Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lars Gelting
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092639
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den sie dieser vordringenden, viel zu warmen Hand freiwillig niemals zugänglich gemacht hätte, und wurde endlos langsam zurückgezogen. Wieder schüttelte sie ihren Kopf, schlug die Haare hin und her; nicht so stark wie vorher, resignierter!

       Flüchtig spürte sie seine Hand auf ihrem rechten Schulterblatt, dort, wo sie seit ihrer Geburt ein Blutschwamm zierte, wenig größer als ein Daumennagel. Er sagte zwei, drei Worte, sie drangen nur undeutlich zu ihr, obwohl er immer noch viel zu nah an ihrem Körper stand. Hinter ihr kratzte die Feder des Schreibers über das Papier.

       Unvermittelt hörte sie ihn – dicht, viel zu dicht – neben sich atmen, spürte eine Hand in ihrem Rücken, während die andere langsam, fast streichelnd über ihren leicht gewölbten Bauch strich.

      „Ruhig, warum zittert ihr so?“ Er sprach fast leise, sein Atem flog ein wenig zu schnell und zu labil durch die Nase, wobei er sie beobachtete. Fast zärtlich umspielten seine Finger den Leberfleck etwas unterhalb ihres Bauchnabels. Hätte sie sich doch nur wehren, ihn wenigstens anspeien können, unmöglich. Hinter ihr kratzte die Feder des Schreibers.

       Und dann stellte er sich noch einmal unmittelbar vor sie hin, trat zwei Schritte zurück, betrachtete sie in aller Ruhe von oben nach unten und wieder zurück, trat wieder sehr dicht an sie heran und versuchte sie direkt anzusehen. Sie wich seinem Blick aus, starrte verzweifelt an die Seitenwand, auf den Sitzbock, weiter auf die Geräte, die dort hingen und in deren Zwingen und Dornen unübersehbar der Schmerz lauerte. Ihr Blick fiel auf den Schreiber, der an der Wand neben einem Vorsprung kauerte, sie unverhohlen ansah.

       Sie spürte die Hand auf ihrem Bauch, warm, drängend, dicht über dem Schamhaar. Irgendjemand legte ihr wieder den Eisblock in den Rücken, sie schnappte nach Luft, ihr Kopf flog herum – überdeutlich sah sie, wie sich seine Nasenflügel blähten. Sie presste ihre Augen zu, biss sich von innen auf die Lippen.

       Im gleichen Augenblick fuhr die Hand, die bisher so unverschämt sanft über ihren Körper geglitten war, zwischen ihre Beine. Tastete wissend und immer noch zu heiß. Unversehens dann und gar nicht mehr gefühlvoll presste er mit irgendeinem harten Gelenkknochen gegen den kleinen, festen Knubbel, von dem aus in glücklichen Jahren Wellen größter Verzückung und süßer Wollust ihren Körper durchfluteten, und von dem aus jetzt ein wilder Schmerz ihren Körper wütend durchzuckte.

       Das Kratzen der Feder! Sie hatte es wieder nicht gehört, was dieser Doktor zum Schreiber gesagt hatte. Jedenfalls schrieb der Schreiber etwas auf, während sich das Scheusal entfernte.

       Der Narbige ging daran, ihre Fesseln zu lösen. Ihre Hände und Arme waren eingeschlafen und fielen kraftlos herab. Nichts nahm sie mehr wahr hinter ihrem Tränenschleier, fühlte sich zutiefst erniedrigt, entehrt und wertlos.

      „Hier!“ Der Narbige warf ihr etwas vor die Füße.

       Sie stand, ohne einen Blick darauf zu werfen.

      „Zieh das an – los!“

       Willenlos gehorchend bückte sie sich, streckte den Arm, in den kribbelnd und stechend das Leben zurückströmte, erkannte das ´Etwas´ in ihrer Hand als einfaches, grobes Leinenhemd. Weinend: „Mein Kleid.“

       Ungeduldig der Narbige: „Zieh das an!“

       Sie fragte nicht weiter, zog es sich einfach über ihren Kopf, über ihr tränennasses Gesicht, streifte es über ihre Arme, ihren Körper, spürte nicht die Derbheit, nicht dass es kratzte, gehorchte nur!

       Hinter ihr entfernten sich Schritte auf der Treppe nach oben.

      „Komm jetzt!“ Der Narbige stand an der Treppe, wies mit einer knappen Kopfbewegung nach oben, wo der Schreiber, die letzte Stufe eilig nehmend, durch die geöffnete Tür verschwand.

