Es bringt dem Menschen eine Portion Demut bei, an etwas zu glauben, am Ende auch an Jesus, an einen Menschen der besser war als alle, selbst wenn man von seinen prophetischen Fähigkeiten absieht. Er hat gelitten - um uns den Weg zu zeigen Aber mindestens so beeindruckend wie sein Leiden ist doch das Leiden von sechs Millionen und mehr Juden, die um ihres Glaubens willen verfolgt wurden. Gewiss, es sind die Juden, es ist ihre Menge und ihr Glaube an sich selbst, die mich jetzt beeindrucken und beeinflussen. Wenn ich die Bibel lese, dann glaube ich alles was drinsteht, und ich frage mich beispielsweise echt, ob ich denn nicht eines endgültigen Todes sterben will, weil ich Mensch bin, der wie alle Menschen stirbt.
01.09.77
So, jetzt hätten wir das Physikum hinter uns. Kurz und gut ich hatte ein Gespräch mit Che, über uns, vor allem aber über ihn selbst. Ich weiß nicht, ob ich das wiedergeben kann: Jedenfalls hatte ich das Gefühl, dass wir uns irgendwie verstehen können. Er hatte behauptet, ein Gefühl der Geborgenheit zu empfinden, wenn ich mich mit seinen Problemen auseinandersetze, und hat auch zugegeben, dass ich viel Richtiges gesagt hätte.
Wir hatten einen gemeinsamen Wunsch, nämlich das sich das ganze weiter so entwickelt, und möglich ist es eventuell schon. Ich kenne ja sozusagen Ches Schwächen und möglicherweise werde ich auch können, mit ihnen umzugehen. Vielleicht gelingt es mir auch, mit ihnen umzugehen. Vielleicht gelingt es mir auch, ihm seinen Minderwertigkeit-Komplex abbauen zu helfen. Ich möchte nur gerne behaupten können, dass wir beide uns mögen. Es geht darum, dass eine gewisse Wärme zwischen uns besteht, ein gewisses Gefühl des Verstanden werden.
Launisches Phänomen
Schönheit ist immanent
Schönheit kriegt man mit
oder man verleiht sie
Schönheit braucht Zeit,
Oder sie ist das Werk
Eines Augenblicks.
Schönheit wiegt schwer -
Oder ist eben weg.
Schönheit ist gut,
Und vergessen ist das Hässliche –
Schönheit ist schön,
Und vergessen ist das Gute.
24.10.77.
Eher in Deutschland ist mir die Welt zu groß, zu unübersichtlich, blicke in Tiefen, in Abgründe, die ich nicht meistern kann, und es umfängt mich Kälte.
Im Glashaus
Sie wohnen im Glashaus,
Die Deutschen Seelen,
Ihr Schweigen ist stur.
Vergebens, mein Freund,
Magst Du Dich quälen,
Du scheiterst ja nur,
Versuchst Du je, ihnen nah zu sein
Der Angriff wird glücklich abgewehrt
Indem ihr Schweigen,
Dich trifft wie ein Stein
Die Glashäuser, die bleiben unversehrt
Und deren Bewohner allein
Ist denn der Deutschen Kern so weich,
Dass sie ihn zu zeigen sich schämen?
Oder gar mehr einem Steine gleich,
Unfähig, Anteil zu nehmen?
Ich seh’ nur:
Es trotzen die harten Fassaden
Und frage mich dann und wann,
Ob denn die Leute sich selber nicht schaden.
Und was man dagegen machen kann.
Tiefgekühlt
Es ist so kalt hier.
Um mich herum erstarrte Gesichter,
Tiefgekühlte Beziehungen.
Mir ist’s in meiner Maske zu eng,
Doch zöge ich sie ab, wäre ich eine „Verrückte.”
Da, wo Giftpfeile in der Luft schwirren,
Nackt, unterkühlt und verletzbar
Nach warmer Geborgenheit zu suchen,
Das wäre zuviel verlangt.
Ich muss hier weg,
Davon werden mich
Auch die bezauberndsten
Blaugrünen Augen
Nicht abhalten.
21.01.78
Ich habe auch dauernd das Bedürfnis, mal wieder zu beten. Ich suche immer wieder nach einer Sicherheit, die nur der liebe Gott einem bieten kann.
Es ist immer ein Drang nach Vollkommenheit da, begleitet von dem obligaten Insuffizienzgefühl, es ist das Gefühl, dass nichts läuft. Wünsche ich mir die vollkommene Hektik? Ich brauche einen Rahmen, leider (?) In der absoluten Freiheit finde ich mich nicht zurecht. Ich habe irgendwo ein Bedürfnis nach Ästhetik und Ordnung. Ich brauche Resonanz, ein Echo. Das Dumme ist aber, dass ich auch schon an dieses Echo Ansprüche stelle.
Das Leben als Gebet
Manchmal wünschte ich mein Leben wär’ ein einziges Gebet
Wo Platz war’ für Dankbarkeit
Für all das Unscheinbare und Wichtige,
Für das Unvollkommene und das Schöne,
Für das Geheimnisumwitterte und das Klare,
Und für jedes fallende Herbstblatt als das Symbol
Der Wiedergeburt und Erneuerung.
Als Ratgeber ist das Nein schon immer schlecht gewesen
Vom Zweifel möchte ich ganz gründlich genesen.
31.01.78
Ja ich beschäftige mich in letzter Zeit ausführlicher mit der Thematik der Liebe. Eigentlich, weil ich wissen möchte, ob ich zu Liebe fähig bin. Ich muss mir vor Augen halten, ob ich um jeden Preis eine Beziehung zu jemanden wollte. Ich bin da von Zweifeln geplagt. Warum habe ich früher immer darauf gedrängt, möglichst eine Beziehung sicherzustellen, der Zukunft zu misstrauen. Es war immer diese Einstellung, einen problemlosen Endzustand auszustehen.
07.02.78
Es nimmt mich traurig, dass es zu Konflikten führt, wenn ich unbedingt was will wie z.B. Semap abzusetzen. Es fällt mir schwer es schlucken zu müssen, dass ich nie ich selbst sein kann, dass ich sozusagen Angst von mir selber haben muss. Als wäre ich ein Hund, der sich selbst den Maulkorb aufbindet.
Ich glaube, Semap beginnt zu wirken. In meinem Kopf fühle ich mich wie anästhesiert, ich bringe nicht die Energie auf, mich dagegen aufzulehnen.
Bern, 21.03 78
Es ist mir in meinem einundzwanzigjährigen Leben noch nicht gelungen, zu einem Menschen, der auf mich anziehend gewirkt hat, eine konstruktive Beziehung aufzubauen. Die Vorstellung eines Unbekannten und möglicherweise auch aufgebauschten Glücks warnt mich. Und nicht nur das, sie hemmt mich auch, macht mich unfrei und verklemmt, unfähig mich selber in die quasi gewünschten Weise zu artikulieren. Das ist schon beinahe neurotisch, ich glaube das ist ein Problem eine Beziehung aufzubauen.
03.04.78
Einsicht
Die Liebe stirbt niemals an Hunger,
wohl aber am Übersättigung,
stirbt