Jonathans Erbe – Expedition in die Vergangenheit. Claudia Karsunke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claudia Karsunke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844255935
Скачать книгу
Wir sollen einfach dranbleiben. Er sagte, die Fernsehleute versuchen, ihn permanent unter Druck zu setzen, aber das beeindruckt ihn scheinbar wenig. Er hält uns den Rücken frei. Die beißen sich an Jonathan die Zähne aus, wie ich ihn kenne. Das gibt uns ein bisschen mehr Spielraum. Und den haben wir auch dringend nötig.“

       Bill hatte sein Bier ausgetrunken und war wortlos aufgestanden. Jetzt kam er mit einem gefüllten Glas von der Bar zurück. Er stellte es vor seinem Platz ab, bevor er sich setzte.

       „Vor dieser Sheila Young sollte er sich in Acht nehmen. Die kenne ich zur Genüge. Die kann ihm wirklich gefährlich werden.“

       Hatte Jonathan diesen Namen bei ihrem Gespräch überhaupt erwähnt? Richie reagierte nicht weiter auf Bills Bemerkung. Frank jedoch wurde aufmerksam, als der Name fiel.

       „Dass du an niemandem ein gutes Haar lässt, ist ja inzwischen bekannt. Aber was hast du gegen Sheila?“

       Bill antwortete diesmal sehr bestimmt, denn er hatte sie kennengelernt, und deshalb wusste er, von wem er sprach.

       „Diese Frau schreckt wirklich vor nichts zurück, mein Junge. Die geht über Leichen, wenn es nur ihrer eigenen Karriere dient.“

       „Also Bill, jetzt übertreibst du wirklich.“ Frank hatte das Gefühl, dass sein Boss wieder mal zu stark polarisierte.

       Bill musterte seinen Assistenten von der Seite her.

       „Du bist ihr doch nicht etwa auf den Leim gegangen? Sie kommt nämlich auch aus Melbourne.“

       „Wie kommst du darauf? Ich kenne sie kaum. Wir sind uns mal zufällig begegnet, und da hat sie auf mich einen eher netten Eindruck gemacht. “

       „Da hast du wohl Glück gehabt.“ Für Bill war diese Sheila wirklich ein Fall für sich. Die hatte schon mehr als einen auf dem Gewissen. Deshalb wollte er sich auch nicht so schnell wieder beruhigen. Man würde ihm später also auch keinen Vorwurf machen können, wenn er Recht behalten sollte.

       Richie hatte die Unterhaltung zwischen den beiden Kameraleuten nur am Rande mitbekommen. Seine Gedanken kreisten immer wieder um dieselbe Sache. Inzwischen hatte er zwei Karten aufgeschlagen und sinnierte leise vor sich hin.

       „Wir können sowieso nur unseren Vermutungen nachgehen. Wir verlassen morgen das Gebiet, von dem wir sicher annehmen konnten, dass es tatsächlich alte Spuren von Kramer gibt. Und wir haben darüber hinaus nur wenig erfahren, das uns weiterhilft. Nun sind wir noch mehr als bisher auf unsere Intuition angewiesen.“ Richie faltete die Karten zusammen. Dabei wirkte er irgendwie deprimiert. Als er dann noch etwas hinzufügte, wurde seine Stimme wieder entschlossener. „Aber ich bin mir trotzdem ganz sicher, wir werden etwas finden.“

       „Fragt sich nur, wo und wann, Richie?“ Annette stellte ihr Glas ab.

       „Sei einfach still! Er versteht mehr als jeder andere von uns von der Materie.“ Hans reagierte säuerlich auf ihre Bemerkung.

       „Ja, so viel, dass er schon Halluzinationen hat.“ Bill hatte sein nächstes Bier fast leergetrunken.

       „Das ist überhaupt noch nicht bewiesen.“ Hans reichte es für heute. Diese ständigen Pöbeleien nervten ihn zunehmend. „Dass du deinen Job beherrschst, kannst du auch noch zeigen, wenn du das meinst. Vorausgesetzt, du bist dann noch fähig, scharf zu sehen und findest den richtigen Bedienknopf an deiner Kamera.“ Hans fühlte, wie eine Wut in ihm hochstieg, die er nicht länger unterdrücken wollte. Sie kam einem Gefühl der Ohnmacht gleich. Schließlich waren sie alle für denselben Auftraggeber unterwegs, um diese schwierige Aufgabe, das Rätsel um seinen Vorfahren, zu lösen. So, wie die Dinge sich momentan entwickelten und aus dem Ruder zu laufen drohten, hatte Jonathan sich offensichtlich in einem entscheidenden Punkt geirrt, als er dieses Such-Team zusammenstellte: In der Auswahl des Kameramanns!

       Bill schnaufte wütend über diese Zurechtweisung, sagte jedoch nichts. Stattdessen trank er sein Glas leer und stand auf, um sich ein frisches Bier zu holen.

       Lachend kamen Paddy und Dianne leichtfüßig die drei Stufen herauf. Annette musterte die beiden Gestalten von oben bis unten. Sie sahen ziemlich derangiert aus.

