»Ziert Euch nicht! jetzt sitzen wir beisammen und haben es gar nicht nötig, uns, wenn auch nur in
Gedanken, die Hälse zu brechen. Also stoßt an! Ich bin kein Spion oder Bauernfänger, und Ihr könnt es
getrost für eine Viertelstunde mit mir versuchen.«
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Das klang anders als vorhin; ich berührte also sein Glas mit dem meinigen und sagte:
»Für was ich Euch zu halten habe, das weiß ich, Sir. Wenn Ihr wirklich Old Death seid, so brauche ich
nicht zu befürchten, mich in schlechter Gesellschaft zu befinden.«
»Ihr kennt mich also? Nun, dann brauche ich nicht von mir zu reden. Sprechen wir also von Euch!
Warum seid Ihr denn eigentlich in die Staaten gekommen?«
»Aus demselben Grunde, welcher jeden andern herbeiführt - um mein Glück zu machen.«
»Glaube es! Da drüben im alten Europa denken die Leute eben, daß man hier nur die Tasche
aufzumachen habe, um die blanken Dollars hineinfliegen zu sehen. Wenn es einmal Einem glückt, so
schreiben alle Zeitungen von ihm; von den Tausenden aber, welche im Kampfe mit den Wogen des
Lebens untersinken und spurlos verschwinden, spricht kein Mensch. Habt Ihr denn das Glück gefunden,
oder befindet Ihr Euch wenigstens auf seiner Fährte?«
»Ich denke, das letztere bejahen zu können.«
»So schaut nur scharf aus, und laßt Euch die Spur nicht wieder entgehen! Ich weiß am besten, wie schwer
es ist, eine solche Fährte festzuhalten. Vielleicht habt Ihr gehört, daß ich ein Scout Späher, Kundschaftet,
Pfadfinder bin, der es mit jedem andern Westmanne aufzunehmen vermag, und dennoch bin ich bisher
dem Glücke vergeblich nachgelaufen. Hundertmal habe ich geglaubt, nur zugreifen zu brauchen, aber
sobald ich die Hand ausstreckte, verschwand es wie ein Castle in the airLuftschloß, welches nur in der
Einbildung des Menschen existiert.«
Er hatte das in trübern Tone gesprochen und blickte dann still vor sich nieder. Als ich keine Bemerkung
zu seinen Worten machte, sah er nach einer Weile wieder auf und meinte:
»Ihr könnt nicht wissen, wie ich zu solchen Reden komme. Die Erklärung ist sehr einfach. Es greift mir
immer ein wenig an das Herz, wenn ich einen Deutschen, zumal einen jungen Deutschen sehe, von dem
ich mir sagen muß, daß er wohl auch - - untergehen werde. Ihr müßt nämlich wissen, daß meine Mutter
eine Deutsche war. Von ihr lernte ich ihre Muttersprache, und wenn es Euch beliebt, können wir also
deutsch sprechen. Sie hat mich bei ihrem Tode auf den Punkt gesetzt, von welchem aus ich das Glück vor
mir liegen sah. Ich aber hielt mich für klüger und lief in falscher Richtung davon. Master, seid gescheiter
als ich! Es ist Euch anzusehen, daß es Euch grad so gehen kann wie mir.«
»Wirklich? Wieso?«
»Ihr seid zu fein; Ihr duftet nach Wohlgerüchen. Wenn ein Indianer Eure Frisur sähe, so würde er vor
Schreck tot hinfallen. An Eurem Anzuge gibt es kein Fleckchen und kein Stäubchen. Das ist nicht das
Richtige, um im Westen sein Glück zu machen.«
»Ich habe keineswegs die Absicht, es grad hier zu suchen.«
»So! Wollt Ihr wohl die Güte haben, mir zu sagen, welchem Stande oder Fache Ihr angehört?«
»Ich habe studiert.«
