durch den Raum und über die in demselben befindlichen Personen; dann setzte er sich in unserer Nähe
nieder, von den ihn anstarrenden Rowdies möglichst entfernt.
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Ich hatte schon den Fuß erhoben, um auf ihn zuzuspringen und ihn auf das freudigste zu begrüßen, aber er
beachtete mich nicht, obwohl er mich gesehen und selbstverständlich auch erkannt hatte. Er mußte einen
Grund dazu haben; darum setzte ich mich wieder nieder und bemühte mich, eine gleichgültige Miene zu
zeigen.
Man sah es ihm an, daß er die Situation sofort begriffen hatte. Seine Augen zogen sich ein ganz klein
wenig und wie verächtlich zusammen, als er einen zweiten, kurzen Blick auf unsere Gegner warf, und als
wir uns nun niedersetzten und die Revolver wieder einsteckten, zeigte sich ein kaum bemerkbares
wohlwollendes Lächeln auf seinen Lippen.
Die Wirkung seiner Persönlichkeit war so groß, daß sich bei seinem Eintreten eine wahre Kirchenstille
einstellte. Diese Geräuschlosigkeit mochte den Wirt überzeugen, daß die Gefahr vorüber sei. Er steckte
den Kopf zur halb geöffneten Türe herein und zog dann, als er sah, daß er nichts zu fürchten brauche, die
übrige Gestalt vorsichtig nach.
»Ich bitte um ein Glas Bier, deutsches Bier!« sagte der Indianer mit wohlklingender, sonorer Stimme und
im schönsten, geläufigen Englisch.
Das war den Rowdies merkwürdig. Sie steckten die Köpfe zusammen und begannen zu flüstern. Die
versteckten Blicke, mit denen sie den Indianer musterten, ließen verraten, daß sie nichts Vorteilhaftes
über ihn sprachen.
Er erhielt das Bier, hob das Glas gegen das Fensterlicht, prüfte es mit einem behaglichen Kennerblick und
trank.
» Well!« sagte er zum Wirte, indem er mit der Zunge schnalzte. »Euer Bier ist gut. Der große Manitou
der weißen Männer hat sie viele Künste gelehrt, und das Bierbrauen ist nicht die geringste unter
denselben.«
»Sollte man glauben, daß dieser Mann ein Indianer sei!« sagte ich leise zu Old Death, so tuend, als ob
Winnetou mir unbekannt sei.
»Er ist einer, und zwar was für einer!« antwortete mir der Alte ebenso leise, aber mit Nachdruck.
»Kennt Ihr ihn? Habt Ihr ihn schon einmal getroffen oder gesehen?«
»Gesehen noch nicht. Aber ich erkenne ihn an seiner Gestalt, seiner Kleidung, seinem Alter, am meisten
aber an seinem Gewehre. Es ist die berühmte Silberbüchse, deren Kugel niemals ihr Ziel verfehlt. Ihr habt
das Glück, den berühmtesten Indianerhäuptling Nordamerikas kennen zu lernen, Winnetou, den
Häuptling der Apachen. Er ist der hervorragendste unter allen Indianern. Sein Name lebt in jedem Palaste,
in jeder Blockhütte, an jedem Lagerfeuer. Gerecht, klug, ehrlich, treu, stolz, tapfer bis zur Verwegenheit,
Meister im Gebrauch aller Waffen, ohne Falsch, ein Freund und Beschützer aller Hilfsbedürftigen,
gleichviel, ob sie rot oder weiß von Farbe sind, ist er bekannt über die ganze Länge und Breite der
Vereinigten Staaten und weit über deren Grenzen hinaus als der ehrenhafteste und berühmteste Held des
fernen Westens.«
»Aber wie kommt er zu diesem Englisch und zu den Manieren eines weißen Gentleman?«
»Er verkehrt sehr viel im Osten, und man erzählt sich, ein europäischer Gelehrter sei in die
