Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lars Gelting
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092639
Скачать книгу
blau-grüne Fleck auf meinem Hintern, den ich mir beim Sturz auf der Treppe im Zagelhof geholt habe, selbst der war für den Moshofer ein deutlicher Beweis abartiger, teuflischer Liebespraktiken. Das reichte! Damit hat er mich dem Pocher ausgeliefert.“

      Sie stand auf, reckte sich, „Hätte mich der Pater in der Nacht nicht da rausgeholt: Der Pocher hätte mich am nächsten Tag gedehnt und gequetscht, bis ich vermutlich gesagt hätte, was immer er hören wollte!“

      8. Zähmung des Herrn Spenner

      Die ersten Zelte tauchten vor ihnen auf, Graue, im leichten Wind flach atmende Fremdkörper auf der grün-bunten Wiese.

      Stefan lenkte den Einspänner vorsichtig in die enge, gewundene Gasse, zwängte ihn zwischen den sich hin und wieder schüttelnden Behausungen hindurch und hielt an: Das Lager schien menschenleer. Gespenstisch bewegten sich die Zelte, klatschte hier und da eine Plane im Wind, kein Wachtposten, kein Ruf, kein Kindergeschrei; über allem lag gespannte Ruhe.

      „Fahr nur weiter!“ Therese beugte sich vor, suchte angestrengt zwischen den immer dichter stehenden Zelten nach einer Erklärung.

      Dann, unversehens, standen sie dicht gedrängt vor ihnen, versperrten ihnen den Weg, machten ein Vorwärts wie Rückwärts unmöglich: Söldner, Gaukler, jung, alt, Mütter mit Kindern auf dem Arm und herausgeputzte Dirnen Körper an Körper. Standen wie eine riesige, kreisförmig aufgestellte, fest zusammengefügte Mauer auf dem Lagerplatz und starrten schweigend in dessen Mitte. Kaum beachtet rollte der Einspänner heran, hielt nah an der Menge, störte für einige Augenblicke das beklemmende Schweigen, welches über allem lag.

      „Was nun?“ Franz reckte sich, versuchte etwas zu erkennen, spürte Thereses Hand fest auf seinem Arm, erkannte die deutliche Warnung in ihrem ihm zugeneigten Gesicht: „Ein Lagergericht! Was auch geschieht: keinen Laut!“ Sie sprach leise, eindringlich, so dass er einen Augenblick in seiner Bewegung innehielt, abwägend zur schweigenden Masse, dann wieder in ihr warnendes Gesicht sah, bevor er sich langsam erhob um zu sehen, was er noch nie gesehen hatte.

      Über die Köpfe hinweg erkannte er dort, wo die Masse Raum gelassen hatte, die große, glutvolle Feuerstelle, heller Rauch, von flirrender Gluthitze getrieben, strebte schräg gen Himmel. Im Zentrum der Feuerstelle, mannshoch, ein dicker Baumstamm, inmitten der Glut fest in den Boden gerammt. Davor, in nur handbreitem Abstand, ein ebensolcher kräftiger Stamm, wohl hüfthoch und in seinem oberen Teil stark verjüngt, zunächst armdick, dann auslaufend wie eine Speerspitze.

      Sein Blick wurde abgelenkt, fiel seitlich, etwas abseits vom Feuer, auf einen Mann. Groß, hager und vollkommen entkleidet schien er ebenso hell herüber wie das frisch zugespitzte Holz in der Glut. Ohne jede Fessel, mit hängendem Kopf stand er vor der schweigend wartenden Masse, ausgeliefert, von unzähligen wütenden Blicken durchbohrt. Hinter ihm, einige Schritte entfernt, zwei Pikeniere, der eine ein aufgerolltes Seil am langen Arm. Weiter zurück, im Schatten einer weit ausladenden Buche, drei Männer in prächtigen Offiziersuniformen. Saßen, einander im Gespräch zugewandt, hinter einem massiven Tisch, sparsam gestikulierend, wartend.

      Franz wandte sich um, wollte etwas sagen, Therese hatte sich abgewandt, schaute in die Menge, bewegte Kopf und Oberkörper suchend hin und her.

      „Du weißt, was da vorn geschieht?“ er hatte sich ihr zugeneigt, flüsterte.

      Nur kurz blickte sie ihn über die Schulter an, schaute dann zum Feuer, „Er ist verurteilt, hat jetzt Zeit zur Entschuldigung und wird dann bestraft.“

      „Die werden den doch nicht verbrennen?“

      Für einen kurzen Moment sah sie ihn ernst an, „Schau gut hin! Lagergerichte haben ihre eigenen Strafen – und das muss so sein!“ wandte sich wieder zur anderen Seite, suchte weiter.

      Eine Weile geschah nichts, standen sich Verurteilter und ehemalige Freunde, Kampfgefährten, Nachbarn in gespanntem Schweigen gegenüber.