       Sie stieg die ersten Stufen hinauf, schniefte, musste ihr Leinenhemd raffen, welches ihren Körper weit und sperrig umhüllte – und blieb stehen: Über ihr, am Anfang der Treppe, stand jemand in der geöffneten Tür, füllte die gesamte Türöffnung aus und kam dann groß und dunkel die Treppe hinunter, ruhig, Stufe für Stufe. Sie hörte, dass der Narbige hinter ihr die gerade genommenen Stufen wieder hinabstieg. Zaghaft rückwärtsgehend folgte sie ihm, ohne die dunkle Gestalt, die sie als neue Bedrohung auf sich zukommen sah, aus den Augen zu lassen.

       Der Peinmann! Sie erkannte ihn, bevor er ganz in das spärliche Licht hinab gestiegen war. Ihn kannte jedes Kind im Ort, sprach nur mit Schaudern vom ´Peinmann´, statt vom „Pocher“, wie er eigentlich hieß. Er war der Mann, der den Übeltätern und Gaunern unter Schmerzen ein Geständnis abpresste, der als Scharfrichter die bisweilen grausamen Urteile des ´Hohen Gerichtes´ vollstreckte. Nun kam er die Treppe hinunter auf sie zu, kam mit der Festigkeit und Sicherheit desjenigen hinunter, der sein dunkles Reich betritt, und der um die Furcht derjenigen weiß, die ihm hier ausgeliefert sind.

      „Therese Driesner.“ Er sagte das, die letzten zwei Stufen hinabsteigend, einfach so dahin. Nicht fragend oder feststellend, einfach so, mit tiefer und ruhiger Stimme, als wolle er sich den Klang des Namens schon mal einprägen. Sie war einen Schritt an die Seite gegangen, um ihn vorbei zu lassen und so blieb er etwas seitwärts von ihr vor der Treppe stehen.

      „Hast du dich mal umgesehen – hier unten?“ Einen langen Moment blickte er sie wie prüfend an, ließ seine großen, grauen Augen dann betont langsam durch das Gewölbe streifen. Blickte zur Streckbank, verweilte einen langen Moment bei den schaurigen Öffnungen des Sitzbocks und kehrte dann, den mächtigen Flaschenzug ausgiebig betrachtend, zu ihr zurück, bedeutungsvoll schweigend.

       Sie hatte nicht gewagt, seinem Blick zu folgen, noch einmal zurück zu sehen und wusste doch, wohin er schaute, vermochte jetzt nur mit dem Kopf zu nicken. Schaute wie durch Angst gebannt in dieses Gesicht, dieses entseelte, harte und schon von tiefen Falten durchzogene, vielleicht gerade erst fünfzig Jahre alte Gesicht.

      „Hier unten haust der Schmerz, und manchmal sogar der Tod, Mädchen. Bedenke das!“ Er ließ sie stehen. Im Weitergehen: „Überlege dir gut, was du gleich da oben sagst! Spätestens hier unten sagst du mir doch die Wahrheit.“

       Sie blickte hinter ihm her, entsetzt! Sah plötzlich die Raußbacher, wie sie gequält und verunstaltet vor ihrem Loch da unten zusammensackte. Sah verwirrt und immer noch entsetzt, wie dieser Mensch, neben dem Pfeiler stehend, in einer ganz normalen Bewegung seine speckige Lederkappe vom Kopf nahm, zwei-drei Mal mit der Rechten langsam durch das dunkle, leicht krause Haar fuhr, und die Kappe wieder aufsetzte.

       Der Narbige schob sie die Treppe hinauf, und zum ersten Mal fügte sie sich bereitwillig seiner vorwärtsdrängenden Hand, nahm hastig Stufe um Stufe, trat auf das Hemd, das ihr bis auf die Füße reichte und immer schon vor ihr auf der nächsten Stufe war. Sie fiel hin, nahm die nächste Stufe auf allen Vieren, rappelte sich auf, hetzte weiter, hinauf zur geöffneten Tür. …

      „Wie kann das sein, dass diese Kerle da unten tun und lassen konnten was sie wollten. Das ist unerträglich! Warum lässt das Gericht die so einfach wurschteln, Pater?“ Franz beugte sich weit über den Tisch, spießte mit seinem Messer geradezu wütend den Speck auf, der auf der anderen Seite des Tisches direkt vor Stefans aufgestützten Ellenbogen lag und zog ihn über den Tisch zu sich heran.

      „Was fragst du mich, Franz? Ganz sicher ahnte auch der Knapp nichts von diesen Dingen. Ganz sicher nicht!“

      „Ha – und dann hat der Kerl diese Ferkeleien auch noch als Untersuchung mit Ergebnis verkauft?“ Franz schnitt wütend an der Speckseite herunter, stach das Messer in die Tischplatte, wo es neben dem Speck aufrecht stecken blieb.

      „Hat er! Und das war der Anfang vom Ende.“ Sie beugte sich vor, sah ihn mit hochgezogenen Brauen bei verengten Augenschlitzen von der Seite her an und tippte mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte

      „Bis zu dieser grässlichen Verhandlung hätte ich mir nicht vorstellen können,