mit an Zahlungsstatt anzunehmen habe. Der Mann ging gern darauf ein und schickte sofort seinen
Storekeeper fort, den Koffer zu holen. Als derselbe ankam, wurden meine Sachen taxiert, und nun begann
Old Death, für mich auszusuchen. Ich erhielt: eine schwarze Lederhose, ein Paar hohe Stiefel, natürlich
mit Sporen, ein rotwollenes Leibhemd, eine Weste von derselben Farbe mit unzähligen Taschen, ein
schwarzwollenes Halstuch, einen hirschledernen Jagdrock, ungefärbt, einen ledernen Gürtel, zwei Hände
breit und innen natürlich hohl, Kugelbeutel, Tabaksblase, Tabakspfeife, Kompaß und zwanzig andere
notwendige Kleinigkeiten, Fußlappen anstatt der Strümpfe, einen riesigen Sombrero, eine wollene Decke
mit einem Schlitze in der Mitte, um den Kopf hindurch zu stecken, einen Lasso, Pulverhorn, Feuerzeug,
Bowiemesser, Sattel mit Taschen und Zaumzeug. Dann ging es zu den Gewehren. Old Death war kein
Freund von Neuerungen. Er schob alles, was neueren Datums war, beiseite und griff nach einer alten
32
Rifle, die ich jedenfalls gar nicht beachtet hätte. Nachdem er sie mit der Miene eines Kenners untersucht
hatte, lud er sie, trat vor den Laden hinaus und schoß nach der Giebelverzierung eines sehr entfernten
Hauses. Die Kugel saß.
» Well!« nickte er befriedigt. »Die wird's tun. Dieses Schießeisen hat sich in famosen Händen befunden
und ist mehr wert als aller Krimskrams, den man jetzt mit dem Namen Büchse beehrt. Ich kalkuliere, daß
dieses Gewehr von einem sehr tüchtigen Meister angefertigt worden ist, und will hoffen, daß Ihr ihm Ehre
macht. Nun noch eine Kugelform dazu. Dann sind wir fertig. Blei können wir hier auch haben; so gehen
wir nach Hause und gießen einen Kugelvorrat, vor welchem die da drüben in Mexiko erschrecken
sollen.«
Nachdem ich mir noch einige Kleinigkeiten, wie Taschentücher u. s. w., welche Old Death natürlich für
ganz überflüssig hielt, ausgesucht hatte, mußte ich in einen kleinen Nebenraum treten, um mich
umzuziehen. Als ich in den Laden zurückkehrte, betrachtete der Alte mich wohlgefällig.
Im stillen hatte ich mich der Hoffnung hingegeben, daß er den Sattel tragen werde; aber das fiel ihm gar
nicht ein; er packte mir die Geschichte auf und schob mich hinaus.
»So!« schmunzelte er draußen. »Jetzt seht einmal, ob Ihr Euch wirklich zu schämen habt! jeder
verständige Mensch wird Euch für einen sehr vernünftigen Gentleman halten, und was die unverständige
Welt sagt, das geht Euch den Teufel an.«
Jetzt hatte ich nichts mehr vor Old Death voraus und mußte mein Joch geduldig nach dem Gasthofe
schleppen, während er stolz nebenher schritt und es ihm jedenfalls heimlichen Spaß machte, mich als
meinen eignen Packträger in Tätigkeit zu sehen.
Als wir im ›Hotel‹ ankamen, legte er sich nieder; ich aber ging, um nach Winnetou zu suchen. Es läßt
sich denken, wie entzückt ich über dieses Wiedersehen war. Es hatte meiner ganzen Selbstbeherrschung
bedurft, ihm nicht um den Hals zu fallen. Wie kam er nach Matagorda, und was wollte er hier? Warum
hatte er so getan, als ob er mich gar nicht kenne? Das mußte einen Grund haben; aber welchen?