      Als sich ohne erkennbaren Anlass die Drei hinter ihrem Tisch erhoben, spürte Franz förmlich, wie im Rund hundertfach die Luft angehalten wurde. Eingerahmt von seinen Begleitern hob der in der Mitte Stehende den Arm, lässig, so als wollte er jemanden grüßen. Augenblicklich ergriffen die zwei Soldaten den Ärmsten. Banden ihm, der gestern vielleicht noch Kamerad, roh Arme und Hände auf dem Rücken zusammen und zerrten den nun Widerstrebenden zum Feuer.

      Franz fuhr herum, sah auf Thereses Rücken, schaute zurück zum Feuer. In die Masse um ihn herum kam Bewegung, etwa wie sie der Wind verursacht, wenn er in Böen über die Wiese streicht. Hier war es der Schrei des Verurteilten, der die harten Leiber in Bewegung brachte. Unaufhörlich, heiser, durch brennenden Schmerz und Entsetzen um mehr als eine Oktave in die Höhe getrieben, hing er über der Menge.

      Von seinen Bewachern rasch über die Glut geschoben, hockte er jetzt auf dem Stamm, nackt und nur eine rettende Brettstärke über der Speerspitze. Konzentrierte alle Lebenskraft in seinen brennenden Füßen, mit denen er sich verzweifelt auf dem dicker werdenden Stammende dicht über der Glut abstützte. Ein Seil wurde rasch um seine Brust geschlungen, über den Stamm nach hinten weggeführt und dort von einem der Pikeniere unter Zug gehalten. Der andere schob die Glut funkenstiebend noch einmal dicht und hoch an seinen Sitzplatz heran, dann war er sich selbst und dem unter ihm lauernden grässlichen Tod überlassen. Auf dem Platz herrschte Stille. Hunderte von Augenpaare waren auf den einen Punkt im Zentrum gerichtet, fixierten, registrierten, warteten angespannt auf das Unausweichliche.

      Nach wenigen Augenblicken setzte das Zittern ein. Den Kopf weit in den Nacken gelegt, die Augen konzentriert gen Himmel gerichtet, bebte sein Körper vor Anstrengung, Schweiß rann in Strömen an ihm herunter. Irgendwo weit vorn kreischte eine Frauenstimme – wütend, eine andere fiel ein, dann war wieder Ruhe.

      Er rutschte das erste Mal ab, trat in die Glut, heulte auf, erhielt vielstimmig ein schadenfrohes Echo. Das Gesicht eine Grimasse, brüllte er seinen Schmerz heraus, konnte sich noch einmal auf den Stamm retten, dessen helle, frische Farbe immer noch unschuldig herüber blinkte.

      Franz wandte sich ab, neigte sich Therese zu, drängend, „Das kann er nicht überstehen!“

      Sie, ruhig, gleichgültig, über die Schulter: „Das soll er ja auch nicht!“

      Er schaute auf den Rücken vor ihm, verstand sie nicht. Wieder war sie ihm fremd. „Du bist hart geworden!“

      Langsam drehte sie sich herum, sah ihn ruhig an, nickte leise, „Das wohl auch, Franz. Aber ich weiß eben, dass diese Strafe so ziemlich die höchste ist, die ein Lagergericht verhängt. Selten verhängt! Jeder Mann ist hier kostbar. Der Kerl muss innerhalb der Lagergemeinschaft also etwas getan haben, was diese ungewöhnliche Strafe verlangt. – Und da bin ich immer noch selbst betroffen, Franz.“

      Wieder rutschte der Fuß ab, stieß hinab ins Feuer. Er bekam den Fuß jetzt nicht mehr aus der Glut, schrie nicht, kreischte jetzt. Riss den Fuß hoch zum Stamm, musste zurück in den Brand, riss ihn wieder hoch, Funken wirbelten. Das Holz büßte seine Unschuld ein, glänzte plötzlich rot. Erst nur in Rinnsalen herablaufend, dann das Holz überschwemmend nahm es ihm den letzten Halt, ließ auch den anderen Fuß herunterrutschen. Er tanzte in der Glut, wirbelte sie hoch, hüllte sich ein in den Brodem aufstiebender Funken, brüllte auf, kreischte und heulte, erntete hundertfach verstärkt ein höhnisches Echo. Wild warf er Kopf und Oberkörper hin und her, während ihn Holz und Seil unentrinnbar an seinen Platz hielten.

      Unaufhaltsam würde er nun immer tiefer rutschen, würde sich, in gleichem Maße, wie ihm seine verbrannten Füße nicht mehr gehorchten, allmählich entleiben. Die Menge um ihn herum gierte, reckte die Fäuste, johlte, streckte ihm ihre wütenden Gesichter entgegen.

      Franz mochte nicht mehr hinsehen, setzte sich und stellte erschreckt fest, dass er alleine im Wagen saß: Therese hatte den Wagen verlassen. Er fühlte sich unwohl, sah den Wagen inzwischen umringt von aufgeregten, lärmenden Menschen, die ihm allesamt fremd und in ihrem barbarischen Verhalten unerträglich waren. Therese blieb verschwunden. Er war am falschen Ort, hatte das Gefühl, gefangen zu sein inmitten dieser aufgebrachten Menge, jäh stieg Ärger in ihm auf. Die aufgepeitschte Stimmung