Der Wunderschönste Zufall. Marcel Schmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marcel Schmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750235182
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blieb noch etwas mit Anna im Park, über das Treffen redeten sie allerdings kaum noch (zumindest Lara nicht).

      Wieder zu Hause überlegte sie, ob sie Philipp davon erzählen sollte. Von dem Vorfall mit dem Betrunkenen wollte sie ihm auf jeden Fall schreiben.

      Und von dem Rest wird ihm Anna ohnehin erzählen.

      Tatsächlich wusste Philipp es am Abend bereits und tatsächlich hielt auch er es für ein Date (vermutlich hatte Anna es auch so dargestellt). Er löcherte sie mit Fragen über Leon. Wie er aussieht, ob er reich wäre, ob er Batman wäre (“Dann wäre er nämlich doch reich”).

      So genervt Lara auch war, bei einigen Fragen musste sie schmunzeln. Sie dachte noch über den bevorstehenden Tag nach, als sie im Bett lag, am frühen Einschlafen konnte sie das nicht hindern.

      Kapitel 3 Ich glaube, jemand sollte mich mal kneifen

      Noch 5 Minuten. Bis zum Cafè waren es 10 Minuten. Auf ihrem klapprigen Fahrrad raste Lara durch die Straßen und versuchte, weder zu überfahren noch überfahren zu werden.

      “Man, was macht das denn für einen Eindruck, gleich zu spät zu kommen”, dachte Lara gestresst: “Naja, es sind nur fünf Minuten. Sofern ich vorher keinen Unfall baue.”

      Lara verringerte ihr Tempo ein wenig, um überhaupt lebend anzukommen. Das war ja auch nicht das erste Mal, dass sie zu spät zu einem Treffen kam, und es war ohnehin kein Date oder dergleichen.

      Letzten Endes kam sie sieben Minuten zu spät.

      Sie schloss ihr Fahrrad ab (als wenn jemand das verrostete Teil klauen würde) und ging schnurstracks auf das Cafè zu, wo Leon schon wartete.

      “Tut mir leid, dass ich etwas zu spät bin”, entschuldigte sich Lara und versuchte, nicht zu erschöpft zu atmen.

      “Ach, was sind schon sieben Minuten”, sagte Leon ruhig.

      “Naja du scheinst ja ständig auf die Uhr geguckt zu haben oder woher weißt du, dass es genau sieben Minuten waren?”, fragte Lara, in der Hoffnung, sie habe jetzt keinen Streit angezettelt.

      “Waren das sieben Minuten? Wirklich? War nur geschätzt”, wollte sich Leon rausreden. Lara ging lieber nicht weiter darauf ein.

      Im Cafè suchten sie sich einen Platz und bestellten beide je einen Cappuccino.

      “Nett, dich mal in trockenen Klamotten zu sehen”, sagte Leon etwas verlegen.

      “Ja, ich hatte schon überlegt, heute wieder nasse Sachen anzuziehen, damit du mich auch wiedererkennst. Aber hat ja auch so geklappt”, scherzte Lara und brachte Leon zum Schmunzeln.

      “Es war übrigens heute Morgen eine Frau von der Zeitung da und wollte mit mir sprechen. Hab’ dich natürlich auch erwähnt, wie es sich gehört”, berichtete Lara und trank vorsichtig einen Schluck von ihrem heißen Getränk.

      “Na toll, mit mir wollte niemand sprechen”, meinte Leon nur halb ernst gemeint: “Ich bin wie der Freund des Helden, der ihm immer den Arsch rettet, aber kaum Lorbeeren bekommt. Ich bin wie Sam der Hobbit."

      “Tja, nicht jeder kann der Auserwählte sein”, sagte Lara mit einer schlecht gespielten Arroganz.

      Es war voll im Cafè, trotzdem hatte Lara den Eindruck, es wäre nicht so laut wie sonst. Als würden alle aus Respekt vor ihrem Gespräch schweigen.

      “Dem Mann, diesem Betrunkenen, geht es übrigens wieder besser”, sagte Lara und schaute wieder zu Leon: “Ist doch gut, wenn die Sache ein Happy End hat.”

      “Ob er wohl jetzt mit dem Trinken aufhört?”, fragte Leon.

      “Zumindest wird er darüber nachdenken”, antwortete Lara und hoffte, dass sie Recht hatte.

      “Sag mal Lara”, sagte Leon: “Wenn du eine Entscheidung zu treffen hast, wie gehst du da vor?”

