Nachdem sie die Jasper Gorge bis zu ihrem natürlichen Ende durchfahren hatten, ohne neue Erkenntnisse daraus ziehen zu können, wendete Hans den Wagen und kehrte zum Victoria Highway zurück. Hier trennten sie nur noch knappe einhundert Kilometer von Kununurra. Für heute würde dort Schluss sein. Morgen wollten sie sich in dieser Stadt umsehen, der Richie, obwohl er keine Ahnung hatte, warum, sehr viel Bedeutung beimaß. Im nahegelegenen Nationalpark würden sie heute ihre Zelte aufschlagen und erst einmal die Nacht verbringen. Dieser Tag war, vermutlich wegen der Erfolglosigkeit ihrer vergeblichen Bemühungen bei den Aborigines, sehr ermüdend gewesen. Der eintönige Highway tat sein Übriges, aber er brachte sie immer noch am schnellsten an ihr Tagesziel. Inzwischen hatte ihr Four Wheel Drive das Nordterritorium verlassen. Die Grenze lag seit etwa fünfzehn Minuten hinter ihnen, als schon das Hinweisschild zum Diamond Valley auftauchte.
Am Eingang zum Park warteten die beiden anderen Fahrzeuge seit einer halben Stunde auf die Nachzügler. Frank hantierte mit dem Wasserschlauch am unteren Ende des Wassertanks herum und schob ihn in den Nachfüllstutzen am Wagen. Jim ging zu den Neuankömmlingen und begrüßte sie.
„Schön, dass ihr da seid. Sobald alle Wasservorräte aufgefüllt sind, suchen wir unseren Platz. Er muss da gleich um diesen Felsen herum liegen.“
15° 45’ 38.22’’ S / 128° 45’ 02.25’’ O – Diamond Valley Campground, WA Auf den ersten Blick schien dieser Nationalpark für ihre Absichten sehr gut geeignet, und so waren Annette und Richie ausgestiegen, um sich die Beine zu vertreten. Als Verantwortlicher für den Erfolg der Such-Expedition wollte Richie seinen Leuten einfach Zeit geben. Deshalb hatte er auch vorgeschlagen, heute auf diesem Platz, einige Kilometer außerhalb von Kununurra, zu übernachten und zwei Stunden eher als gewöhnlich ihre Zelte aufzurichten. Bis morgen sollte die Crew erst einmal ausruhen. Alle wirkten ziemlich erschöpft, als sie endlich die Fahrzeuge geparkt hatten und begannen, sich einzurichten. Auch dieser Park war nur sehr spartanisch mit dem Nötigsten für eine Übernachtung ausgerüstet. Aber Feuerholz war, wie so oft, ausreichend vorhanden. Sie mussten sich nur bedienen. Ganz bewusst wählten Richie und Jim gemeinsam diese Orte aus, weil sie so der Natur am nächsten waren. Nur die Zeltwände trennten sie nachts von der Umgebung. Sie wurden nach und nach eins mit dieser Umgebung, wie Jim und Richie aus ihren eigenen Erfahrungen wussten. Dieses Einswerden mit der Natur löste bei ihnen selbst jedes Mal einen willkommenen Mechanismus aus, den Richie für diese Expedition unbedingt nutzen wollte. Paddy dachte ganz genauso. Als Aborigine war er sogar in diese einzigartige Natur der Kimberleys hineingeboren worden und in ihr ganz zuhause. Für den Erfolg ihrer Mission war es Richie in Absprache mit Jonathan sehr wichtig, dass auch die Übrigen davon profitierten, obwohl sie möglicherweise jetzt noch nicht lange genug unterwegs waren. Bis alle in den Genuss der vielen Vorzüge kamen, die das Leben in der freien Natur jedem anbot, der in der Lage war, es zu verstehen und anzunehmen, würde es vielleicht noch mehrere Tage dauern. Es nutzte also wenig, wenn sie sich zu sehr mit dem Vorwärtskommen beeilten, auch wenn sie sich bei Beginn ihrer Suche ein Zeitlimit von vier Wochen gesetzt hatten.
Wie mir jetzt mit jedem Tag des wiederholten Vordringens in dieses riesige Land klarer wurde, würde sich auch lange Zeit nach mir vermutlich niemand so weit vorwagen. Ich hatte mir wieder sehr viel vorgenommen. Inzwischen war ich mit meinen Leuten bis zu diesem Punkt vorgedrungen, den wir vor einigen Tagen erreichten.
Die Ureinwohner hatten uns, bis auf wenige Ausnahmen, kaum belästigt. Manche waren geflüchtet, als unser Tross sie im Vorbeiziehen überraschte. Andere, die zudringlich wurden, konnten meine Männer mit Gewehrschüssen in die Luft vertreiben. Die Wilden in den meisten Gegenden, durch die wir kamen, schienen friedliebend zu sein. So war diese Expedition bisher von feindlichen Angriffen verschont geblieben.