Gefangenschaft der Apachen geraten und von ihnen so gut behandelt worden, daß er sich entschlossen
habe, bei ihnen zu bleiben und die Indianer zum Frieden zu erziehen. Er ist der Lehrer Winnetous
gewesen, wird aber mit seinen philanthropischen Ansichten nicht durchgedrungen und nach und nach
verkommen sein.«
Das war sehr, sehr leise gesprochen worden; kaum hatte ich es verstehen können. Und doch wendete sich
der über fünf Ellen von uns entfernte Indianer zu meinem neuen Freunde:
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»Old Death hat sich geirrt. Der weiße Gelehrte kam zu den Apachen und wurde freundlich von ihnen
aufgenommen. Er wurde der Lehrer Winnetous und hat ihn unterrichtet, gut zu sein und die Sünde von
der Gerechtigkeit, die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden. Er ist nicht verkommen, sondern er war
hochgeehrt und hat sich niemals nach den weißen Männern zurückgesehnt. Als er starb, wurde ihm ein
Grabstein errichtet und mit Lebenseichen umpflanzt. Er ist hinübergegangen in die ewig grünenden
Savannenländer, wo die Seligen sich nicht zerfleischen und vom Angesichte Manitous wonniges
Entzücken trinken. Dort wird Winnetou ihn wiedersehen und allen Haß vergessen, den er hier auf Erden
schaut.«
Old Death war unendlich glücklich, von diesem Manne erkannt worden zu sein. Sein Gesicht strahlte vor
Freude, als er ihn fragte:
»Wie, Sir, Ihr kennt mich? - Wirklich?«
»Ich habe Euch noch nicht gesehen, aber dennoch sofort erkannt, als ich hereintrat. Ihr seid ein Scout,
dessen Name bis hinüber zum las Animas erklingt.«
Nach diesen Worten wendete er sich wieder ab. Während seiner Rede hatte sich kein Zug seines ehernen
Gesichtes bewegt - jetzt saß er still und scheinbar in sich selbst versunken da; nur seine Ohrmuscheln
zuckten zuweilen, als ob sie sich mit etwas außer ihm Vorgehenden beschäftigten.
Indessen flüsterten die Rowdies immer unter sich weiter, sahen sich fragend an, nickten einander zu, und
schienen endlich zu einem Entschluß zu kommen. Sie kannten den Indsman nicht, hatten auch aus seiner
Rede nicht geschlossen, wer er sei, und wollten nun wohl die Niederlage, welche sie uns gegenüber
erlitten hatten, dadurch ausgleichen, daß sie ihn fühlen ließen, wie sehr sie einen rothäutigen Menschen
verachteten. Dabei mochten sie der Ansicht sein, daß es mir und Old Death nicht einfallen werde, uns
seiner anzunehmen, denn wenn nicht wir es waren, welche beleidigt wurden, so hatten wir uns nach den
herrschenden Regeln ruhig zu verhalten und zuzuschauen, wie ein harmloser Mensch moralisch
mißhandelt wurde. Also stand einer von ihnen auf, derselbe, welcher vorher mit mir angebunden hatte,
und schritt langsam und in herausfordernder Haltung auf den Indsman zu. Ich zog meinen Revolver aus
der Tasche, um ihn so vor mich auf den Tisch zu legen, daß ich ihn bequem erreichen konnte.
»Ist nicht notwendig,« flüsterte Old Death mir zu. »Ein Kerl wie Winnetou nimmt es mit der doppelten
Anzahl dieser Buben auf.«
Der Rowdy pflanzte sich breitspurig vor den Apachen hin, stemmte die Hände in die Hüften und sagte:
»Was hast du hier in Matagorda zu suchen, Rothaut? Wir dulden keine Wilden in unserer Gesellschaft.«
Winnetou würdigte den Mann keines Blickes, führte sein Glas an den Mund, tat einen Schluck und setzte