      Eine etwas merkwürdige Frage, fand Lara. Was hatte er denn für eine wichtige Entscheidung zu treffen und wie sollte ihm Lara dabei helfen?

      “Öhm, naja, das ist ganz unterschiedlich. Mal wiege ich peinlich genau die Vor- und Nachteile ab, mal entscheide ich aber auch einfach nach Gefühl”, antwortete Lara und hoffte, Leon sei damit zufrieden gestellt.

      “Ja, aber wenn es andere Personen betreffen würde, würdest du dir doch die Argumente dieser Personen anhören?”, fragte Leon. Lara nickte nur, obwohl sie sonst so gesprächig war.

      Leon überlegte. Über was dachte er nur gerade so angestrengt nach?

      “Gut”, sagte Leon plötzlich, als hätte er eine Entscheidung getroffen: “Ich werde mir deine Argumente anhören.”

      Was sollte das denn jetzt, fragte Lara sich. Was hatte sie mit Leons Entscheidung zu tun?

      “Wovon redest du eigentlich?”, wollte Lara endlich wissen.

      “Du musst mir schildern, warum das Leben wertvoll ist”, sagte Leon, als wäre es alltäglich, und sorgte bei Lara für zusätzliche Verwirrung, statt für Klarheit.

      “Du...du hast doch nicht etwa vor, dir etwas anzutun, oder?”, fragte Lara besorgt.

      “Nein. Nein. Mein Leben ist davon nicht betroffen ”, meinte Leon gelassen und Lara gab es auf. Wenn das irgendein Witz war, dann war er schon von Anfang an nicht lustig, mittlerweile aber schon gar nicht mehr.

      “Sag endlich, was du willst, oder ich hau ab”, drohte Lara wütend. Sie war enttäuscht, dass dieser anfänglich so nette Junge auch nur ein Idiot zu sein schien.

      “Bitte bleib”, bat Leon mit sanfter Stimme: “Du hast ein faszinierendes Herz. Obwohl du so gelitten hast, hälst du am Leben fest. Mich interessiert, wieso.”

      “Du hast doch gar keine Ahnung, ob ich gelitten habe. Wir kennen uns nicht”, schimpfte Lara. Eigentlich war sie eine gelassene Persönlichkeit, aber jetzt, wo sie extra hergefahren war, um sich dann so einen Schwachsinn anhören zu müssen, hatte auch sie genug. Das Quietschen der Stuhlbeine war vermutlich im ganzen Cafè zu hören, Laras Schnauben gefühlt ebenso.

      “Wenn du mir nicht zumindest sagen willst, was du eigentlich von mir willst, brauche ich mir deinen Stuss auch nicht weiter zu geben. Meine Zeit ist kostbar”, sagte Lara zum Abschied, wobei sie trotz allem versuchte, ihre Höflichkeit zu bewahren.

      “Ich werd's dir verraten”, sagte Leon als Lara gerade an ihm vorbeiging: “Ich bin Gott.”

      Lara wollte etwas sagen, doch sie fand, das war es nicht wert. Wie nur sollte so ein dummer Witz sie davon überzeugen, nicht zu gehen. Sie hatte schon deutlich lustigere Sachen gehört, und selbst die hätten sie nicht umgestimmt(Sie war sich nicht mal sicher, ob sie in der Situation darüber gelacht hätte).

      Was würde wohl Anna zu der Sache sagen? Sie wäre bestimmt wütend, dass jemand so Laras Zeit verschwendet. Ihre Paranoia würde das zudem nur noch anstacheln.

       Man, vielleicht wird sie mich auch einfach gnadenlos auslachen

      Lara war tatsächlich so in Gedanken vertieft, dass sie zunächst gar nicht bemerkte, dass sich nichts bewegte. Niemand im Cafè machte Anstanden, auch nur die Position eines kleinen Fingers oder einer Augenbraue zu verändern. Eine Frau goss gerade Milch in ihren Kaffee; nur dass die Milch nicht floss. Als wäre sie plötzlich aus Porzellan, blieb die Milch so in der Luft, wie sie gerade war.

      “Was zur Hölle”, brachte Lara hervor.

      Sie schaute sich genauer um. Die Zeiger der Uhr an der Wand, das Flugzeug und die Vögel am Himmel, der kleine Hund auf dem Gehweg, nichts bewegte sich auch nur im geringsten.

      Alles war wie eingefroren, außer Lara und…

      “Das Wort ‘Hölle’ in der Gegenwart Gottes in den Mund zu nehmen…”, sagte Leon, der immer noch gemütlich an seinem Platz saß, und nahm einen Schluck vom Cappuccino.