„Natürlich, ich komme mit!“
Dankbar nahm Layla das Angebot von Lupi an. Nicht, dass sie nicht auch alleine mit der Polizei fertig geworden wäre, aber es war einfach besser, jemanden von Vertrauen mit dabei zu haben. Layla sprang auf. Sie hatte es plötzlich sehr eilig. Sie musste noch duschen, sich anziehen und ihre Tasche wieder zusammenpacken.
Layla schaffte dies auch in Rekordzeit und war erstaunt, dass sowohl Lupi, als auch Daniel schon bereit an der Türe standen und auf sie warteten. Daniel hatte den Autoschlüssel in der Hand
„Ich fahre Euch. Heute habe ich frei und habe auch nichts Besseres vor!“
„Wie kommt es, dass Du mal nicht arbeiten gehst. Du würdest doch sogar noch sonntags gehen!“
Von all ihren Primos, war ihr Daniel der Liebste. Er war alles, was man sich wünschen konnte. Herzlich, ehrlich, vertrauenswürdig, verschwiegen, lustig, witzig und immer gut gelaunt. Er hatte zwar eine feste Freundin, verstand sich aber nicht ganz so gut mit der. Die beiden stritten oft, wobei sich Layla gar nicht vorstellen konnte, wie man mit Daniel streiten konnte. Er arbeitete als Software – Spezialist bei einer Computerfirma. Er war dort verantwortlich für die Entwicklung und Anpassung von Sicherheitssoftware. Dabei hatte er sich in einen Namen gemacht. Selbst die besten Hacker schienen ihn als gleichwertigen Gegner zu sehen. Sah man Daniel an, dann meinte man gar nicht, dass er solch ein Computergenie war. Er sah eigentlich ganz normal, fast unscheinbar aus. Er war circa 1,75 groß und schlank. Sein dunkelbrauner Teint gefiel den Frauen gut, ihm selbst aber weniger gut. Das markanteste an Daniel waren aber seine Augen. Layla hatte in ihren ganzen Leben niemals mehr einen Mann gesehen, der solch ehrlich blickenden, eindrucksvollen Augen hatte. Typisch Mexikanisch gab sich auch Daniel gerne, wie ein Macho, aber wenn man ihn kannte, dann wusste man, dass er genau das Gegenteil davon war. Auch jetzt sah Daniel sie wieder mit diesen unglaublichen Augen an, bevor er sich umdrehte und zur Eingangstüre ging. Lupi hackte sich bei ihr unter und die beiden gingen ihm stumm hinterher.
Dieser Umweg über die Polizei brachte Laylas geplanten Tagesablauf natürlich mächtig durcheinander. Sie wusste, wie es dort aussehen würde. Hunderte von Menschen, die dort wirr in der überfüllten, stickigen Polizeistation herumstanden und durcheinander schwätzten, überforderte Beamten, die versuchten, die Protokolle aufzunehmen und daneben die höheren Beamten die arrogant und selbstherrlich herumstanden, oder nichts tuend in ihren Büros saßen.
*
Als Layla, Lupi und Daniel dort ankamen, war alles noch viel schlimmer, als Layla es sich vorgestellt hatte. Es hatte einen furchtbaren Verkehrsunfall mit zwei Toten gegeben und die Beamten waren gerade damit beschäftigt, die Zeugen zu verhören. Das konnte Stunden dauern, bis sie hier ihre Aussage würden machen konnten.
Resignierend lehnte sich Layla gegen die Wand. Einen freien Stuhl zu erwischen war wohl illusorisch. Doch nicht einmal zwei Minuten später näherte sich ihnen ein höherer Beamter, deutlich erkennbar an der dunklen Anzughose und der hässlichen, farblich überhaupt nicht zum Anzug passendend Krawatte. Er fragte in überheblichem, fast arroganten Ton:
„Was kann ich für Sie tun!“
Dabei stellte er sich so hin, dass Layla seinen Gürtel an dem eine beeindruckende Waffe und die Dienstmarke, sowie ein Handy und ein Sprechfunkgerät befestigt waren. Mein Gott, dachte Layla, was konnte man an einem einzigen Gürtel noch alles mit sich herumschleifen. Aha, er war also „Teniente“, also Leutnant und demnach wirklich ein höheres Tier. Teniente Marco Chavala Jiménez.
Ein dickerer, ungepflegter Mann näherte sich, stellte sich direkt vor den Teniente. Er fuchtelte aufgebracht mit den Armen und sagte in ärgerlichem Tonfall:
„Oficial, wir waren zuerst da!“
„Gehen Sie zurück, sonst lasse ich Sie umgehend verhaften!“
Eingeschüchtert ging der Mann zurück zu seiner Familie und setzte sich auf einen alten abgewetzten Stuhl. Layla war erschüttert zu sehen, wie viel Angst der Mann hatte. Aha, dachte sie, solch ein wohltuender Hüter des Rechts war also dieser Teniente Marco Chavala Jiménez. Sie wollte gerade zu einer schärferen Bemerkung ansetzten, da sagte Lupi.