Bei dieser dritten Reise hatte ich mir vorgenommen, manches anders zu handhaben als die beiden Male zuvor. War ich zuvor immer darauf angewiesen gewesen, täglich Wasser und Nahrung für uns und die Tiere zu finden, während wir gleichzeitig in unbekanntes Neuland vordrangen, so erkannte ich inzwischen aus der letzten, schmerzlichen Erfahrung dieses doppelte Wagnis als solches und hatte mich eines Besseren besonnen. Damit reduzierte ich auf umsichtige Weise das Risiko meiner schwierigen Unternehmung und verdoppelte gleichzeitig die Chance auf ihren Erfolg. Bis jetzt gab mir diese neue Strategie eindeutig Recht. Wir kamen gut voran, auch, wenn es dadurch immer wieder zu Aufenthalten kam.
Jim hatte die Aluleiter angelehnt und das Dachzelt ihres Wagens aufgestellt, als die beiden anderen Fahrzeuge endlich mit gefüllten Wassertanks und in kurzem Abstand ankamen. Dianne und Paddy stiegen aus ihrem Auto aus, während Bill gleich die etwas versteckt liegende Buschtoilette aufsuchte.
Frank und Hans schauten sich interessiert in der Umgebung um. Dunkelrote bis schwarze Felsendome, teilweise mit Spinifex-Gras bewachsen und von den extremen Temperaturschwankungen abgeschliffen, beherrschten das Profil dieses Parks, wie ihn die Natur im Laufe vieler Erdzeitalter geschaffen hatte. Auch Dianne drehte sich beeindruckt um die eigene Achse.
„Na, gefällt es dir hier, Honey?“ Paddy stand neben ihr und sprach so leise, dass außer ihr ihn niemand verstehen konnte.
„Hier bist du also zu Hause.“ Und sie wiederholte diese Worte noch einmal für ihn. Diesmal war nicht zu überhören, dass Dianne viel geübt hatte und inzwischen dem Tonfall der Yalmangully sehr nahe gekommen war.
Der Ranger lächelte.
„Nicht genau hier, etwa hundert Kilometer weiter nordwestlich in den Kimberleys.“
Sie gingen die wenigen Schritte zurück zu ihrem Fahrzeug. Paddy begann, das Zelt auf dem Dach zu entfalten und aufzustellen, während Dianne sich in seiner Nähe auf die Holzumrandung des Platzes setzte, ihm zuschaute und schließlich ihren Blick über diese beeindruckende Kulisse schweifen ließ, die heute den malerischen Rahmen für ihr Lager bilden würde. Als sie sich satt gesehen hatte, lächelte sie ihn an.
„So langsam beginne ich dich zu verstehen, Paddy Crocodile.“
Bill hatte sich inzwischen aus der Kühlbox ein Bier geholt und ging auf Frank zu, der mit dem Aufbau des Dachzeltes auf ihrem Wagen begonnen hatte. Sein Boss schaute sich ganz genau in der Gegend um, bis er weiter hinten eine auffällige Felsformation entdeckte und zeigte in diese Richtung.
„Jetzt dürfte es ein bisschen zu spät sein, Frank. Das Licht kommt falsch an, aber morgen früh, gleich nach Sonnenaufgang, werden wir ein paar Bilder von hier einfangen. Auch von den Felsen da drüben.“ Er nahm einen Schluck aus der Flasche. „Wir haben zwar schon genug schöne Bilder für Jonathan, aber solange sich nichts Aufregenderes anbietet, können wir auch nichts Aufregenderes filmen.“
Frank hatte weiter gearbeitet und war jetzt soweit mit dem Aufbau fertig.
„Okay Bill, ich bin rechtzeitig mit der Ausrüstung da.“ Er stieg die Leiter hinunter und ging zu Jim, um ihm seine Hilfe anzubieten. Der war gerade damit beschäftigt, den Tisch und ihre Klappstühle aufzustellen. Jim schüttelte den Kopf.
„Mach einen Augenblick Pause, Junge. Ich bin fast soweit. Später kannst du gerne unser Barbecue übernehmen.“
Für genügend Feuerholz war bereits gesorgt. Deshalb folgte Frank Bill zu der Holzbegrenzung, um sich zu setzen und den Ort ein wenig auf sich wirken zu lassen. So, wie es aussah, war für heute Drehschluss. Bill trank sein Bier. Und das tat er immer erst, nachdem er seinen Job erledigt hatte. Sein Boss konnte sein, wie er wollte, darin jedenfalls war er ein Profi.
„Wann kommen wir denn wieder an eine Waschmaschine, Jimmy? Wir müssen unbedingt waschen.“
Frank sah, wie Annette bei Jim ein kurzes, unverständliches Kopfschütteln auslöste.
„Da wirst du dich wohl noch ein paar Tage gedulden müssen, Süße...“ Jim schaute sie lachend an. Aber wenn du Lust auf ein Schäferstündchen hast, das kann ich dir schon heute Abend bieten.“