Der Casta-Zyklus: Initiation. Christina Maiia. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christina Maiia
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844264579
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Moment.

      Vier Tage ist es her, vier quälende Sternenzeit-Tage, während denen selbst ihr Gespräch mit Professor Todd und dem Ältestenrat von Casta 3 nichts Neues bringen konnte. Der Professor hat sicher sein Bestes versucht, sie von der Normalität der Situation zu überzeugen: „Alles läuft wie geplant, ...der Geheimbericht des Gesandten ist positiv“, und mit mehr Nachdruck noch: „es muss so laufen, Eve, wenn wir Erfolg haben wollen“. Doch in ihrem Bauch hat etwas nicht gestimmt und sie hat mit der Sicherheit einer Großmutter begriffen, dass es in Wirklichkeit sehr viel Grund zur Besorgnis gibt. Auch wenn sie selbst nie eine Akademie von innen gesehen hat, war doch zwischen den Zeilen für sie eindeutig erkennbar, dass hier etwas gründlich schief läuft.

      Als sie heute Morgen zu ihrer eigenen Beruhigung damit begonnen hat, Kishas Lieblingskuchen zu backen, ganz so als würde sie gleich um die Ecke gehechtet kommen, um ihren Schwall an Geschichten aus der Akademie loszuwerden, wurde Eve plötzlich von einem seltsamen, intensiven Gefühl überfallen, von einer eindeutigen, aber nicht begründbaren Ahnung, dass es ihrer Kleinen nicht gut gehen kann. Sie hat gespürt, dass ihr geliebter, schlauer, eigensinniger Schützling sich dieses Mal in ernsthafte Gefahr manövriert hat und sie, Eve, nicht das Geringste dagegen wird tun können.

      Das rote Signal leuchtet auf. Mechanisch und geistesabwesend zieht Eve das fertige Gebäck aus dem System, während in ihrem Kopf der Film der letzten Tage abläuft, bevor Kisha auf ihre „ist streng geheim, Nonna!“-Mission aufgebrochen ist, überschäumend vor Vorfreude und stolz wie die Jahrgangsbeste über diese so hartnäckig erkämpfte Chance. „Du wirst schon sehen, denen zeige ich es richtig!“, hat sie getönt vor Begeisterung. An diesem Tag hat Eve unwillkürlich an Kishas Vater denken müssen, an Martins identische Art, vor dem holografischen Display zu sitzen und die Mundwinkel nach unten sinken zu lassen, als würde ihn das Programm zutiefst langweilen oder ihm bestenfalls zu einem entspannten Wegdösen genügen.

      Sie hat so viel von ihm, sinniert Eve, als sie den Kuchen aus seiner Form herauslöst, nicht nur die pechschwarzen Haare und diese grübelnde Stirn, auch den glasklaren Verstand und den unbeugsamen Dickschädel, wenn es um ihre Sache geht. Doch wo auch immer Martin gerade genau sein mag, um seinen Traum auszuleben, das Herz hat sie von mir, lächelt Eve, die Lebenslust und die Gutmütigkeit. „Und manchmal leider auch das Temperament“, schneidet ihre Stimme dann laut in die Stille des Sonntagnachmittags hinein.

      Ein leises Klingeln wie aus einer vergangenen Welt unterbricht Eve in ihrem Gedankenstrom. Es ist ein willkommener Ton, ein Ton, der die mentale Kraft in ihr stoppt, der sie sich gerade so unkontrolliert hingegeben hat, eine Gefahr, derer man sich auf Casta 3 immer bewusst sein muss. Es ist ein besonderer Ort hier, ermahnt sich Eve, ein Ort, an dem man genau darauf achten sollte, welche Gedanken man in sich formt.

      Noch einmal arrangiert sie die blasslila Blüten, die in dem ovalen, weiß lasierten Tongefäß stehen, welches sie mit ihren eigenen Händen gefertigt hat. Sie stellt den Kuchen neben zwei Tassen aus hauchdünnem Porzellan und fegt einen letzten Krümel von der transparenten Tischplatte weg. Der Duft von frisch geriebener Zitrone breitet sich wie ein Versprechen aus, und in den schlichten, lichtgetränkten Raum fällt die Silhouette einer großen, kräftigen Gestalt.

      Sie wird es schaffen, denkt sich Eve, als sie den Buzzer zu ihrer Haustür aktiviert.

      Doc T

      „Kommen Sie doch herein, Sal“, klingt es freundlich durch die halboffene Tür hindurch, hinter der ein breiter Plexiglas-Schreibtisch unaufgeräumt steht. Deckenhohe Metallregale sind über und über mit Büchern bestückt, doch ihre zerfledderten Rücken verraten keine Ordnung irgendwelcher Art.

      „Wann trennen Sie sich endlich mal von all dem Müll?“, meint ein sonorer Bass. Bei genauem Hinhören ist ein leichtes Kratzen in ihm auszumachen.