„Die tote blonde Frau aus der Zeitung, die, die auf dem Parkplatz der Plaza Cristal gefunden wurde. Meine Cousine weiß, wer das ist!“
Chavala sah Layla mit abschätzigem Blick an, wobei seine Augen jeden weiblichen Teil von Laylas Körper regelrecht an grapschten. Layla fühlte sich fast nackt unter diesem geilen Blick. Trotzdem weigerte sie sich, ihre Arme schützend vor ihren Körper zu legen. Es würde Schwäche zeigen und die wollte sie bei diesem prächtigen Exemplar der Gattung Halbaffe mit Sicherheit nicht zeigen. Deshalb blickte sie ihm selbstbewusst und unnachgiebig in die Augen. Und obwohl gut einen Kopf kleiner, gewann sie dieses erste Duell. Teniente Chavala drehte sich wortlos um und gab über die Schulter mit dem großen Finger ein Zeichen, dass sie ihm folgen sollten. Layla ging hinter ihm her, gefolgt von Lupi und Daniel.
„Nur die Señorita! Ihr beiden wartet hier!“
Unschlüssig standen Lupi und Daniel auf halben Weg. Layla gab ihnen ein beruhigendes Zeichen und sagte:
„Schon gut, nicht so schlimm. Wollt ihr in der Zwischenzeit einen Kaffee trinken gehen. Ich rufe Daniel auf dem Handy an, wenn ich fertig bin!“
Der Offizier war ohne inne zu halten weitergelaufen. Er war schon fast in seinem Büro. Trotzdem ging ihm Layla ohne Eile hinterher. Wohl war ihr nicht dabei, alleine mit diesem arroganten Arsch in diesem dunklen Loch, das er sein Büro nannte, eingesperrt zu sein, aber nichtsdestoweniger zeigte sie auch hierbei kein Zögern. Als sie dann in sein Büro eintrat, saß der Leutnant schon an seinem Tisch. Seine Ellenbogen lagen auf dem unaufgeräumten Schreibtisch auf. Die Finger beider Hände waren ausgestreckt und gespreizt und berührten sich an den Spitzen. Die Szenerie sah dabei einstudiert und fast lächerlich aus. Layla musste fast laut auflachen. Mann, dass konnte ja richtig lustig werden, dachte sie sarkastisch.
Der Polizist bot ihr nicht an, Platz zu nehmen, oder hielt sich lange mit Smalltalk auf, er fragte sie nicht einmal nach ihrem Namen, sondern fiel gleich mit der Tür ins Haus
„Woher kennen Sie die Frau?“
„Sie war gestern im gleichen Flugzeug wie ich!“
„Welches Flugzeug?“
„Auf dem Flug der Lufhansa LH 498 von Frankfurt nach Mexiko City“
„Und was hatten Sie mit der Frau zu tun?“
„Nichts, sie saß zwei Reihen vor mir!“
„Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass sie sich die Gesichter all dieser Menschen in diesem Flugzeug eingeprägt haben? Das müssen ja mindestens hundert gewesen sein!“
„Vierhundert um genau zu sein. Nein, das habe ich natürlich nicht. Ich habe sie später in Begleitung eines Mannes hier in Puebla wieder gesehen!“
„Aha, also hatten sie doch etwas mit ihr zu tun?“
„Nein, wir haben kein einziges Wort miteinander gesprochen. Ich kenne den Mann der in ihrer Begleitung war und könnte ihnen Angaben dazu machen!“
„Also ein Eifersuchtsdrama?“
„Überhaupt nicht. Ich habe den Mann selbst erst am Flughafen kennen gelernt!“
„Und wollten ihn für sich selbst. Da ist ihnen aber die bedauerungswürdige Frau zuvorgekommen!“
„In was für eine Richtung denken Sie denn? Nein, ich hatte gar keine Absichten mit dem Mann. Er hat mich am Flughafen angesprochen, weil er meinen Koffer gefunden hat!“
„Den Sie dort wohl genau so positioniert hatten!“
„Jetzt hören Sie schon auf. Ich habe mit dem Tod der armen Frau nichts zu tun. Ich will ihnen nur helfen den Täter zu finden. Sie war auf jeden Fall kurz vor ihrem Tod mit eben diesem Begleiter zusammen. Er heißt Antonio Gonzales López und soviel ich weiß ist er wohnhaft