Ich sagte das mit einem gewissen Stolze. Er aber sah mir mit leichtem Lächeln - das bei seinen
Totenkopfzügen wie ein höhnisches Grinsen erschien - in das Gesicht, schüttelte den Kopf und sagte:
»Studiert! O wehe! Darauf bildet Ihr Euch jedenfalls viel ein? Und doch sind grad Leute Eurer Sorte am
wenigsten befähigt, ihr Glück zu machen. Ich habe das oft genug erfahren. Habt Ihr eine Anstellung?«
»Ja, in New York.«
»Was für eine?«
Es war ein so eigener Ton, in welchem er seine Fragen stellte, daß es fast unmöglich war, ihm die
Antwort zu verweigern. Da ich ihm die Wahrheit nicht sagen durfte, erklärte ich ihm:
»Ich bin engagiert von einem Bankier, in dessen Auftrag ich mich hier befinde.«
»Bankier? Ah! Dann freilich ist Euer Weg ein viel ebenerer, als ich gedacht habe. Haltet diese Stelle fest,
Sir! Nicht jeder Studierte findet seine Stellung bei einem amerikanischen Geldmanne. Und sogar in New
York? Da genießt Ihr bei Eurer Jugend ein bedeutendes Vertrauen. Man sendet von New York nach dem
Süden nur einen, auf den man sich verlassen kann. Freut mich sehr, daß ich mich in Euch geirrt habe, Sir!
So ist's jedenfalls ein Geldgeschäft, welches Ihr abzuwickeln habt?«
»Etwas Aehnliches.«
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»So! Hm!«
Er ließ abermals einen seiner scharf forschenden Blicke über mich hingleiten, lächelte grinsend wie
vorher und fuhr fort:
»Aber ich glaube, den eigentlichen Grund Eurer Anwesenheit erraten zu können.«
»Das bezweifle ich.«
»Habe nichts dagegen, will Euch aber einen guten Rat erteilen. Wenn Ihr nicht merken lassen wollt, daß
Ihr hierher gekommen seid, jemand zu suchen, so nehmt Eure Augen besser in acht. Ihr habt Euch alle
hier im Lokale Anwesenden auffällig genau angesehen, und Euer Blick hängt beständig an den Fenstern,
um die Vorübergehenden zu beobachten. Ihr sucht also jemand. Habe ich es erraten?«
»Ja, Master. Ich habe die Absicht, einem zu begegnen, dessen Wohnung ich nicht kenne.«
»So wendet Euch an die Hotels!«
»War vergeblich, und ebenso vergeblich die Bemühung der Polizei.«
Da ging jenes freundlich sein sollende Grinsen wieder über sein Gesicht; er kicherte vor sich hin, schlug
mir mit dem Finger ein Schnippchen und sagte.
»Master, Ihr seid trotzdem ein Greenhorn, ein echtes, richtiges Greenhorn. Nehmt es mir nicht übel; aber
es ist wirklich so.«
In diesem Augenblicke sah ich freilich ein, daß ich zu viel gesagt hatte. Er bestätigte diese meine Ansicht,
indem er fortfuhr:
»Ihr kommt hierher in einer Angelegenheit, welche ›etwas einem Geldgeschäfte Ähnliches‹ ist, wie Ihr
mir sagtet. Der Mann, auf welchen sich diese Sache bezieht, wird in Eurem Auftrage von der Polizei
gesucht. Ihr selbst lauft in den Straßen und Bierhäusern herum, um ihn zu finden - - ich müßte nicht Old
Death sein, wenn ich nun nicht wüßte, wen ich vor mir habe.«
»Nun wen, Sir?«
»Einen Detektive, einen Privatpolizisten, welcher eine Aufgabe zu lösen hat, welche mehr familiärer als
krimineller Natur ist.«
Dieser Mann war wirklich ein Muster von Scharfsinnigkeit. Sollte ich zugeben, daß er ganz richtig
vermutet habe? Nein. Darum antwortete ich: