Dampfer ist Master Ohlert wirklich fort, denn mein Portier hat gewartet, bis das Schiff abfuhr.«
»Und sein Sekretär und die Miß sind auch mitgereist?«
»Natürlich. Der Portier hat die Dame indessen nicht gesehen, da sie sich nach der Damenkajüte
zurückgezogen hatte. Er hat auch gar nicht nach ihr gefragt, denn meine Bediensteten sind gewöhnt, im
höchsten Grade diskret und rücksichtsvoll zu sein; aber es versteht sich doch ganz von selbst, daß
William nicht seine Braut zurücklassen und der Gefahr aussetzen wird, von dem deutschen Wüterich
ergriffen zu werden. Ich freue mich eigentlich auf seine Ankunft bei mir. Es wird eine sehr interessante
Szene geben. Zunächst werde ich versuchen, sein Herz zu rühren, und dann, wenn dieses mir nicht
gelingt, so werde ich ihm meine Donnerworte in das Gesicht schleudern und in einer Weise mit ihm
sprechen, daß er sich unter meiner Verachtung förmlich krümmen muß.«
Die gute Frau befand sich in wirklicher Aufregung. Sie hatte sich die Angelegenheit sehr zu Herzen
genommen. Jetzt war sie von ihrem Sessel aufgestanden, ballte die kleinen, fleischigen Fäuste gegen die
Türe und rief drohend:
»Ja, komme nur, komme nur, du diabolischer Dutchmani Meine Blicke sollen dich durchbohren und
meine Worte dich zerschmettern!«
Ich hatte nun genug gehört und konnte gehen. Ein anderer hätte das auch getan und die Dame einfach in
ihrem Irrtum gelassen. Ich aber sagte mir, es sei meine Pflicht, sie aufzuklären. Sie sollte nicht länger
einen Schurken für einen ehrlichen Menschen halten. Ein Vorteil erwuchs mir aus dieser Offenherzigkeit
gar nicht. Ich sagte also:
»Ich glaube nicht, daß Sie Gelegenheit haben werden, ihm Ihre Blicke und Worte in so zerschmetternder
Weise entgegen zu werfen.«
»Warum?«
»Weil er die Sache wohl ganz anders anfangen wird, als Sie meinen. Auch wird es Ihnen nicht gelingen,
ihn nach dem Nordwesten zu schicken. Er wird vielmehr direkt nach Quintana fahren, um sich Williams
und seines sogenannten Sekretärs zu bemächtigen.«
»Er kennt ja ihren Aufenthalt gar nicht!«
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»O doch, denn Sie selbst haben ihm denselben mitgeteilt.«
»Ich? Unmöglich! Das müßte ich doch wissen! Wann sollte das geschehen sein?«
»Soeben jetzt.«
»Sir, ich begreife Sie nicht!« rief die Dame höchst erstaunt.
Ach werde Ihnen behilflich sein, mich zu verstehen. Erlauben Sie mir nur, eine kleine Veränderung
meiner Person vorzunehmen.«
Bei diesen Worten nahm ich die dunkle Perücke, den Vollbart und auch die Brille ab. Die Dame trat
erschrocken zurück.
»Um Gottes willen!« rief sie aus. »Sie sind nicht ein Redakteur, sondern jener Deutsche! Sie haben mich
betrogen!«
»Ich mußte das tun, weil man Sie vorher getäuscht hatte. Die Geschichte mit der Mulattin ist vom Anfang
bis zum Ende eine Lüge. Man hat mit Ihrem guten Herzen Mißbrauch und Spott getrieben. Clinton ist gar
nicht der Sekretär Williams. Er heißt in Wahrheit Gibson und ist ein gefährlicher Betrüger, den ich
allerdings unschädlich machen soll.«
Sie sank wie ohnmächtig auf den Sessel nieder und rief:
»Nein, nein! Das ist unmöglich! Dieser liebe, freundliche, prächtige Mann kann kein Betrüger sein. Ich
glaube Ihnen nicht.«
»Sie werden mir glauben, sobald Sie mich angehört haben. Lassen Sie mich Ihnen erzählen!«
Ich unterrichtete sie über den wirklichen Stand der Angelegenheit und hatte den Erfolg, daß ihre bisherige
Sympathie für den ›lieben, freundlichen, prächtigen‹ Sekretär sich in den heftigsten Zorn umwandelte. Sie
sah ein, daß sie in schmählichster Weise belogen worden sei, und gab mir schließlich sogar ihre
Genugtuung darüber zu erkennen, daß ich in Verkleidung zu ihr gekommen sei.
