der Geschmeidigkeit, mit der er sich in seiner gebückten Haltung bewegte. Plötzlich steigerte sich das undurchsichtige Geschehen. Aufgeregtes Hundebellen und Winseln vermischte sich mit dem Kreischen der Opfer in der Luft. Noch konnte Paddy nichts erkennen, also richtete er sich weiter auf und schlich ein paar Schritte vorwärts. Eine Kugel schlug einen Meter neben ihm in einem Baumstamm ein und hätte ihn beinahe getroffen. Reflexartig suchte der Aborigine erneut Deckung zwischen den Büschen. Verdammt, was ging hier vor? „Die sind ja wohl verrückt geworden!“ Dianne war ihm unbemerkt nachgeschlichen und jetzt erst richtig wütend. Trotzdem zog sie es vor, zu flüstern. Erstaunt drehte sich der Ranger um. „Was machst
du hier?“ „Auf dich aufpassen, Schatz!“ Paddy lächelte sie an. Eine Frau wie sie war ihm noch nie begegnet. Sie war so anders, so unverfroren. So schön. Aus ihrer Deckung heraus versuchten sie nun gemeinsam, die Situation zu erfassen. Die Kugeln flogen ihnen um die Ohren, sobald sie sich erhoben, um mehr erkennen zu können. Was sie erkannten, waren lediglich drei abgemagerte Hunde, die in einiger Entfernung am Ufer entlangtrabten und ein paar tote Tiere in ihren Schnauzen trugen. Jetzt stand Paddy in seiner ganzen Größe auf, um der Sache ein Ende zu bereiten. „Aufhören mit dem Geballer! Ich bin der Ranger. Ihr sollt sofort aufhören! Das hier ist ein Nature Park.“ Seine Stimme dröhnte laut durch das Dickicht. Zur Unterstreichung des Ernstes der Situation, griff er an seinen Gürtel, um einen Warnschuss in die Luft abzufeuern.
– Vergeblich, denn er war nicht im Dienst. Seine Waffe hatte er zurückgelassen. Als nichts geschah, und weiterhin geschossen wurde, schaute Dianne ihn fragend an. „So viel zu deiner Autorität, Paddy Crocodile! Die reagieren überhaupt nicht.“ „Es gibt genug Weiße, die sich über alles hinwegsetzen, Honey. Ich erlebe das in den Kimberleys ziemlich oft.“ Dianne war nachdenklich geworden. Zweifel schlichen sich langsam bei ihr ein, und es gelang ihr nicht, einen ganz bestimmten Gedanken länger zu unterdrücken. Schon wieder peitschte eine Kugel über sie hinweg. Schnell duckten sie sich ab. Ein getroffener Flying Fox fiel unweit entfernt ins Wasser. Wieder kam einer der Hunde bellend angelaufen und versuchte, das tote Tier vom Ufer aus zu packen. „Was denkst du? Wenn Richie nun doch keine Halluzinationen gehabt hätte?“ „Was hat das denn mit dieser planlosen Ballerei hier zu tun?“ Paddy schaute sie wütend an. Dann schien auch er langsam zu begreifen, worauf sie hinauswollte, und er beruhigte sich. „Du meinst doch nicht etwa, dass wir es hier mit demselben… Kramer?“ Dianne nickte zögernd. „Könnte doch immerhin sein, oder?“ Die Gewehrschüsse wurden weniger. Stattdessen tauchten jetzt vier oder fünf ausgemergelte und zerlumpte männliche Gestalten zwischen den Baumstämmen auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses auf, die mit sehr abenteuerlich aussehenden, altmodischen Gewehren auf den Schultern suchend durch den Busch streiften und ihre jaulenden Hunde zurückpfiffen. Die zahlreich erlegten Tiere sammelten sie ein und trugen sie bündelweise weg. Paddy sah sich zunächst in seinem Argument bestätigt. „Ich sehe zwar diese Männer da, und sie sind eindeutig weiß.“ Der Anblick ihrer vorsintflutlichen Waffen machte ihn allerdings stutzig. „Weißt du eigentlich, wie dieser Kramer aussah?“ Dianne hatte sich offensichtlich an Richies Geschichte festgebissen. „Nein, nicht genau.“ „Eben..., ich auch nicht.“ Dianne nickte.“ Und was machen wir jetzt?“ Der Aborigine reckte seinen Kopf vorsichtig in die Höhe und lauschte. Alle Tiere hatten in ihrer Panik die Schlafbäume verlassen, und um sie herum war alles friedlich. Die Männer und ihre Hunde waren verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. So unerwartet, wie das Getöse begonnen hatte, so plötzlich war der Spuk vorbei. Dianne schaute Paddy fragend an. „Hast du dafür eine Erklärung, schwarzer Mann?“ „Nein, so etwas habe ich noch nie erlebt.“ Die Sonne war inzwischen so tief gesunken, dass sie bereits hinter den Baumkronen verschwand. Bald würde sie untergehen. Die beiden Verliebten schauten sich tief in die Augen. „Haben wir das vielleicht alles nur geträumt, schöne Frau?“ Sie zuckte ihre Schultern. „Über das Träumen weißt du als Aborigine wohl mehr als ich, die ich gerade erst bei der Sprache deines Volkes angekommen bin.