Er hatte jedenfalls ebenso die Absicht, mit mir zu sprechen, wie ich mich sehnte, mit ihm reden zu
können. Wahrscheinlich wartete er irgendwo auf mich. Da ich seine Art und Weise kannte, war es mir
nicht schwer, ihn zu finden. Er hatte uns gewiß beobachtet und in das Hotel gehen sehen und war also in
der Nähe desselben zu suchen, Ich ging nach der hintern Seite des Hauses, welche an das freie Feld stieß.
Richtig! Ich sah ihn in der Entfernung von einigen hundert Schritten an einem Baume lehnen. Als er mich
bemerkte, verließ er seinen Standort und ging langsam dem Walde zu; ich folgte ihm natürlich. Unter den
Bäumen, wo er auf mich wartete, kam er mir mit freudestrahlendem Gesicht entgegen und rief:
»Scharlieh, mein lieber, lieber Bruder! Welche Freude hat dein unverhoffter Anblick meinem Herzen
bereitet! So freut sich der Morgen, wenn nach der Nacht die Sonne erscheint!«
Er zog mich an sich und küßte mich. Ich antwortete:
»Der Morgen weiß, daß die Sonne kommen muß; wir aber konnten nicht ahnen, daß wir einander hier
sehen würden. Wie glücklich bin ich, deine Stimme wieder zu hören!«
»Was führt deinen Fuß in diese Stadt? Hast du hier zu tun, oder bist du in Matagorda gelandet, um von da
aus zu uns nach dem Rio Pecos zu gehen?«
»Ich habe eine Aufgabe zu lösen, welche mich hierher führte.«
»Darf mein weißer Bruder mir diese Aufgabe sagen? Wird er mir erzählen, wo er sich befunden hat, seit
wir droben am Red River voneinander schieden?«
Er zog mich ein Stückchen tiefer in den Wald hinein, wo wir uns niedersetzten. Hand in Hand an seiner
Seite, erzählte ich ihm meine Erlebnisse. Als ich zu Ende war, nickte er ernst vor sich hin und sagte:
»Wir haben den Pfad des Feuerrosses vermessen, damit du das Geld bekommen solltest; der Hurrikan hat
es dir wieder genommen. Wolltest du bei den Kriegern der Apachen bleiben, die dich lieben, so würdest
33
du des Geldes nie bedürfen. Du tatest klug, nicht nach St. Louis zu gehen und bei Henry auf mich zu
warten, denn ich wäre nicht gekommen.«
»Hat mein Bruder den Mörder Santer ergriffen?«
»Nein. Der böse Geist hat ihn beschützt, und der große, gute Manitou ließ es geschehen, daß er mir
entkam. Er ist zu den Soldaten der Südstaaten gegangen, wo er unter so vielen Tausenden mir
entschwand. Aber mein Auge wird ihn wiedersehen, und dann entkommt er mir nicht! Ich kehrte nach
dem Rio Pecos zurück, ohne ihn bestraft zu haben. Unsere Krieger haben während des ganzen Winters
den Tod Intschu tschunas und meiner Schwester betrauert. Dann mußte ich viele und weite Ritte Machen,
um die Stämme der Apachen zu besuchen und sie von übereilten Schritten abzuhalten, denn sie wollten
nach Mexiko, um sich an den dortigen Kämpfen zu beteiligen. Hat mein Bruder von Juarez, dem roten
Präsidenten, gehört?«
»Ja.«
»Wer hat recht, er oder Napoleon?«
»Juarez.«
»Mein Bruder denkt grad so wie ich. Ich bitte dich, mich nicht zu fragen, was ich hier in Matagorda tue!
Ich muß es selbst gegen dich verschweigen, denn ich habe das Juarez versprochen, den ich in EI Paso del
Norte traf. Du wirst, obgleich du mich hier getroffen hast, den beiden Bleichgesichtern folgen, welche du
suchst?«
»Ich bin dazu gezwungen. Wie würde ich mich freuen, wenn du mich begleiten könntest! Ist dir das nicht
möglich?«
»Nein. Ich habe eine Pflicht