»Hätten Sie das nicht getan,« sagte sie, »so hätten Sie nicht die Wahrheit von mir erfahren und wären
meiner Weisung gemäß gen Norden nach Nebraska oder Dakota gedampft. Das Verhalten dieses Gibson-
Clinton erfordert die allerstrengste Ahndung. Ich hoffe, daß Sie sofort aufbrechen, um ihn zu verfolgen,
und bitte Sie, mir von Quintana aus zu schreiben, ob es Ihnen gelungen ist, ihn dort festzunehmen. Auf
dem Transporte nach New York müssen Sie mir ihn hierher bringen, damit ich ihm sagen kann, wie sehr
ich ihn verachte.«
»Das wird wohl kaum möglich sein. Es ist nicht so leicht, sich in Texas eines Menschen zu bemächtigen
und ihn nach New York zu bringen. Ich würde äußerst zufrieden sein, wenn es mir gelänge, William
Ohlert aus den Händen seines Verführers zu befreien und wenigstens einen Teil der Summen zu retten,
welche beide unterwegs einkassiert haben. Für jetzt aber würde es mich außerordentlich freuen, von
Ihnen vernehmen zu können, daß Sie die Deutschen nicht länger für Barbaren halten, welche nicht lieben
können. Es hat mich geschmerzt, meine Landsleute grad von Ihnen so verkannt zu sehen.«
Die Antwort war eine Entschuldigung ihrerseits und die Versicherung, daß sie sich von ihrem Irrtume
bekehrt fühle. Wir schieden in herzlichster Weise voneinander, und ich sagte den beiden vor dem Hause
wartenden Polizisten, daß die Angelegenheit erledigt sei. Ich drückte ihnen ein Trinkgeld in die Hände
und eilte fort.
Natürlich mußte ich möglichst schnell nach Quintana und und suchte zunächst nach einem Schiffe,
welches dorthin ging. Die Gelegenheit war mir nicht günstig. Ein Dampfer lag bereit, nach Tampico zu
gehen, legte aber auf der Tour nirgends an. Schiffe, welche mich nach Quintana gebracht hätten, gingen
erst in einigen Tagen ab. Endlich fand ich einen schnellsegelnden Klipper, welcher Ladung für Galveston
hatte und nach Mittag abgehen wollte. Mit ihm konnte ich fahren. In Galveston hoffte ich, schnelle
Gelegenheiten nach Quintana zu finden. Ich ordnete schnell meine Angelegenheiten und ging an Bord.
Leider sollte meine Erwartung, in Galveston ein Schiff nach Quintana zu finden, nicht zutreffen. Ich fand
eine Gelegenheit über dieses Ziel hinaus, nach Matagorda, am Ausflusse des östlichen Colorado. Doch
wurde mir versichert, daß es mir leicht sein werde, von dort schnell zurück nach Quintana zu kommen.
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Das veranlaßte mich, diese Gelegenheit zu benutzen, und die Folge zeigte, daß ich dies nicht zu bereuen
hatte.
Damals war die Aufmerksamkeit des Kabinetts von Washington nach Süden gerichtet, nach Mexiko,
welches Land noch unter den blutigen Wirren des Kampfes zwischen der Republik und dem Kaisertume