“ Dianne hatte ihren Humor wiedergefunden, der ganz zweifellos britischer Natur war. Paddy hatte seinen Blick seit einigen Minuten nicht mehr von ihr gewendet. Nun streckte er seine Hand aus und strich ihr damit zärtlich über die gerötete Wange. „Du bist hoffentlich keine Halluzination?“ Seine Stimme klang sehr sanft. „Wenn ich ganz ehrlich sein soll, weiß ich inzwischen gar nichts mehr.“ Und Dianne war in diesem Augenblick sehr ehrlich zu sich selbst. „Egal, Honey. Ich liebe dich.“ Zärtlich wiederholte er auch diesen Satz in der eigenen Sprache. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, Paddy Crocodile, aber ich liebe dich auch.“ Sie lächelte ihn an. Und um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, wiederholte sie diesen letzten Satz in der Sprache dieses Yalmangully. „Ich liebe dich...“ Der Ranger zog sie liebevoll an sich heran und umarmte sie. Dianne spürte seine Kraft und wehrte sich nicht dagegen. Sie hatte keinen Grund dazu. Sie hatte inzwischen sogar den Eindruck, dass ihr die Kontrolle mit jeder Sekunde, die sie zögerte, mehr entglitt. In Paddys starken Armen sank sie auf den weichen Waldboden. Noch einmal schafften es Diannes Lippen, sich von seinen Lippen zu lösen. Seufzend gestand sie sich und ihm ein: „Ach, hätte ich mich doch niemals auf Jonathans Angebot eingelassen.“ Doch diese Einsicht kam einfach zu spät. Sie hatte sich bereits in ihr Schicksal gefügt. Der allerletzte Funken eines Aufbegehrens gegen das, was mit ihr geschah, erlosch. Und es war ihr völlig gleichgültig, was die anderen über sie dachten.
Der nach drei Seiten offene Pub war bis auf wenige Plätze besetzt. Zehn Minuten zuvor war wieder ein Überlandbus angekommen, bereits der dritte für diesen Tag in Mataranka, einem der wenigen Zwischenstopps auf der langen Strecke zwischen Adelaide ganz im Süden des Kontinents und Darwin im hohen Norden und in entgegengesetzter Richtung. Hier hielt jeder Fernbus, der auf dieser Linie fuhr. Die zahlreichen Rucksackreisenden nutzten die willkommene Unterbrechung für einen Imbiss oder ein erfrischendes Bad im Thermalpool. Manche blieben für ein paar Tage hier und richteten sich auf dem Campingplatz häuslich ein, andere drängte es zur Weiterfahrt. Sie luden ihr Gepäck in den Bauch des Busses, der in spätestens einer Stunde zu seiner nächsten Etappe startete. Die frühen Abendstunden waren die Zeit des Tages, zu der sich an diesem Ort die meisten Menschen begegneten.
Hans, Jim und Bill saßen an einem der Tische vor ihren halbvollen Gläsern und beobachteten schon seit einer ganzen Weile dieses Schauspiel, das sich am Abendhimmel über ihren Köpfen abspielte.
„Das hört ja überhaupt nicht mehr auf.“ Richie kam staunend die wenigen Stufen zur Terrasse hinauf und steuerte den Tisch der Kameraden an.
Mit zunehmender Dämmerung hatte sich zu ihrem Erstaunen die Luft von Osten her gefüllt mit einer immer größer werdenden Wolke aus flatternden, schwarzen Bats, die alle in westliche Richtung über das Pub hinwegstrebten. Und dieses Gewirr nahm noch immer kein Ende. Hans hatte so etwas noch nie gesehen, obwohl er schon zweimal mit Richie in diesem riesigen Land unterwegs gewesen war.
„Das müssen zehntausende sein!“
Annette kam aufgeregt angelaufen.
„Seht doch mal! “ Auch sie war von diesem Spektakel überrascht worden. Unverzüglich wollte sie die Übrigen informieren.
Frank folgte ihr kurz darauf. Gelassen holte er sich eine Cola von der Bar und setzte sich an den Tisch. Er würde es später noch mal versuchen. Im Moment machte das Warten keinen Sinn. Die zwei Telefonzellen in der Nähe des Eingangs waren derart belagert von den zahlreichen Rucksacktouristen auf der Durchreise, dass er und Annette beschlossen hatten, ihre Anrufe so lange zu verschieben, bis der letzte Bus abgefahren war. Frank hatte bereits sein Handy an den Strom gehängt, um den Akku für die nächsten Tage aufzuladen, die sie sicher wieder mal irgendwo im Busch verbringen würden.
„Wo wollen diese riesigen Fledermäuse denn bloß alle hin?“ Fasziniert beobachtete Annette das grandiose Schauspiel über ihren Köpfen.
„Das, meine Liebe, sind Flying Foxes, Fliegende Hunde.“ Jim beantwortete ihre Frage gerne. „Tagsüber hängen sie in ihren Schlafbäumen. Nachts schwärmen sie aus und fallen in der Umgebung über die reifen Früchte her.“
Langsam lichtete sich diese aufgeregte Wolke. Schließlich kamen nur noch vereinzelte Nachzügler angeflattert, um sich ebenfalls in der Dunkelheit zu verlieren.
Richie schien nachzudenken. Fast automatisch schob er seine gestapelten Karten zu einem Fächer auseinander. Jim beobachtete ihn dabei. Viel