       „Wo habt ihr beide euch denn herumgetrieben?“

       Der Aborigine legte lächelnd seine Jacke auf die Lehne eines freien Stuhls.

       „Entschuldigt Kollegen, wir hatten noch eine private Wette einzulösen. Hat ein wenig länger gedauert als geplant.“

       „Das ist nicht zu übersehen. Worum ging es denn diesmal?“ Jim grinste ihn breit an.

       Die beiden sahen einander an und begannen zu lachen.

       „Du wirst es nicht glauben, aber das ist uns im Eifer des Gefechts völlig entfallen!“

       Ihre Fröhlichkeit steckte die Übrigen am Tisch an. Paddy suchte in seiner Tasche nach Kleingeld, um an der Bar ihre Drinks zu holen. Diannes Haare waren ein wenig zerzaust. Sie wollte sich gerade setzen, als Bill mit einem gefüllten Bierglas zurückkam.

       „Na, Frau Professor. Wie fickt er denn so, dein schwarzer Ranger?“

       Auch Paddy hörte die Bemerkung, denn Bill hatte sie laut genug geäußert. Er drehte sich auf dem Absatz um und ging drohend die wenigen Schritte, die sie trennten, auf den Angetrunkenen zu.

       „Du bist ein Riesenarschloch, Bill, weißt du das?“ Wütend schrie Dianne ihn an. Erst im letzten Moment hielt sie den Ranger zurück, bevor er dem Mann an die Gurgel gehen konnte.

       „Bill, halt dein verdammtes Maul! Du bist eine Zumutung, wenn du getrunken hast.“ Jim war auch aufgesprungen und mischte sich fast gleichzeitig ein. „Kann es dir überhaupt jemand recht machen? Und lass es nicht permanent an einem von uns aus, wenn du nicht darüber hinwegkommst, dass dir deine Frau weggelaufen ist! Was Dianne und Paddy miteinander haben, geht dich überhaupt nichts an! Und wir sind hier auch sonst nicht im Kindergarten! Merk dir das endlich!“ Jim war außer sich vor Zorn. Schon seit Beginn ihrer Reise war ihm Bills negatives Benehmen ein Dorn im Auge. Mit seiner letzten Beleidung hatte er eindeutig eine Grenze überschritten. Damit war auch Jim der Kragen geplatzt.

       Bill sagte keinen Ton, trank sein Glas in einem Zug leer und knallte es auf den Tisch.

       „Ach, macht doch euren verdammten Mist alleine!“ Er erhob sich ein bisschen unsicher und torkelte die wenigen Stufen hinunter. Alle Gäste schauten ihm betroffen und kopfschüttelnd hinterher, bis die Dunkelheit ihn verschluckt hatte.

       „Von allen guten Geistern verlassen, dieser Mensch.“ Paddy hatte sich schon wieder beruhigt. Er stand neben seiner Liebsten und hatte den Arm um ihre Taille gelegt. „Ein armer Irrer!“ Der Aborigine konnte sicher sein, dass im Augenblick alle so dachten, die die Szene mitbekommen hatten. Dianne schüttelte verständnislos und wütend den Kopf.

       „Manchmal widert dieser Kerl mich einfach an. Und ich werde wohl nie verstehen, warum Onkel Jonathan ausgerechnet ihn angeheuert hat.“ Dann ließ sie sich endlich auf ihren Stuhl fallen und begann, ihre erfreulichen Neuigkeiten zu erzählen, die sie noch gar nicht hatte loswerden können. „Ratet mal, wem wir unterwegs begegnet sind?“ Sie ließ ihren Blick in die Runde schweifen. „Ich wette, ihr kommt nie drauf!“ „So, wie ihr ausseht?“ Jim lachte laut. „Dem Terminator?“

      Nach allem, was ich zu Beginn meiner Reise wissen konnte, war ich davon ausgegangen, dass mein Weg mich zunächst nach Nordwesten führen würde, bevor ich ihn auf der Länge von Port Essington nach Südwesten fortzusetzen beabsichtigte. Sobald ich die Tropen bei etwa 23° erreichte, wollte ich mich nach Westen wenden und in dieser Breite die Wüste umgehen, die schon Captain Sturt Jahre zuvor auf seinem Weg vom Süden herauf hatte scheitern lassen. Mein Wissen um die zahlreichen Flüsse hin zum Carpentaria Golf, die ich schon einmal überquert hatte, gab mir auch weiterhin Selbstvertrauen. Sie würden meiner Expedition das Leben spendende Wasser garantieren, das unser weiteres Vorwärtskommen sehr erleichterte. Offen blieb indessen, wie weit südlich diese Flüsse entsprangen. Ich war zuversichtlich, was diesen Punkt betraf, und so gab ich das Zeichen zum Abmarsch. Mein Tross setzte sich erneut langsam in Bewegung.

       Da ich die Tropen längst überschritten hatte und mich etwa auf 20° südlicher Breite befand, bewegte ich mich sehr viel