lande nach Austin schwimmen.«
Ein höhnisches, wieherndes Gelächter antwortete ihm. Man drängte Old Death und mich so eng
zusammen, daß wir uns nicht rühren konnten. Wir protestierten natürlich, doch wurden unsere Worte
durch das fast tierische Geschrei dieser rohen Bande verschlungen. Man stieß uns vom ersten Platze fort,
hinaus, bis an