      „Nicht so bald, Sal. Nennen Sie mich ruhig antiquiert, aber ich liebe es, diese alten Wälzer in den Händen zu halten und ihr Gewicht unter meinen Fingern zu spüren. Gibt mir jedenfalls einen größeren Kick als so manch ausgefeilte Animation auf dem holografischen Display.“ Unter einem dunkelbraunen Haarschopf und sehr präsenten Augenbrauen tut sich ein herzliches Lächeln auf. „Schön Sie zu wieder sehen, alter Freund. Was kann ich für Sie tun?“

      „Die Moon-Sache geht mir nicht mehr aus dem Kopf, Todd. Kann ich ein paar Minuten mit Ihnen darüber reden?“

      „Sicher doch, sehr gerne. Auch wenn ich nicht weiß, was ich in der Sache noch unternehmen kann. Ich habe bereits mit dem Ältestenrat und mit Eve gesprochen, und so wie ich das sehe, liegt jetzt alles im Geschick unseres Gesandten vor Ort. Aber nehmen Sie doch bitte Platz, Sal. Darf ich Ihnen ein Glas Wasser anbieten? Tut mir leid, aber ich habe sonst nichts da.“

      Salomon rückt sich den zweiten Armlehnstuhl an den Schreibtisch heran und lässt sich ein wenig zögerlich darin nieder. Seine ledrige Stirn verrät Spuren von Nachdenklichkeit. Eine kräftige Hand massiert für ein paar Sekunden geistesabwesend die Schläfe, die unter seinem immer noch dichten, angegrauten Haarschopf hervortritt. Das schwache Licht einer weißlichen Leuchtstoffquelle fällt von der seitlichen Wandverkleidung quer durch Todds kleines Büro. „Nein, danke, ich komme gerade von einem Essen im Observatorium. Wussten Sie eigentlich, dass ich Eve persönlich kenne? Von früher, als ich noch auf der ersten Akademie war, auf der alten Basis auf Casta 3.“

      „Nein, ich hatte keine Ahnung. Haben Sie sie kürzlich gesehen? Wie kommt sie Ihnen vor?“

      „Sie ist es, die mich gebeten hat, noch einmal mit Ihnen zu sprechen. Eve und ich sind alte Freunde, müssen sie wissen, und sie hat mich wegen der Sache vor kurzem wieder kontaktiert. Sie ist außerordentlich besorgt. Nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sie die einzige Erziehungsbeauftragte der Kleinen ist.“

      „Ich weiß. Aber die Sache sieht schlimmer aus als sie wirklich ist. Wissen Sie, Sal, wir müssen es bis zu einem bestimmten Grad so aussehen lassen, sonst ist die Mission von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die junge Miss Moon ist ein verdammt komplizierter Fall. Wir können es ihr nicht zu leicht machen, sonst ist alles umsonst.“

      „Ich verstehe. Aber es gibt doch sicher eine Möglichkeit, den Gesandten zu kontaktieren. Ohne die Geheimhaltung gefährden zu wollen, können Sie mir sagen, was für ein Typ er ist? Kann man ihm vertrauen, kann er die Mission erfolgreich zu Ende bringen und das Problem beseitigen?“

      In Todds Gesicht zieht sich die Falte über der Nasenwurzel zusammen. Er setzt sich etwas aufrechter in seinen Stuhl. Eine Sekunde lang scheint er um eine Antwort verlegen. „Wissen Sie, Sal“, fährt er dann ruhig fort, „das Ganze ist von langer Hand sorgsam geplant worden und wir wollen jetzt so wenig wie möglich intervenieren. Wir müssen Vertrauen in unsere Leute haben. X ist ein ausgezeichneter, erfahrener Gesandter und die ideale Besetzung für die Mission. Und auch für Kisha ist es richtig, auf diese Weise gefordert zu werden. Sie haben ja keine Ahnung, was das Mädchen mir in den letzten drei Jahren für Kopfschmerzen bereitet hat.“

      Ein Lächeln überkommt Sals Gesicht. „Ich habe schon davon gehört. Es ist kein Wunder. Sie hätten früher ihre Großmutter erleben sollen, was für ein Weib, mit einem Temperament vom Allerfeinsten. Mich hat‘s bei ihrem Anblick damals sofort erwischt.“

      Die beiden Männer lachen herzlich. Die angespannte Stimmung scheint ein wenig ins Leichtere zu driften.

      „Versprechen Sie mir eins, Todd“, sagt Sal plötzlich ganz ernst.

      „Alles, was ich kann, das wissen Sie doch, mein Freund.“

      „Passen Sie mir persönlich auf die Sache auf und überlassen Sie sie bitte nicht den bequemen Sessel-Bürokraten im Ältestenrat.“

      Todd nickt nachdenklich. „Ich kann Sie beruhigen, Sal, ich bleibe dran. Allein schon aus eigenem Interesse. Vielleicht habe ich es Ihnen und auch Eve noch nicht explizit gesagt, aber ich halte Kisha für eine der begabtesten Studentinnen, die ich kenne. Besser als die allermeisten ihres Jahrgangs, soviel ist sicher.“

      „Das freut mich sehr zu hören, Todd. Trotzdem, die Kleine ist noch sehr jung und darüber