Jonathans Erbe – Expedition in die Vergangenheit. Claudia Karsunke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claudia Karsunke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844255935
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Die letzten Worte wiederholte sie in seiner Sprache, der Sprache dieses Yalmangully aus den Kimberleys. Der Aborigine drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, als er ihr antwortete. „Ich konnte ihn nicht davon abhalten, das Tal zu entweihen und unsere Träume zu stehlen. Und es ist mir nicht gelungen, den Hüter unserer Träume zu beschützen. Ich bin jetzt der neue Hüter der Träume meines Volkes. Und ich werde ihm folgen.“ Er sagte das alles in seiner Muttersprache. „Leb wohl, Honey. Es war sehr schön, dir begegnen zu dürfen.“ Dianne lief hinter ihm her, aber er entfernte sich immer weiter von ihr. Verzweifelt warf sie sich ihm an den Hals. „Nein, Liebster, du darfst nicht einfach so gehen! Ich habe dich doch auch gerade erst gefunden.“ Obwohl sie auch diese Sätze in seiner Sprache gesagt hatte, löste er sich sanft und sehr entschlossen aus ihrer Umklammerung. Dann sah er sie eindringlich an. „Geh du deinen Weg, denn ich muss meinen Weg gehen. Lebe wohl, Honey, ich liebe dich.“ „Paddy, nein... Bitte, bleib hier!“ Sie musste hilflos zusehen, als ihr Liebster wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen Kramers Richtung folgte, bis auch seine Gestalt zwischen den Büschen immer mehr verblasste und schließlich ganz von der nächtlichen Umgebung absorbiert war. Dianne brach in Tränen aus. Ihre Verzweiflung schien grenzenlos. „Komm. Jetzt beruhige dich doch!“ Jim nahm sie tröstend in seine Arme. „Aber er kann doch nicht einfach so weggehen.“ Sie schluchzte an seiner Schulter. „Für ihn gelten andere Gesetze. Er ist und war immer ein Aborigine, vergiss das bitte nicht.“ Aber Dianne war in ihrem Schmerz einfach nicht bereit, dies zu akzeptieren. Ihre Tränen suchten sich ihren eigenen Weg.

      Frank war sofort zu Bill gerannt, als er den Schrei hörte. Erschrocken beugte er sich über seinen Boss. Mit verzerrtem Gesicht lag Bill noch immer halb unter dem Fahrzeug. Er hatte aus dieser Perspektive alles beobachten können und schließlich versucht, mit einem plötzlichen Ruck seiner rechten Hand, die Spitze des Speeres aus der linken Schulter zu ziehen. Ein stechender Schmerz begleitete dieses erfolgreiche Befreiungsmanöver. Sein Oberkörper bäumte sich auf. Er stieß einen lauten Schrei aus und knallte mit dem Kopf gegen das Wagenblech, bevor er ohnmächtig wurde.

       Sein Oberkörper lag außerhalb des Wagens, sein Hemd war von frischem Blut durchtränkt.

       „Er braucht dringend einen Arzt. Die Wunde blutet ziemlich stark.“

       Jim schätzte die Ernsthaftigkeit der Verletzung ab. Er musste die Wunde auf jeden Fall sofort verbinden.

       „Ich kümmere mich um ihn. Hol schon mal die Erste-Hilfe-Box.“

       Frank erhob sich wortlos. Dianne hatte sich kaum beruhigt. Das Entsetzen über ihren unerwarteten Verlust war unleugbar in ihrem Gesicht abzulesen.

       Richies Enthusiasmus blitzte trotz der dramatischen Absurdität, in der sich ihre Such-Expedition plötzlich befand, wieder auf. Vielleicht gerade deshalb.

       „Wir wissen jetzt, dass Kramer diese Steine hat. Und wenn wir ihm auch folgen, dann schlagen wir gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Wir finden Paddy, Kramer und diese Diamanten. Was haltet ihr davon?“

       Während Jim nur den Kopf schüttelte, schien sich Diannes Miene bei seinem Vorschlag etwas zu erhellen.

       „Bleib auf dem Teppich, Richie! Wie viele Jahrzehnte willst du denn unterwegs sein? Nicht nur auf mich wartet in ein paar Wochen der nächste Job. Also, vergiss diese Idee einfach!“

       Frank kam mit dem Verbandskasten zurück. Jim sah sich um. Inzwischen erinnerte äußerlich fast nichts mehr an den Überfall auf Kramers Lager. Alle Spuren eines Kampfes waren verschwunden. Nur der platte Reifen an einem der Fahrzeuge, Bills tiefe, blutende Wunde und die Lücke, die Paddy mit seinem Verschwinden vor allem bei Dianne hinterlassen hatte, blieben real.

       „Okay, Leute, wie es aussieht, ist der Spuk endgültig vorbei.“ Er suchte in der Box nach einer sterilen Kompresse und dem passenden Verband.

      Vergnügt kamen Hans und Annette aus der Schlucht zurück. Sie schlenderten den kurzen Weg bis zum Camp entlang und merkten sofort, dass etwas nicht stimmte. Dianne stand mit stark verquollenen Augen da und starrte unablässig in eine Richtung. Jim hockte am Boden und verarztete die Schulter von Bill. Der war aus seiner Ohnmacht erwacht und stöhnte laut vor Schmerzen. Noch immer umklammerte er die abgebrochene, blutige Speerspitze mit seiner Hand. Frank half, Bills Hemd aufzuschneiden. Jim betrachtete kritisch die klaffende Wunde.

       „Ich glaube, da hast du noch mal Glück gehabt, Bill. Ich werde dich jetzt erst einmal verbinden, und gleich morgen früh bringen wir dich zum Doc.“

       Hans und Annette sahen sich sehr irritiert im Camp um.

       „Was ist denn bloß los? Es sieht ganz so aus, als hätten wir schon wieder etwas verpasst.“ Eine Antwort bekam Hans nicht.

       Dianne starrte weiter in die Nachtschwärze und sprach leise vor sich hin.

       „Leb wohl und pass gut auf dich auf, Liebster.“ Dann wiederholte sie diesen Satz und fügte noch einen weiteren in Paddys Sprache hinzu. „Wo auch immer du steckst: Ich liebe dich. Und ich werde dich sehr, sehr vermissen.“

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